Antibiotika und Sport

Antibiotika haben die Medizin revolutioniert und retten bis heute Leben. Was Sportler bei der Einnahme beachten sollten und warum die Gefahr durch Bakterien wieder zunimmt, erfahren Sie im nachfolgenden Fachartikel.

EIN BLICK ZURÜCK

Dass Menschen heute nicht mehr an einer Mandelentzündung sterben, soll einer Aufräumaktion zu verdanken sein. 1928, so heißt es, habe der britische Mediziner Alexander Fleming in seinem Labor in London nach den Sommerferien für Ordnung gesorgt. Er sei dabei auf achtlos abgestellte Petrischalen gestoßen, die ihn stutzig machten: In jenen, in denen der Schimmelpilz „Penicillium notatum“ wuchs, waren weniger Bakterienkolonien zu sehen als in den anderen. Fleming ahnte: Der Pilz schien irgendetwas zu produzieren, das die Vermehrung der Bakterien in Schach hielt, sie vielleicht sogar abtötete. Als Wissenschaftler war er sofort fasziniert von dieser Entdeckung. Der damals 47-Jährige forschte weiter, extrahierte die wirksame Substanz aus dem Pilz – und galt wenig später als Entdecker des Penicillins. Das Ergebnis seiner Forschung gilt als Meilenstein in der Medizingeschichte, wenngleich, streng genommen, ein anderer Wirkstoff, der vorher entdeckt wurde, die Ära der Antibiotika einläutete: das 1910 von Paul Ehrlich entwickelte Salvarsan gegen den Erreger der Syphilis. Flemings Extrakt aus dem Schimmelpilz kam als Arzneimittel zwar erst 1942 auf den Markt, gilt jedoch bis heute als eines der wichtigsten Medikamente der Welt: Penicillin kommt auf dem ganzen Globus gegen Mandel- und Nasennebenhöhlenentzündungen zum Einsatz, hilft bei Ohrinfektionen, Scharlach und Bronchitis, gegen Lungenentzündungen, Harnwegsinfekte und Syphilis. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) listet es als „unentbehrliches Arzneimittel“. Der Wirkstoff blieb nach Flemings Entdeckung nicht das einzige Antibiotikum.

ANTIBIOTIKA

Aktuell gibt es 15 verschiedene Klassen dieser Bakterien hemmenden Stoffe. Sie alle haben gemeinsam, dass sie krankmachende Bakterien abtöten oder so stark unterdrücken, dass der Körper selbst mit ihnen fertig wird („anti“ = gegen, „bios“ = Leben). Antibiotika greifen in den Stoffwechsel von Bakterien ein. Sie verhindern etwa, dass das Bakterium, das sich durch Zellteilung vermehrt, eine neue Zellwand aufbaut. Sie stören die Funktion der bakteriellen DNA oder der Zellmembran, hemmen den für die Mikroorganismen lebenswichtigen Folsäurestoffwechsel oder blockieren den Aufbau von Proteinen in ihrem Innern. Kurz: Antibiotika machen Bakterien vermehrungs- oder lebensunfähig, sodass sie für den Körper keine Gefahr mehr darstellen. Gegen nahezu jede bakterielle Infektion gibt es heutzutage ein Antibiotikum, was seit der Erstzulassung des Penicillins 1942 vielen Menschen das Leben gerettet hat.

RESISTENTE KEIME

Aufgrund der durchschlagenden Wirkung und des flächendeckenden, teils sorglosen Einsatzes der Mittel in den vergangenen Jahrzehnten hat sich jedoch ein Problem entwickelt: Zunehmend tauchen Bakterienstämme auf, die gegen die gängigen Antibiotika resistent sind, denen die Mittel also nichts ausmachen. Resistente Bakterien haben Tricks entwickelt, den Wirkmechanismus eines Antibiotikums zu umgehen. Sind sogar verschiedene Antibiotika gegen sie wirkungslos, spricht man von „multiresistenten“ Keimen. Der bekannteste ist wohl MRSA (methicillinresistenter Staphylococcus aureus), der in Pflegeheimen oder Krankenhäusern kursiert und gegen den es bis heute kein Mittel gibt. Für gesunde Menschen ist er ungefährlich, geschwächte oder alte jedoch kann er umbringen. Resistente Keime sind jetzt schon für viele Todesfälle verantwortlich: Laut Robert Koch-Institut sterben allein in der Europäischen Union jedes Jahr 33.000 Menschen daran, in Deutschland rund 2.400. Die Wissenschaft ist deshalb ständig auf der Suche nach neuen Antibiotika. Bis es diese gibt, gilt es, mit den vorhandenen sorgsam umzugehen und sie nicht leichtfertig einzusetzen (siehe Kasten). Die Zahl der Antibiotikaverordnungen ist deshalb in den vergangenen Jahren zurückgegangen.

