Nüchtern zu mehr Leistung?

Schwimmtraining (Foto: Tenerife Top Training)
Schwimmtraining (Foto: Tenerife Top Training)

Das Nüchterntraining ist vielen Athleten ein Begriff, und einige praktizieren es regelmäßig oder gelegentlich. Doch was verbirgt sich genau hinter dieser Trainingsphilosophie? Ist es ein Muss in der klassischen Trainingsgestaltung, oder sollte man es doch lieber sein lassen? Um diese Frage genauer beantworten zu können, bedarf es einiger Differenzierungen.

Ernährung und Training stehen immer in Verbindung!

Die Menge und Zusammensetzung der Mahlzeit vor einer Trainingseinheit kann die physiologische Antwort auf Trainingsreize und damit die Trainingsadaptation beeinflussen. So führt beispielsweise die Aufnahme von Kohlenhydraten vor Belastungsbeginn zu einer reduzierten Glukoseproduktion der Leber und einer erhöhten Glukoseaufnahme der Skelettmuskulatur, während zugleich die Fettoxidation in einem Training mit geringer bis mittlerer Intensität verringert wird. Während der Verzehr von Kohlenhydratlieferanten eine Ausdauerbelastung (> 90 Minuten) im Vergleich zu einem Training im nüchternen Zustand wirkungsvoller verlängern und insbesondere im Kohlenhydratstoffwechsel relevante Anpassungen vornehmen kann, können niedrige Kohlenhydratverfügbarkeiten – je nach Ausmaß – Einfluss nehmen auf wichtige Zellsignalwege hinsichtlich der Neubildung von Mitochondrien, eines erhöhten Fettstoffwechsels relevanter Enzymaktivitäten und auf die Fettoxidation.

Metabolische Flexibilität ist hier das Zauberwort und sicherlich die Grundlage für ein erfolgreiches Ausdauertraining. Das, was man vor oder während einer Belastung isst, beeinflusst die Adaptation. Um Trainings- und Leistungsziele bedürfnisgerecht zu unterstützen, beachten Ausdauerathleten zunehmend das Prinzip der Periodisierung, insbesondere, was die Höhe der Kohlenhydratversorgung angeht. Je nach Trainingsziel wird die Verfügbarkeit von Kohlenhydraten herabgesetzt oder erhöht, um entweder adaptative Prozesse im Fett- oder im Kohlenhydratstoffwechsel zu fördern.

Individueller Optimierungsbedarf scheint gegeben

Angesichts der regulativen Bedeutung der Kohlenhydratzufuhr ist es umso erstaunlicher, dass das Ergebnis einer Umfrage mit 1.950 Ausdauerathleten aus 56 verschiedenen Ländern (51,1 % weibliche und 48,9 % männliche Teilnehmer) zum Nachdenken anregt. In dieser gaben einige Athleten an, dass weder Belastungsdauer (36,6 %) noch Trainingsintensität (44,6 %) oder Trainingsinhalte (44,8 %) die Zusammensetzung ihres vorausgehenden Frühstücks beeinflussen. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern war vernachlässigbar. Der Anteil an Athleten, die eine periodisierte (= eine an die Belastung angepasste) Kohlenhydratversorgung befolgten, stieg mit zunehmendem Leistungslevel von 8 % auf 26,5 % an.

Wer praktiziert eigentlich Nüchterntraining? Und aus welchen Beweggründen oder auch nicht?

Die bereits erwähnte Umfrage offenbarte weitere Motivationsgründe, aber auch Ausschlusskriterien für die Durchführung eines Nüchterntrainings. Mit 62,9 % gab die Mehrheit der Befragten an, regelmäßig ein Nüchterntraining durchzuführen. Insbesondere die männlichen, ambitionierten Freizeitsportler und die Athleten mit einer Low-Carb-High-Fat-Ernährung befürworteten das Nüchterntraining. Neben den gewünschten Fettstoffwechseladaptationen (42,9 %) wurden auch das Ausbleiben von Magen-Darm-Beschwerden (35,5 %) sowie auch zeitliche Einschränkungen im Alltag (31,4 %) genannt, die aufgrund der Kürze der Essenszeiten keine ausreichende Verdauungszeiten ermöglichen würden. Laut Studien gibt es aber auch Athleten (47,0 %), die sich bewusst gegen ein Fettstoffwechseltraining entschieden, weil ein Nüchterntraining ihren Trainingszielen nicht entsprach, sich ihre Leistungsfähigkeit sogar verschlechterte (34,7 %) oder ein größeres Hungergefühl während der Belastung aufkam (34,6 %).

Kohlenhydrate und Fette: zwei wichtige Energielieferanten!

