Schulterschmerzen: Ärger mit der Supraspinatus-Sehne

Herausforderung Schwimmen
Herausforderung Schwimmen

Schulterschmerzen beim Schwimmtraining hängen sehr häufig mit der sogenannten Supraspinatus-Sehne zusammen. Sie liegt direkt unter dem Schulterdach und gehört zur Rotatorenmanschette. Die Ursache ist in der Regel eine chronische Überlastung. Vorbeugen ist möglich.

Da die Schulterschmerzen bei Triathleten vor allem beim Schwimmtraining auftreten, wird sogar oft von einer „Schwimmerschulter“ gesprochen. Dieser Begriff ist aber keine korrekte medizinische Bezeichnung, sondern fasst mehrere Verletzungen im Bereich der Schulter zusammen. Diese können sowohl einzeln als auch kombiniert auftreten. „Chronische Überlastung ist die häufigste Ursache für Schulterschmerzen bei Triathleten“, sagt Dr. Ulrich Bader, Orthopäde in der OrthoPraxis in Gräfelfing. „Dies führt zu Abnutzungserscheinungen an der Schulter.“ Eine falsche Technik oder einseitiges Training kann diesen negativen Prozess weiter beschleunigen.

SUPRASPINATUS … WAS?

In den meisten Fällen hängen die Schulterbeschwerden bei Triathleten mit der sogenannten Supraspinatus-Sehne zusammen. Sie liegt direkt unter dem Schulterdach und gehört zur Rotatorenmanschette. Die Supraspinatus-Sehne wird oft als „wichtigste Sehne“ der Rotatorenmanschette bezeichnet, da sie den oberen Anteil der Rotatorenmanschette bildet. Flächig von oben – wie eine Manschette – umgibt sie den Oberarmkopf. Sie verläuft zwischen dem Oberarmkopf und dem Schulterdach und trägt wesentlich zur Schulterzentrierung bei. Die Rotatorenmanschette besteht aus insgesamt vier Muskeln und natürlich den dazugehörenden Sehnen: Musculus infraspinatus, Musculus supraspinatus, Musculus subscapularis und Musculus teres minor. Dass die Rotatorenmanschette aus mehreren Muskeln und mehreren Sehnen besteht, merkt man meistens erst dann, wenn eine wehtut. Und das ist eben oft die Supraspinatus-Sehne.

URSACHENFORSCHUNG

„Durch seine exponierte Lage zwischen Oberarmkopf und Schulterdach ist die Supraspinatus-Sehne besonders anfällig für Überlastungen und Verletzungen“, berichtet Dr. Bader. Da der Supraspinatus-Muskel die seitliche und vordere Armhebung unterstützt, spürt man die Schulterschmerzen vor allem beim Kraulschwimmen. Nur noch unter Schmerzen kann der Arm aus dem Wasser gezogen und nach vorne geschwungen werden. Auch im Alltag wird es schwierig, etwas aus oberen Schrankfächern zu nehmen – zumindest, wenn man keine Leiter parat hat. Im fortgeschrittenen Stadium können die Schmerzen auch beim Radfahren oder sogar in völliger Ruhe auftreten. Die Beweglichkeit der Schulter nimmt immer weiter ab. Eine Schultersteife droht, die sogenannte „frozen shoulder“.

Der typische Bewegungsablauf beim Kraulschwimmen ist leider auch mit ursächlich für die Probleme mit der Supraspinatus-Sehne: Um zügig beim Schwimmen voranzukommen, drückt man den Arm möglichst weit durchs Wasser nach hinten und schwingt ihn anschließend möglichst weit nach vorne. Am Ende dieser Streckphase dreht man den Arm – um günstig ins Wasser einzutauchen – nach innen. Die Folge: Der Innenrotations- und der Brustmuskel werden deutlich stärker beansprucht als die Außenrotatoren. Auf Dauer entsteht bei vielen Triathleten und Schwimmern daher ein Ungleichgewicht zugunsten der Schulterinnenrotatoren. Der Innenrotations- und der Brustmuskel werden kräftiger, verkürzen sich aber auch häufig. Die Außenrotatoren der Schulter sind meist abgeschwächt. „Negativ verstärkend, können beim Schwimmtraining eingesetzte Paddles sein, die Triathleten oft sehr gern verwenden“, sagt Dr. Bader. „Man schwimmt in dem Moment zwar schneller, aber da der Widerstand im Wasser größer ist, wird die Schulter viel stärker belastet. Die muskulären Dysbalancen werden noch schlimmer.“