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Warum entstehen Antibiotika-Resistenzen?
weil viele Menschen Antibiotika zu häufig, zu kurz oder zu niedrig dosiert einnehmen

weil Menschen oft Antibiotika einnehmen, obwohl diese nicht wirken, etwa bei Virusinfektionen

aufgrund des Antibiotika-Einsatzes in der Massentierhaltung

Quelle: patienten-information.de

GEBRAUCHSINFORMATIONEN

Doch auch Patienten können dazu beitragen, dass die aktuell auf dem Markt stehenden Antibiotika noch möglichst lange wirken: indem sie das Ihnen verschriebene Medikament korrekt anwenden und sich vorher gut dazu informieren. Wie lange und wann am Tag ist das Antibiotikum einzunehmen? Was mache ich, wenn ich die Einnahme mal vergesse? Mit welchen Nebenwirkungen muss ich rechnen? Wie beeinflusst das Antibiotikum andere Medikamente? Gibt es auch Wechselwirkungen mit Lebensmitteln? Die Packungsbeilage zu lesen oder sich in der Arztpraxis oder Apotheke gut über den Wirkstoff zu informieren, ist vor der Antibiotikaeinnahme Pflicht. Es ist zudem wichtig, ein Antibiotikum unbedingt auch dann wie verordnet weiter einzunehmen, wenn man sich schon deutlich besser fühlt. Wer die Behandlung vorzeitig abbricht, riskiert einen Rückfall und die Bildung resistenter Keime.

Was viele immer wieder verwechseln, ist die Tatsache, dass Antibiotika nur gegen bakterielle Infektionen helfen. Bei Virus-infektionen, wie einer Erkältung, Husten, vielen Arten von Halsweh, Grippe oder COVID-19, helfen sie nicht.“

VIRUS vs. BAKTERIUM

Was viele immer wieder verwechseln, ist die Tatsache, dass Antibiotika nur gegen bakterielle Infektionen helfen. Bei Virusinfektionen, wie einer Erkältung, Husten, vielen Arten von Halsweh, Grippe oder COVID-19, helfen sie nicht. Es bringt daher gar nichts, ein Antibiotikum auf Verdacht an den Vereinskollegen weiterzugeben oder selbst eins zu benutzen, das einer anderen Person verschrieben wurde. Nur ein Arzt sollte nach einer Untersuchung entscheiden, ob ein Antibiotikum nötig ist und dieses dann verschreiben. Um Resistenzen vorzubeugen und das Gesundwerden zu beschleunigen, ist es außerdem wichtig, die Wechselwirkungen im Blick zu haben. Manche Antibiotika wirken zum Beispiel nicht, wenn man die Tablette zusammen mit Milchprodukten einnimmt. Andere beeinträchtigen die Wirkung bestimmter Medikamente, sie können etwa die Anti-Baby-Pille unwirksam machen oder Blutverdünner verstärken.

