Bienen, Wespen und andere Insekten können einem beim Radtraining ganz schön die Tour vermiesen und bei Allergien gefährlich werden. Wie sich Stiche verhindern lassen und was zu tun ist, wenn’s doch passiert, erfahren Sie in den folgenden Abschnitten.
Die Sonne scheint, Vögel zwitschern, Blütenduft liegt in der Luft: Schöner könnte eine Tour im Frühsommer kaum sein. Endlich wieder kurz-kurz! Doch was war das? Ein Klacken am Helm verrät einen Zusammenstoß. Vielleicht ein Käfer, der sich verflogen hat? Sekunden später gibt es keinen Zweifel mehr. Es krabbelt auf der Kopfhaut, ein Insekt ist in den Helm geraten. Kopfschütteln hilft nicht, hat es sich im Haar verheddert? Dann passiert’s: Auf ein Rütteln am Helm folgt ein stechender Schmerz, der sich brennend über die Kopfhaut ergießt. Autsch!
„Wespen niemals mit hektischen Bewegungen wegschlagen oder anpusten – dann fühlen sie sich bedroht und wehren sich.“
BIENEN … WESPEN … HORNISSEN
Bienen im Helm stehen auf der Liste der unangenehmen Zwischenfälle für Radfahrer relativ weit oben. Denn fühlen sich die Tiere bedroht, stechen sie. „Jeder Zweite wird mindestens einmal im Leben von einer Biene, Wespe oder Hornisse gestochen“, sagt Prof. Dr. Bettina Wedi, die als Allergologin die entsprechende Abteilung an der Medizinischen Hochschule Hannover leitet. „Die Stiche an sich sind nicht gefährlich, sogar die Giftmenge mehrerer Stiche ist unproblematisch.“ Sprüche wie „Drei Hornissen töten einen Menschen, sieben ein Pferd“ seien daher „absoluter Blödsinn“, so die Ärztin. Nur bei einer Allergie könne sogar ein einziger Stich zum Tod führen.
SYMPTOME und REAKTIONEN
Die meisten Menschen reagieren auf Stiche mit einer schmerzhaften Schwellung, einer Hautrötung und Juckreiz. Das ist unangenehm, aber harmlos. Bis zu 7,5 Prozent der Europäer, davon gehen Wissenschaftler aus, sind allerdings allergisch gegen Eiweiße im Gift bestimmter Insekten. Dann kann es gefährlich werden: Insektenstiche zählen laut der Stiftung ECARF (European Centre for Allergy Research Foundation) zu den häufigsten Auslösern eines „anaphylaktischen Schocks“. Warum eine Allergie entsteht, ist unklar. „Jeder kann jederzeit eine entwickeln“, sagt Allergologin Wedi. Weil es häufiger zu Wespen- als zu Bienenstichen kommt, sind allergische Reaktionen auf Wespengift häufiger. „Etwa jede vierte verläuft schwer“, sagt Wedi, Sektionssprecherin Dermatologie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Verursacht das Gift nur Hautreaktionen wie Ausschlag, besteht eine Allergie ersten Grades. Ab Grad zwei kommen leichte Luftnot und Kreislaufbeschwerden hinzu. Grad drei geht mit heftigen Atemproblemen, nicht selten einem Asthmaanfall bis hin zur Bewusstlosigkeit einher. Von einer Allergie vierten Grades sprechen Ärzte, wenn das Insektengift einen tödlichen Atem- und Herzstillstand verursacht hat.
SOFORTMASSNAHMEN
„Wer zum ersten Mal auf einer Radausfahrt auf einen Stich hin allergische Symptome entwickelt, sollte nicht weiterfahren, sondern lieber Hilfe holen“, rät Wedi. Körperliche Anstrengung kann die Symptome nämlich noch verstärken. „Bilden sich Quaddeln auf der Haut und kommt es zu Atemproblemen, ist der Notarzt zu rufen“, sagt die Ärztin. Radfahrer, die von ihrer Allergie wissen, sollten stets ein Notfallset dabeihaben. Es passt in die Trikottasche und enthält neben einem Antihistaminikum und Kortison einen Autoinjektor mit Adrenalin. Wedi rät: „Wer mehr als nur Hautsymptome entwickelt, sollte sich nicht scheuen, das Adrenalin in den Oberschenkelmuskel zu injizieren.“ Wichtig zu wissen: Nach einem Bienenstich kann es sein, dass der Stachel samt Giftblase in der Haut stecken bleibt. Diesen vorsichtig mit den Fingern wegschnipsen – und nicht mit zwei Fingern anfassen. Denn das übt Druck aus und kann die Giftblase entleeren, was die Symptome verschlimmert. Gegen die Schmerzen hilft Kühlen, am besten sofort, spätestens zu Hause. Bei mehreren Stichen empfiehlt Wedi, Tabletten mit Antihistaminika zu nehmen. Ein Arztbesuch ist fällig, wenn die Schwellung mehr als zehn Zentimeter Durchmesser erreicht oder Fieber und andere Allgemeinsymptome hinzukommen.