TEUFELSKREIS

Durch diese muskulären Ungleichgewichte gerät die Mechanik des Schultergelenks durcheinander: Oberarmkopf und Schultergelenkspfanne laufen nun nicht mehr zentriert, und es kommt vermehrt zu einem Druck gegen das Schulterdach. Dies wiederum reizt die Supraspinatus-Sehne. Eine Art Teufelskreis entsteht: Durch die Entzündung verdickt sich die Sehne, und der Druck gegen das Schulterdach wird noch größer. Die betroffene Stelle an der Schulter verengt sich immer weiter. Impingementsyndrom nennen Mediziner das. Das englische Wort „to impinge“ bedeutet einklemmen. „Von Natur aus besteht bereits bei jedem Menschen eine Enge zwischen Oberarmkopf und dem Schulterdach“, erläutert Dr. Bader. „Wird die Schulter dauerhaft überlastet und es liegen bei den betroffenen Triathleten zusätzlich auch noch muskuläre Dysbalancen vor, wird die Supraspinatus-Sehne zunehmend eingeklemmt, eine Schulterenge entsteht. Entzündungen und schmerzhafte Reizungen sind die Folge.“

SCHLEIMBEUTELENTZÜNDUNG

Die entstandene Enge in der Schulter schadet aber nicht nur den Sehnen, sondern in der Regel kommt es gleichzeitig zu einer Reizung des dort liegenden Schleimbeutels. Diese Schleimbeutelentzündung wird medizinisch Bursitis genannt. „Schleimbeutel bilden eine Art Puffer zwischen dem harten Knochen und weicheren Strukturen des Körpers, wie Haut, Muskeln und Sehnen“, erläutert Dr. Bader. „Sie schützen die empfindlichen Knochen und Gelenke vor Druckbelastung.“ Eigentlich hat die Natur das optimal geregelt: Die Schleimbeutel sind – wie der Name schon sagt – „Beutel“ aus Bindegewebe, die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Bei starker Belastung bilden die Schleimbeutel vermehrt Flüssigkeit. Ähnlich wie ein Kissen, „polstert“ dann der Schleimbeutel die belasteten Gelenke ab. Salopp gesagt: Je größer die Belastung, desto dicker wird das Kissen. Verschwindet die Belastung wieder, wird der Schleimbeutel wieder dünner. „Die Schleimbeutelflüssigkeit wird automatisch wieder abgebaut“, sagt Dr. Bader. Das Problem ist nur: Bei ständiger Überlastung – oder chronischer Reizung durch die im Schulterdach entstandene Enge – schafft der Körper es nicht mehr, die Flüssigkeit abzubauen. Der Schleimbeutel schwillt an. Es kommt zu einer Schleimbeutelentzündung.

ÜBERLASTUNG

Überlastet man die Supraspinatus-Sehne weiter – im schlimmsten Fall kombiniert mit der Schulterenge – drohen sogar Einrisse der Supraspinatus-Sehne. Meistens handelt es sich um sogenannte Mikrotraumen (Kleinstrisse) in der Sehne. Dadurch wird die Sehne schlechter durchblutet, kaum mehr mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und verschleißt immer mehr. Mitunter reißt die Sehne sogar. Die schlechte Durchblutung der Sehne und der damit einhergehende Sauerstoffmangel können wiederum die Bildung eines Kalkdepots in der Sehne begünstigen. „Bei einer Kalkschulter ist nicht das Schultergelenk selbst betroffen, sondern es hat sich Kalk in den umgebenden Schultersehnen eingelagert. Dies kann auch die Supraspinatus-Sehne betreffen“, erklärt Dr. Bader. Wächst das Kalkdepot, wird es unter dem Schulterdach noch enger. Der Druck stört das Sehnengewebe zunehmend in seinem Stoffwechsel. Hat das Kalkdepot eine kritische Größe erreicht, kommt es fast zwangsläufig zu einer Entzündung und zu Schulterschmerzen.

Ob und inwiefern die Supraspinatus-Sehne verletzt oder erkrankt ist, kann nur ein Orthopäde diagnostizieren. Eine einfache klinische Untersuchung reicht in puncto Supraspinatus-Sehne in der Regel nicht aus, da der Arzt auch die Strukturen im Inneren der Schulter beurteilen muss. Hier haben sich die Ultraschall- und MRT-Untersuchung etabliert. Nach der Diagnose ist in Absprache mit dem behandelnden Facharzt ein sofortiger Therapiebeginn sehr zu empfehlen.