Angriff auf das Mikrobiom Antibiotika haben den Nachteil, dass sie auch den nützlichen Bakterien im Verdauungstrakt schaden, dem sogenannten Mikrobiom. Es besteht aus Milliarden von Bakterien, die uns beispielsweise helfen, Nahrung zu verdauen, oder die das Immunsystem positiv beeinflussen. Sterben viele dieser Mikroorganismen durch die Antibiotikaeinnahme ab, kann das zu Nebenwirkungen wie Durchfall oder anderen Verdauungsproblemen führen. Bekommen schon Babys Antibiotika, wirkt sich das nachweislich negativ auf ihr Immunsystem aus und kann das Risiko für Allergien, Übergewicht und ADHS erhöhen. Ein internationales Forscherteam hat untersucht, wie sich die Darmflora von Erwachsenen nach einer Antibiotikatherapie verhält. Laut der Publikation, die 2018 im Fachmagazin Nature erschien, erholt sich das Mikrobiom nach einer viertägigen Therapie mit drei verschiedenen Antibiotika nahezu vollständig. Aber das dauert: Erst ein halbes Jahr nach der Antibiotikabgabe war die Darmflora der Probanden nahezu wiederhergestellt. Manche Bakterienarten waren allerdings ganz verschwunden. Anderen wiederum hatte die Behandlung nichts ausgemacht. Insgesamt hatten die nützlichen Mikroorganismen im Darm vermehrt Resistenzgene gebildet. Je öfter jemand Antibiotika einnehmen muss, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Resistenzen entstehen.

Weil Antibiotika immer auch Bakterien angreifen, die für den Körper nützlich sind, kann deren Einnahme – wie die jedes anderen Medikaments – mit Nebenwirkungen einhergehen. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen von Antibiotika gehören Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall oder Übelkeit. Manchmal kommt es zu allergischen Reaktionen wie Hautausschlag oder Juckreiz. Pilzinfektionen der Schleimhäute kommen unter Antibiotikatherapie häufiger vor, weil sich die Bedingungen für die Pilze ohne Bakterien verbessern. Ob und wie starke Nebenwirkungen auftreten, hängt aber immer auch vom allgemeinen Gesundheitszustand ab: Wer fit und gesund ist, verträgt die Mittel meist gut.

Darmflora wieder aufbauen – so geht’s

Es ist möglich, den Verdauungstrakt dabei zu unterstützen, die Darmflora nach der Antibiotikatherapie wieder aufzubauen. Die Verbraucherzentrale empfiehlt dazu eine „pflanzenbetonte Kost mit vielen milchsauer vergorenen Produkten“, also Sauerteigbrot, Gemüse, Sauerkraut, Kimchi, Tempeh, Naturjoghurt, Kefir, Ayran oder Dickmilch. Ebenso sei auf die Zufuhr von Ballaststoffen zu achten, etwa aus Haferflocken, Vollkornprodukten, Leinsamen, Karotten, Linsen, Erbsen, Chicorée, Lauch, Äpfeln oder Reis. Von Nahrungsergänzungsmitteln zur „Darmsanierung“ rät die Verbraucherzentrale ausdrücklich ab: Es gebe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, welche Bakterien in welcher Dosis dafür notwendig seien. Stattdessen zeigten Untersuchungen, dass die Einnahme von Mikroorganismen die Erholung der Darmflora nach einer Antibiotikakur sogar verzögern kann.

STRIKT EINZUHALTENE SPORTPAUSE

Was im Zusammenhang mit Antibiotika aber am meisten interessieren dürfte, ist die Frage: Was bedeutet eine Antibiotikatherapie für das Training? Die kurze Antwort: nichts Gutes. Denn wer so krank ist, dass ein Arzt ein Antibiotikum verordnet hat, sollte erst mal keinen Sport treiben. Schuld daran ist nicht das Arzneimittel, sondern der Grund, weshalb es einzunehmen ist. Eine bakterielle Infektion, die ein Antibiotikum erfordert, ist eine ernst zu nehmende Erkrankung. Mit so einem Infekt, egal, ob es sich um eine Blasen-, Mandel- oder Nasennebenhöhlenentzündung handelt, ist Schwimmen, Radfahren und Laufen tabu. Körperliche Anstrengung würde den Körper, der gerade alle Kraft braucht, um gegen den Krankheitserreger anzukämpfen, nur noch mehr schwächen. Es besteht dann die Gefahr, dass die Bakterien die Oberhand behalten und sich die Infektion unnötig lange hinzieht. Mit einem nicht ganz auskurierten Infekt Sport zu treiben, bedeutet, abgesehen von der Rückfallgefahr, auch ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Herzmuskelentzündung. Die sogenannte Myokarditis entwickelt sich, wenn der Krankheitserreger über den Blutkreislauf durch den gesamten Körper gespült wird, das Herz angreift und dort eine Entzündung auslöst. Bei einer Herzmuskelentzündung besteht Lebensgefahr, da sie eine ausgeprägte Herzschwäche zur Folge hat. Die Therapie ist langwierig, besteht vor allem aus monatelanger absoluter Schonung – und ist dennoch nicht immer von Erfolg gekrönt. Im schlimmsten Fall rettet Betroffene nur noch eine Herztransplantation, falls rechtzeitig ein geeignetes Spenderherz zur Verfügung steht.