Sowohl Kohlenhydrate als auch Fette sind wichtige Energielieferanten, die je nach Belastungsintensität mehr oder weniger verstoffwechselt werden. Kohlenhydrate spielen die bedeutendere Rolle bei moderaten bis hohen Belastungsintensitäten (> 70 % VO2max) und werden zu circa 500 Gramm in Form von Glykogen im Körper gespeichert. Davon entfallen rund 100 Gramm auf das Glykogen in der Leber. Nach 2–3 Stunden entsprechender Belastung verringern sich die Glykogenspeicher deutlich. Der Fettspeicher hingegen befindet sich sowohl im Gewebe als auch innerhalb der Skelettmuskelfasern als kleine Fetttropfen (intramyozellulare Fette), nahe der Mitochondrien gelegen. Aber auch im Plasma befindet sich Fett in Form von Lipoproteinen. Insbesondere während eines Fastenintervalls zwischen zwei Mahlzeiten und/oder während aerober Belastungseinheiten mit geringer bis moderater Belastungsintensität (45–55 % VO2max beziehungsweise sogar 65 % VO2max bei gut Trainierten) wird Fett als Energielieferant bevorzugt herangezogen. Bei einer sehr geringen Belastungsintensität (25 % VO2max) stammt das zur Energielieferung herangezogene Fett hauptsächlich aus dem Plasma. Mit zunehmender Belastungsintensität (beispielsweise 57 % VO2max) wird die Energie jeweils zur Hälfte aus Fetten und aus Kohlenhydraten gewonnen. Die Fette stammen dabei zu rund 52 % aus dem Fettgewebe, während der Rest aus dem Plasma gewonnen wird. Eine weitere Intensitätssteigerung (85 % VO2max) lässt den Anteil der Fettverwertung sinken, was sich insbesondere an einer Verringerung der aus dem Plasma stammenden Fettsäuren auf einen Anteil von circa 10 Prozent erkennen lässt.

Wie definiert man Nüchterntraining?

Neben aeroben Belastungseinheiten – gekennzeichnet durch moderate Belastungsintensitäten bei gleichzeitig hohem Belastungsumfang – ist auch das Fasten eine bekannte Strategie zur Steigerung von Spaltung und Verwertung von Fetten in Fett- und Muskelgewebe. Beide Maßnahmen, also Fasten und aerobes Training, vereint das Nüchterntraining in einem. Unter Nüchterntraining versteht man ein Training ohne Nahrungsaufnahme, welches nach dem morgendlichen Aufstehen und einer mehrstündigen Nahrungskarenz von mindestens 6–8 Stunden durchgeführt wird. Die Anwendungsprotokolle variieren von ein- bis zweimal pro Woche (Kurzzeit-Anwendung) – jeweils frühmorgens nach dem Aufstehen – bis hin zu einem Zeitraum von mehreren Wochen (Langzeit-Anwendung). Bei einer Kurzzeit-Anwendung stehen vielmehr energetische Aspekte im Vordergrund, während bei einer Langzeitanwendung fettstoffwechselrelevante Adaptationen verfolgt werden. Das Ziel der jeweiligen Anwendungen ist die Verbesserung des Fettstoffwechsels. Eine Ausschüttung des Speicherhormons Insulin, welches für die zelluläre Verwertung der Kohlenhydrate benötigt wird, hemmt zugleich die Verstoffwechslung von Fett. Dieser Effekt soll durch das Ausbleiben einer insulinerhöhenden Mahlzeit ausbleiben. Im Gegensatz zu kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln, wie Frühstückscerealien, Fruchtsäften, Obst und Honig, verursacht der Verzehr von Wasser, ungesüßtem Kaffee und Tee keine Insulinausschüttung.

Die Nahrungskarenz liegt aufgrund der nächtlichen Schlafphase bei rund 6–8 Stunden, was zu einer Leberglykogenreduktion von circa 40 % führt. Das muskuläre Glykogen wird allerdings nicht verringert. Auch eine kürzere Essenspause von ungefähr 3–4 Stunden nach einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit verringert die Verstoffwechselung von Fettsäuren im Vergleich zu einem Nüchterntraining mit einer Nahrungskarenz von 6–8 Stunden, weshalb eine Karenzzeit von mindestens 6 Stunden empfohlen wird.

Warum wird Nüchterntraining praktiziert?

Das Ziel des Nüchterntrainings ist es, den Anteil von Fettsäuren an der Energiegewinnung in der Muskulatur während der Belastung zu erhöhen. Auch das auf Glucose angewiesene Gehirn profitiert von einem gut funktionierenden Fettstoffwechsel, da die in Leber und Muskulatur vorhandenen Glykogenspeicher begrenzt sind und für intensivere Belastungsmomente (z. B. Tempoverschärfungen, Endspurts) geschont werden können.