„Nach einem Bienenstich kann es sein, dass der Stachel samt Giftblase in der Haut stecken bleibt. Diesen vorsichtig mit den Fingern wegschnipsen – und nicht mit zwei Fingern anfassen. Denn das übt Druck aus und kann die Giftblase entleeren, was die Symptome verschlimmert.“
WAS TUN BEI JUCKREIZ?
Die meisten quält nur Juckreiz. Warum der überhaupt entsteht, weiß Dr. Daniela Greiner-Krüger, Hautärztin und Gründerin des „MediCorium“, eines Zentrums für Dermatologie und Ästhetik in Oberursel. „Ein Insektenstich bewirkt, dass in der Haut Histamin freigesetzt wird, was das Jucken verursacht.“ Kratzen macht alles nur noch schlimmer, mahnt die Ärztin: „Dann wandern Mastzellen ins Gewebe ein, was den Juckreiz verstärkt.“ Greiner-Krüger rät, am Abend nach einem juckenden Stich auf die Ernährung zu achten: „Isst man Lebensmittel, die Histamin enthalten, verschlimmert das den Juckreiz.“ Auf Tomaten, Erdbeeren, Thunfisch, Lachs, Shrimps, Salami, Käse oder Wein sollten Gestochene daher erst mal verzichten. Hilfreich sei, das Gehirn durch einen anderen Reiz vom Jucken abzulenken: durch die Kälte eines Coolpacks oder Salben mit Menthol. „Interessant sind auch Cremes mit Capsaicin aus Chili“, sagt Greiner-Krüger. „Nach dem Auftragen brennt und beißt es, aber das ist ein anderer, angenehmerer Reiz als der Juckreiz.“
VORSICHTSMASSNAHMEN
Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollten Radfahrer versuchen, Stichen vorzubeugen: indem sie einen Helm mit Netz oder darunter eine leichte Kopfbedeckung tragen und Radflaschen mit süßen Getränken nicht offen herumstehen lassen. „Pausen sollten sie nicht neben Abfalleimern, Fallobst und Nestern machen“, rät Allergologin Wedi. Genauso wenig wie auf einer Kleewiese, denn „da sind fast immer Bienen“. Leider lieben Wespen nicht nur Haarspray und parfümierte Deos, sondern ebenso gern Schweißgeruch. Dass bunte Kleidung die Tiere anlockt, ist wissenschaftlich aber nicht eindeutig belegt. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) empfiehlt, Wespen niemals mit hektischen Bewegungen wegzuschlagen oder anzupusten – dann fühlen sie sich bedroht und wehren sich. Verfängt sich eine im Helm, ist deshalb das Wichtigste, Ruhe zu bewahren. Wer langsam anhält, mit ruhigen Bewegungen den Kopfschutz abnimmt und sich nicht mit der Hand ins Haar greift, hat wahrscheinlich Glück: Die Wespe fliegt davon und wird die frühsommerliche Ausfahrt nicht weiter stören.
UND WAS SONST NOCH STICHT
Stiche von Mücken sind hierzulande ungefährlich – noch: Denn aufgrund des Klimawandels herrschen in Europa für die Asiatische Tigermücke immer bessere Lebensbedingungen. Im Spätsommer 2019, das berichtet das Robert Koch-Institut, hat der Blutsauger in Deutschland erstmals das West-Nil-Fieber übertragen. Verbreitet sich die Art weiter, könnte sie laut Umweltbundesamt in Zukunft zudem Chikungunya-, Dengue- und Gelbfieber verursachen. Zecken, die Radfahrer bei Pausen stechen könnten, übertragen in Risikogebieten Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Outdoorsportler aus Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen, dem südöstlichen Thüringen und Sachsen sollten sich deshalb gegen FSME impfen lassen. Gegen Borreliose gibt es keinen Impfschutz. Wer beim Boxenstopp hohes Gras oder Gebüsch durchquert, sollte den eigenen Körper nach der der Ausfahrt nach Zecken absuchen.
Text: Sina Horsthemke
Fotos: Laura Schültke (Aufmacher) und Larissa Schültke