„Eine bakterielle Infektion, die ein Antibiotikum erfordert, ist eine ernst zu nehmende Erkrankung. Mit so einem Infekt, egal, ob es sich um eine Blasen-, Mandel- oder Nasennebenhöhlen-entzündung handelt, ist Schwimmen, Radfahren und Laufen tabu.“

Während der Antibiotikaeinnahme zu trainieren, ist deshalb absolut tabu, auch wenn das Fieber längst abgeklungen ist. Das klingt hart, wäre aber ohnehin nicht sehr sinnvoll: Ist der Körper gerade damit beschäftigt, einen Krankheitserreger zu besiegen, wird eine ihm zusätzlich aufgebürdete Trainingseinheit keinen großen Effekt haben. Die Leistungsfähigkeit wird eingeschränkt sein, die Beine werden spürbar schwerer – Spaß macht so ein Training auch nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass man Vereinskollegen anstecken oder sich in der Schwimmhalle weitere Keime einfangen könnte, die gegen ein bereits auf Hochtouren arbeitendes Immunsystem gute Chancen haben. Also: lieber auskurieren und dem Körper die Zeit geben, die er braucht, um wieder ganz gesund zu werden.

WIEDEREINSTIEG INS TRAINING

Wenn man sich wieder etwas fitter fühlt, ist gegen tägliche Spaziergänge, um etwas in Bewegung zu bleiben und frische Luft zu schnappen, nichts einzuwenden. Auch sanfte Stretching- oder Yogaeinheiten, die den Kreislauf nicht belasten, sind in Ordnung. Ist die letzte Tablette Antibiotikum eingenommen, sind zwei bis drei weitere Ruhetage sinnvoll, bevor mit einer kurzen Einheit, etwa einem Lauf von 30 Minuten Dauer, der Wiedereinstieg gefeiert werden darf. Es ist wichtig, dabei die ganze Zeit aufmerksam auf die Signale des Körpers zu achten: Ist er wirklich schon bereit, oder fühlt man sich eher schlapp? Ist die Herzfrequenz gewohnt niedrig oder noch erhöht? Je nach Gefühl – Triathleten haben in aller Regel ein gutes Körpergefühl – ist die Trainingsintensität zu verringern oder die Einheit vielleicht sogar ganz abzubrechen, falls der Körper noch nicht so weit ist. Auch wenn das erste Training nach einer Krankheitspause gut läuft, ist der Umfang nur langsam wieder zu steigern – abhängig von dem zuvor gewohnten Programm. Wer vor der Erkrankung fünfmal pro Woche trainiert hat, sollte zum Beispiel mit zwei bis maximal drei kurzen Grundlagenausdauereinheiten pro Woche wieder anfangen. Fühlen sich die lockeren Einheiten gut an, können vorsichtig erste Intensitäten ausprobiert werden.

Es kommt immer auch auf die Infektion an, welche Disziplin für das Comeback am besten geeignet ist. Wer gerade eine Mittelohrentzündung überstanden hat, sollte nicht ausgerechnet als Erstes schwimmen gehen: Im Hallenbad lauern viele Keime, und beim Schwimmen gerät immer Wasser ins Ohr. Also lieber warm einpacken, eine Mütze über die empfindlichen Ohren ziehen und eine lockere Runde joggen gehen. Nach einer Zahnwurzelentzündung dagegen können die Erschütterungen beim Laufen unangenehm sein – dann ist vielleicht eine kleine Radausfahrt angenehmer. Nach schweren Infekten mit Fieber und langem Ausfall kann es sich lohnen, vor dem Wiedereinstieg ins Training einen Termin in einer sportmedizinischen oder kardiologischen Praxis zu machen: um ganz sicherzugehen, dass mit dem Herzen alles in Ordnung und der Körper bereit für neue Triathlonabenteuer ist.

Text: Sina Horsthemke
Foto: Klaus Arendt