Welche Belastungsintensität ist am besten für mein Fettstoffwechseltraining?

Ausdauerbelastungen sind aufgrund beider Energiesysteme möglich, da verschiedene Belastungsprofile und -intensitäten durchlaufen werden. Um die begrenzten Glykogenspeicher in Muskulatur und Leber für intensive Belastungsmomente zu schonen, sind Trainingsreize für eine verbesserte muskuläre Fettsäureverwertung sicherlich sinnvoll und wichtig. Die höchste Fettverbrennungsrate weisen Trainingseinheiten mit einer VO2max von 45–65 % auf. Allerdings wird jene je nach Geschlecht, Leistungslevel, Ernährung und der jeweiligen VO2max bei unterschiedlicher Belastungsintensität erreicht.

Wie erfolgt die Energiebereitstellung im Fastenmodus?

Im nüchternen Zustand ist Fett die Hauptenergiequelle während moderater Belastungen. Hormone wie die Katecholamine (zum Beispiel Noradrenalin, Dopamin) und Glukagon aktivieren die Fettzellen (Adipocyten) zur Freisetzung und Abgabe von freien Fettsäuren und Glycerin ins Plasma. Deren Konzentration steigt an, was durch eine kohlenhydratinduzierte Insulinausschüttung negativ beeinträchtigt werden würde. Das Verhältnis von Adrenalin zu Insulin scheint bedeutenden Einfluss auf die Aktivität der hormonsensitiven Lipase (HSL) zu haben, ein Enzym, welches neben anderen Enzymen die Freisetzung von Fetten in den Adipocyten reguliert. Ein erhöhter Quotient erhöht die Enzymaktivität, während Kohlenhydratgaben zu einer reduzierten Adrenalin-Konzentration, einem erniedrigten Quotienten und damit zu einer verringerten HSL-Aktivität führen.

Welche Einflussfaktoren und Adaptationen sind bekannt?

Wie bereits erwähnt, spielen beim Fettstoffwechsel sowohl die Belastungsintensität als auch die Belastungsdauer eine entscheidende Rolle. Je nach Belastungsintensität variiert der prozentuale Anteil von Kohlenhydraten und Fetten an der Energiebereitstellung. Die Verwertung von Fett steigt von geringer bis moderater Belastung, verringert sich dann aber wieder mit zunehmender Belastungsintensität und steigender Kohlenhydrat-Verstoffwechselung. Mit zunehmender Belastungsdauer werden auch vermehrt Fette zur Energiegewinnung herangezogen. Aber auch Sportart und Geschlecht üben einen Einfluss auf. Bei gleichem Zeitumfang wird während einer Laufbelastung in der Regel mehr Fett verstoffwechselt als beim Radfahren.

Der weibliche Hormonhaushalt schwankt im Zyklus und beeinflusst die Substratverwertung ebenfalls. Insbesondere Östrogen unterstützt dabei die Aufnahme und Wiedereinlagerung von Glykogen in Leber und Muskulatur. Während der Belastung sorgt es für einen glykogensparenden Effekt, indem es die Verwertung von freien Fettsäuren fördert. In einer sechswöchigen Trainingsphase, bei welcher die Trainingsadaptationen – zum einen im nüchternen Zustand, zum anderen mit Kohlenhydratkonsum – bei weiblichen und männlichen Athleten untersucht wurden, ergab sich eine bessere, kohlenhydratgestützte Adaptation bei den weiblichen Athletinnen im Vergleich zu den männlichen Sportlern, während die männlichen Athleten im Vergleich zu den weiblichen Sportlerinnen die besseren Anpassungen im Nüchterntraining erzielten.

Zu den Anpassungen im Nüchterntraining gehörten beispielsweise die signifikant erhöhten Aktivitäten der beiden mitochondrialen Enzyme Citrat-Synthase und ß-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase, beide bedeutend für den Abbau von Fettsäuren. Auch die belastungsbedingte Reduktion des Blutzuckers zeigte sich im verringerten Umfang. Wurden Kohlenhydrate vor Belastungsbeginn zugeführt, schwächte das den Anstieg der mitochondrialen Enzymaktivitäten ab. Es ist unumstritten, dass insbesondere eine kohlenhydratreiche Ernährung die Fettsäureoxidation verringert. Interessanterweise scheint auch der Muskelfasertyp eine bedeutende Rolle zu spielen. Die im Muskelfasertyp 1 vorkommenden intramyozellularen Fette werden bei submaximaler Belastung verstärkt zur Energiegewinnung herangezogen, während die vom Muskelfasertyp 2a, auch unabhängig von einer Kohlenhydratsupplementierung während der Belastung, davon unberührt bleiben. Eine fettreiche Ernährung kann sich aufgrund verringerter Glykogenspeicher und einer verminderten Aktivierung von Fettsäuren ebenfalls hemmend auf die Fettsäureverwertung auswirken. Das lässt sich am besten durch den Zusammenhang „Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate“ erklären. Die reaktionsträgen Fettsäuren benötigen zur Aktivierung das Kohlenhydrat-Abbauprodukt Coenzym A aus dem Citratzyklus.

