High Carb? Low Carb? Right Carb!

Im vergangenen Sommer veröffentlichte das renommierte British Medical Journal eine kritische Analyse zum aktuellen wissenschaftlich abgesicherten Stand in der Sportlerernährung. Sie fiel ziemlich vernichtend aus. Vieles sei in qualitativ schlechten Studien, teils mit unrealistischem Studiendesign ermittelt worden. Dies träfe auch für den Bereich Kohlenhydratversorgung beim Sport zu. Man könne Athleten nur empfehlen, die Kohlenhydrate nach dem Prinzip „trial and error“ aufzunehmen. Was ist dran an „high/ low fat“- und „low/ high carb“-Konzepten?

Diesel oder Super?
Keiner schwimmt, fährt und läuft nur mit den Muskeln. Der Fokus hinsichtlich der aktuellen Diskussion zur Kohlenhydratversorgung scheint aber nur beim Muskelstoffwechsel zu liegen. Trainer und Athleten erhalten aus dem Internet fundierte Informationen über die molekulare Basis des Muskelstoffwechsels und schließen daraus direkt auf eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Das mag für den abnehmwilligen Sporteinsteiger interessant sein. Für den leistungsorientierten Triathleten ist es jedoch zu kurz gedacht. Denn um Leistung auf individuell hohem Niveau zu erbringen, ist die Anpassung des gesamten Organismus notwendig. Und dazu bedarf es (auch) intensiver Reize. Diese werden mit der richtigen Menge an Kohlenhydraten mit einem angepassten Glykämischen Index (GI) leichter, effektiver und mit geringerem Risiko hinsichtlich negativer Auswirkungen erbracht als mit wenig oder gar keinen Kohlenhydraten. Und im Wettkampf ist es sinnvoller, mit „Super“ fahren zu können als mit „Diesel“. Anders ausgedrückt: Gibt es Wettkampfsituationen, in denen es Vorteile bringt, sich auf Fett als Energiequelle zu verlassen, sprich mit Diesel zu fahren, oder ist für die individuell maximale Leistung nicht ein möglichst hoher Anteil von „Super“ an der Gesamtenergiebereitstellung besser? Die aktuelle Studienlage gibt keinen Hinweis darauf, dass der Zugewinn durch eine erhöhte Fettoxidation zu einer effektiven Kohlenhydrateinsparung führt und den für eine intensive Trainings- und Wettkampfbelastung notwendigen hohen Energiebedarf so effektiv wie Kohlenhydrate decken kann. Fest steht, je kürzer die Wettkampfdistanz, umso wertvoller ist für diesen Event die Kohlenhydratversorgung bereits beim Training. Alles deutet darauf hin, dass eine fettreiche, kohlenhydratarme Ernährungsweise die Leistungsfähigkeit von gut trainierten Athleten in intensiven Trainingsphasen und im Wettkampf begrenzt und dass damit keine optimale Anpassung an hohe Trainingsreize erzielt wird. Diskutiert wird, ob auf der Langdistanz und bei individueller Veranlagung ein leicht reduzierter Kohlenhydratanteil und eine etwas erhöhte – individuell unterschiedlich große – Fettmenge die Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen können. Zu bedenken ist, dass bei hohen Umfängen aufgrund des hohen Energieumsatzes selbst bei acht Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht und adäquatem Eiweißanteil der Nahrung noch große Fettanteile resultieren, um eine ausgeglichene Energiebilanz zu erzielen. Wird der Kohlenhydratgehalt den Belastungsintensitäten und -umfängen entsprechend gestaltet, kann bei isokalorischer Ernährung keine Rede von einem „low-fat“-Regime sein. Eine pauschale „Kohlenhydratmast“ ist – außer in einer Carboloadingsphase – aber genauso abträglich. Die richtige, situationsspezifische und leistungszielorientierte Menge macht’s.