EMPFEHLENSWERTE THERAPIEN

RUHIGSTELLUNG
Leichte Schmerzen können von selbst verschwinden, wenn man der Supraspinatus-Sehne die nötige Ruhe gönnt. Solange Schmerzen bestehen, sollte auch auf das Training vorübergehend verzichtet werden. „Nicht gegen den Schmerz antrainieren“, warnt Dr. Bader. Heute empfehlen Orthopäden allerdings, die Ruhephase nicht zu lange dauern zu lassen, um eine eventuelle Einsteifung der Schulter zu vermeiden.

MEDIKAMENTE
Um die Schmerzen zu lindern, erhält der Patient Medikamente. Bewährte Mittel sind bei Problemen mit der Supraspinatus-Sehne vor allem die nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Diese lindern nicht nur die Schmerzen, sondern hemmen zusätzlich eine übermäßige Entzündungsreaktion.

KÄLTETHERAPIE
Kälte kann akute Schmerzen lindern und Entzündungen eindämmen. Die Kälteanwendungen können mehrmals täglich durchgeführt werden. Achtung: Immer ein Tuch darunterlegen und nicht zu lange den Eisbeutel auf die Schulter legen. Sonst droht eine gefährliche Unterkühlung.

PHYSIOTHERAPIE
Hat der akute Schmerz nachgelassen, sollte mit Krankengymnastik begonnen werden. Dr. Bader: „Physiotherapie ist eine der wichtigsten Behandlungen bei Schulterproblemen. Denn nur mit Physiotherapie kann man eventuelle muskuläre Dysbalancen und muskuläre Verkürzungen beseitigen.“ Krankengymnastik hilft auch in der Regel beim Impingement-Syndrom: Mit gezielten Übungen lassen sich bestimmte Muskelgruppen aktivieren und damit der Hochstand des Oberarmkopfes und die Enge unterhalb des Schulterdachs reduzieren

ULTRASCHALLBEHANDLUNG
Durch die von den Ultraschallwellen erzeugte Wärme wird die Supraspinatus-Sehne gelockert, die Durchblutung erhöht sich und das Gewebe wird besser mit Nährstoffen versorgt.

STOSSWELLENTHERAPIE
Bei der Stoßwellentherapie leitet man hochenergetische Schallwellen auf schmerzende Sehnenansätze. Durch die Wellen lassen sich Schmerzen reduzieren und die Heilung angeregen. Die Stoßwellentherapie eignet sich auch, um Kalkdepots zu verlegen. Der zerbröselte Kalk wird dann vom Körper nach und nach aufgenommen.

OPERATION
Ein Riss oder Teilriss der Supraspinatus-Sehne muss in der Regel sofort operiert werden. Denn eine gerissene Sehne heilt nicht von selbst zusammen. Noch schlimmer: Unbehandelt können sich kleine Risse zu großen Rissen entwickeln. Ansonsten gilt meistens: Erfolgt innerhalb von sechs Monaten keine Besserung der Symptome durch die konservative Therapie oder verschlimmert sich der Zustand sogar, kann eine Operation empfehlenswert sein.

FAZIT und THERAPIEÜBUNGEN

Vorbeugen ist bei Problemen mit der Supraspinatus-Sehne möglich und empfehlenswert: ausgewogen trainieren, eine Überlastung vermeiden, auf eine saubere Schwimmtechnik achten, nur begrenzt mit Paddles trainieren, regelmäßige Pausen einlegen.

SCHULTERMOBILISATION
Hüftbreit hinstellen und ein Theraband zwischen die Hände nehmen. Nun aus dieser Position zügig das gespannte Band zunächst über den Kopf, dann hinter den Körper führen. Anschließend wieder in die Ausgangsposition zurück.

STABILISIERUNG DER SCHULTERBLÄTTER
Ein Theraband in beide Hände nehmen, zwischen den Händen befindet sich circa 50 Zentimeter Band. Die Arme auf Schulterhöhe halten und in eine kleine Vorspannung bringen. Nun versuchen, das Theraband so weit es geht auseinanderzuziehen. Auf eine gerade Haltung achten.

LIEGESTÜTZE
Gut sind auch Übungen wie Liegestütze im Stehen gegen die Wand, Liegestütze von den Knien oder normale Liegestütze. Diese lassen sich leicht in jedes Trainingsprogramm integrieren.

RUMPFMUSKELN KRÄFTIGEN
Auf eine Seite legen, das obere Bein ist weiter vorne. Nun den Oberkörper auf den Ellenbogen abstützen und den Oberkörper vom Boden abdrücken. Dabei die Bauchmuskeln anspannen und darauf achten, dass Wirbelsäule, Rumpf und Beine in einer geraden Linie verlaufen. Einige Sekunden in dieser Position bleiben und dann die Spannung lösen.

Text: Gabriele Hellwig
Foto: Klaus Arendt