Ist ein eiweißhaltiger Snack vor dem Nüchterntraining erlaubt?

Neben schwarzem Kaffee, Tee und Wasser scheint auch die Versorgung mit Eiweiß vor einem Nüchterntraining die Fettoxidation während der Belastung nicht zu beeinträchtigen. In einer Studie mit 17 trainierten Radsportlern und Triathleten (VO2 max 62.2 ± 5.8 ml * kg-1 * min-1, 31.2 ± 12.4 Jahre, 13,6 ± 3,1 h Training/Woche) wurden drei unterschiedliche Frühstücksmaßnahmen und deren Einfluss auf die Fettoxidation untersucht. Das kohlenhydrathaltige Frühstück lieferte 1 Gramm Kohlenhydrate/kg Körpergewicht, das eiweiß- und zugleich fetthaltige Frühstück 0,45 Gramm Eiweiß/kg Körpergewicht und 0,24 Gramm Fett/kg Körpergewicht, während bei der Fastenvariante lediglich 500 Milliliter Wasser zugeführt wurden.

Im Nüchternzustand war der Anteil der Fettoxidation während submaximaler Belastung im Vergleich zum Training nach einem kohlenhydrathaltigen Frühstück höher, allerdings konnte auch mit einem eiweißbetonten Frühstück eine vergleichsweise ähnlich hohe Fettoxidation ermittelt werden. Insbesondere während geringer bis moderater Belastungsintensitäten liefern Nüchterneinheiten oder aber auch eiweißdominierende Mahlzeiten vor Belastungsbeginn höhere Fettoxidationen im Vergleich zu kohlenhydrathaltigen Frühstücksvarianten. Der Unterschied verringert sich allerdings auch wieder mit zunehmender Belastungsintensität.

FAZIT

Ein Nüchterntraining kann sicherlich einen moderaten Trainingsakzent im Bereich des Fettstoffwechseltrainings setzen, allerdings erfolgt die Energiebereitstellung hier nicht über Fette allein, sondern auch über die in der Muskulatur eingelagerten, endogenen Glykogenreserven. Ein regelmäßiges Training mit entsprechend hohen Umfängen und niedriger bis moderater Belastungsintensität ist sicherlich ausschlaggebend für einen gut funktionierenden Fettstoffwechsel und Ausdruck professioneller Trainingssteuerung.

Sehr leistungsorientierte Ausdauerathleten und Profis wenden oftmals Kombinationen verschiedener Trainingseinheiten an, um hinsichtlich der Verstoffwechslung von Kohlenhydraten und Fetten metabolisch flexibel bleiben zu können. Insbesondere leistungsstarke Ausdauerathleten zeichnen sich durch hohe Geschwindigkeiten, Tempoverschärfungen und Endspurtfähigkeiten auf Basis eines gut funktionierenden Kohlenhydratstoffwechsels aus, und dieser würde sicherlich durch eine zu starke Betonung des Fettstoffwechseltrainings darunter leiden. Ob sich durch ein regelmäßiges Nüchterntraining neben kurzfristigen metabolischen Verbesserungen hinsichtlich Insulinsensitivität und der 24-stündigen Fettoxidation in der Nachbelastungsphase auch langfristige Erfolge für Gewichts- und Gesundheitsmanagement von Personen mit kardiometabolischen Erkrankungen erzielen lassen, bleibt wissenschaftlich zu belegen.

Athleten mit Übertrainingssymptomen, Zyklus- oder Essstörungen wird von solchen Trainingseinheiten abgeraten. Hier sollte jeweils die Genesung im Vordergrund stehen. Damit kann abschließend gesagt werden, dass sicherlich nichts gegen ein gelegentliches Nüchterntraining spricht, dass dabei aber immer die Qualität (niedrig – moderate Belastungsintensität), die Dauer (60–90 Minuten), die Häufigkeit (einmal wöchentlich), die regenerationsfördernde Verpflegung nach der Einheit und das persönliche Wohlbefinden Beachtung finden sollten.

Text: Dr. Mareike Großhauser
Foto: Tenerife Top Training