Einfluss? Ja. Sinnvoll? Nein
Die Beeinflussung des Muskelglykogengehalts vor dem Training ist eine einfach zu handhabende Möglichkeit, die Fettoxidation während und nach dem Ausdauertraining zu variieren. Die „train-low“-Variante (wenig Kohlenhydrate) scheint dabei aber zur Prävention der aktuellen Zivilisationskrankheiten Übergewicht und Diabetes deutlich nützlicher als im leistungsorientierten Triathlonsport zu sein. Liegt der Fokus des Trainings nur auf der muskulären Stoffwechselanpassung, ohne einen gezielten Reiz für beispielsweise das Nervensystem, das neuromuskuläre Zusammenspiel oder auch die Anpassung des Bindegewebes setzen zu wollen, können sowohl Kohlenhydratmenge als auch GI der Lebensmittel reduziert werden. In einer Regenerationsphase und in Wochen beziehungsweise Einheiten mit niedriger Belastungsintensität kann ein Training mit vorentleerten Glykogenspeichern und einer niedrigen Kohlenhydrataufnahme mit niedrigem GI für die reine Ausdauerkapazität hilfreich sein. Werte zwischen minimal drei und fünf Gramm Kohlenhydraten pro Kilogramm Körpergewicht erscheinen hier angemessen.

Mundspülen macht frisch
Erkauft wird dieser Anpassungsprozess aber oft mit Müdigkeit, Unlust und erhöhtem Belastungsempfinden beim Training, was in Studien zu einer deutlich verminderten Belastungsintensität während der Einheit geführt hat. Um dagegen anzugehen, werden der gezielte Einsatz von Koffein während der Belastung sowie kleine Kohlenhydratgaben zur Stabilisierung des Blutzuckerspiegels diskutiert. Auch das Ausspülen des Mundes mit einem süßen Getränk, das aber nicht geschluckt, sondern ausgespuckt wird, kann Ermüdungserscheinungen vorbeugen und das Belastungsempfinden beim Training verbessern. Zielt das Training aber auf Anpassung des gesamten Organismus an wettkampfspezifische Anforderungen, wird gezielt mit „Stress“ gearbeitet, ist eine ausreichende Kohlenhydratmenge notwendig. Hier liegen die Kohlenhydratempfehlungen bei sieben bis zehn Gramm Kohlenhydraten pro Kilogramm Körpergewicht. Athleten, die sich täglich langen oder sogar mehreren Ausdauerbelastungen aussetzen – dazu dürften die meisten leistungsorientiert trainierenden Triathleten zumindest in bestimmten Trainingsphasen gehören – benötigen nach und oft auch während der Belastung eindeutig Kohlenhydrate. Dabei steigt der GI in zeitlicher Nähe zur Belastung, während der überwiegende Anteil der Lebensmittel mit mittlerem und niedrigem GI zu gestalten ist.

Fazit
Um konkrete Empfehlungen für ein „train low“ für Athleten (!) aussprechen zu können, sind noch viele Fragen hinsichtlich negativer Folgen auf die Leistung und die Art, wie spezifische „train low“-Einheiten in ein periodisiertes Trainingsprogramm integriert werden können, zu beantwortet. Die dazu notwendigen Studien stellen höchste Ansprüche an das Studiendesign und es dürfte noch einige Zeit dauern, bis diese Fragen praxisnah beantwortet werden können. Insofern gilt zwar derzeit nicht „trial and error“ bei der Kohlenhydratversorgung. Aber das individuelle Experimentieren mit unterschiedlichen Kohlenhydratmengen und der Art der Kohlenhydrate in zeitlicher Nähe zu Training und Wettkampf kann je nach persönlicher Disposition eine weitere Stellschraube zur Optimierung der Leistungsfähigkeit darstellen: right carb!

Text: Uwe Schröder
Foto: Armin Schirmaier

Quelle: tritime (Ausgabe 3-2013)

Uwe Schröder studierte Oecotrophologie sowie Erziehungs- und Sportwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Giessen und arbeitete im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Rijksuniversiteit Limburg, Maastricht/Niederlande. Uwe Schröder ist als Ernährungswissenschaftler am Institut für Sporternährung e. V., Bad Nauheim, angestellt. Zu seinen Aufgaben zählen die Durchführung wissenschaftlicher Studien sowie die Ernährungsberatung bei Freizeit- und Leistungssportlern sowohl im Erwachsenen- / Profibereich als auch bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Patienten der Sportklinik Bad Nauheim. Seit über zehn Jahren ist Uwe Schröder Lehrbeauftragter für Sporternährung an der Hochschule Fulda, Fachbereich Oecotrophologie.