Während sich bei der Jagd auf die letzten freien Plätze für das Trainingscamp bei meinen Vereinskollegen wahre Dramen abspielten, legte ich mir ein Gravelbike zu. Ich boykottierte erfolgreich alle Karnevalspartys und entfloh mit meinem Bruder dem bunten Treiben. In den schneearmen Lagen der Voralpen genossen wir entspannte Stunden auf und abseits der befestigten Wege. Auch die ersten Laufeinheiten entpuppten sich als sehr vielversprechend und ich freute mich auf die bevorstehende Saison mit gut organisierten Wettkämpfen in noch schöneren Regionen. Urlaub und Sport. Was kann es Schöneres geben?
Aber bevor ich mein Training richtig aufnehmen konnte, hatte es mich erwischt. Leider war es nicht Amors Liebespfeil, sondern die Rüsselseuche. Nachdem im Büro alle meine Kollegen nacheinander ausfielen, war es kein Wunder, dass auch ich an die Reihe kam. Kratzen im Hals. Ein Dröhnen im Kopf. Heiserkeit. Erhöhte Temperatur. Der Arzt diagnostizierte eine leichte Bronchitis, verschrieb mir ein Breitbandantibiotikum und strikte Bettruhe. Die einzige sportliche Aktivität dürfe sich lediglich auf das Betätigen der Fernbedienung zum Wechseln zwischen den Sportkanälen beschränken. Ich versuchte es jedoch zunächst mit Lesen. Als ich nach drei Tagen alle ungelesenen Bücher und Zeitschriften meines Haushaltes in- und auswendig kannte, schaltete ich den Fernseher ein. Mit Spannung lauschte ich zunächst den Talkshows. Am frühen Abend berieselten mich diverse Telenovelas und vor dem Einschlafen verfolgten mich alte Kinohits oder abgefahrene Menschen beim Käferessen. Ich zappte wild durch alle Programme. Es war wie eine Sucht. Anstatt die Flimmerkiste einfach auszuschalten, führten insbesondere die eingeblendeten Werbebotschaften zu einer wahren Jagd nach dem besten Sender. Als ich begann, mich zu fragen, wie es die Bundesbürger bei dem Programmangebot schaffen, mehrere Stunden tagtäglich vor der Glotze zu verbringen, ging es mir glücklicherweise wieder deutlich besser. Endlich durfte ich wieder zum Sport. Ich tauschte Fernbedienung gegen Laufschuhe und Fahrrad, nutzte die ersten wärmeren Temperaturen und genoss bei frischer Luft auf meinen Lieblingsstrecken die herrliche Natur, den besten Programmdirektor, den es geben kann.
Denkt dran, immer schön locker bleiben,
Euer Freund Locke
Foto: Klaus Arendt