TRAINING IN DER BUILD-PHASE

Ironman 70.3 Mallorca
Ironman 70.3 Mallorca

Die konsequente Vorbereitung auf einen großen Wettkampf dauert ein halbes Jahr. Von besonderer Bedeutung sind dabei oft die letzten zwei bis drei Monate. Meist entscheidet sich in dieser Zeit, ob man die erarbeitete Form im Rennen erfolgreich umsetzen kann oder nicht. Triathloncoach Arne Dyck vom Trainingsportal triathlon-szene.de erläutert in diesem Gastbeitrag, wie Sie die letzten drei Monate in der Build-Phase vor einem wichtigen Rennen trainieren sollten.

Es ist ein bekanntes Phänomen: Manche Sportler sind am richtigen Tag in Topform und wachsen im wichtigsten Rennen des Jahres über sich hinaus. Andere hingegen kommen im Hauptwettkampf kaum an ihre normalen Trainingsleistungen heran und bleiben damit weit unter ihren Möglichkeiten. Der Grund dafür liegt oft in den letzten Phasen des Trainings. Macht man hier alles richtig, stehen die Chancen gut, am Wettkampftag mal richtig einen rauszuhauen. Aber der Reihe nach!

BASE, BUILD, PEAK

Es hat sich bewährt, die Vorbereitung auf ein großes Rennen in verschiedene Trainingsphasen einzuteilen. Aus dem englischen Sprachraum kommen die Bezeichnungen BASE, BUILD und PEAK für die drei wichtigsten Phasen.

Das Training der Base-Phase, dem großen Grundlagenblock mit dem Konzept der Schlüsselelemente Keylimiter und Keysessions, habe ich bereits näher beleuchtet. Der Grundlagenblock endet idealerweise elf Wochen vor dem Hauptwettkampf. An diesem Datum sollten Sie über eine ausreichend gut entwickelte Ausdauer verfügen, um den Wettkampf sicher zu finishen. Wer beispielsweise Anfang Juli seinen Hauptwettkampf hat, sollte bis Mitte oder Ende April so weit sein, dass die Ausdauer bis zum Zielkanal reicht. Erst wenn das der Fall ist, kann man sich in den verbleibenden Wochen um das Tempo kümmern. Oder andersherum: Es macht wenig Sinn, sich mit Tempotraining abzumühen, wenn die Ausdauer noch nicht reicht, um sicher zu finishen. Im Zweifel wird die Base-Phase einfach verlängert.

Individuelle Trainingsplanung: Build-Phase Abbildung 1
Abbildung 1: Die Trainingsphasen BASE, BUILD und PEAK des klassischen Saisonaufbaus

Danach sorgt die achtwöchige Build-Phase dafür, dass Sie die bis dahin erworbene Form optimal im Rennen umsetzen können. Ihr Leitgedanke lautet: Trainiere genau das, was im Wettkampf von Dir verlangt wird! Im Folgenden gehe ich darauf ein, was dieses einfache Konzept konkret bedeutet. Zuvor jedoch ein paar kurze Sätze zur Theorie.

Training wirkt spezifisch!
Dieser Kernsatz der Trainingslehre drückt aus, dass sich der Körper stets genau den exakten Anforderungen des Trainings anpasst. Um auf dem Rad ein starker Kletterer zu werden, muss man auf dem Rad Höhenmeter sammeln. Durch Seilspringen wird man gut im Seilspringen, durch lange Läufe wird man gut bei langen Läufen. Diese simple Erkenntnis machen wir uns jetzt zunutze. Wenn Ihr Hauptrennen aus einem Schwimmen im See mit Neo besteht, gefolgt von drei Stunden hügeligem Radfahren und einem flachen Halbmarathon in der prallen Sonne, dann muss Ihr Training immer wieder genauso aussehen – bis auf die Distanz. Ihr Körper und Ihr Geist werden sich genau daran anpassen. Sie werden ein Experte für das, was am Renntag wirklich zählt!

BUILD-PHASE

Eine möglichst genaue Simulation der Wettkampfanforderungen im Training ist die Grundidee der Build-Phase. Einmal wöchentlich gehört eine solche Rennsimulation auf den Trainingsplan. Damit man sich nicht überfordert, werden jedoch die Distanzen auf ein machbares Maß reduziert. Beispiele gefällig?

Beispiel 1: Challenge Roth
Anforderungen 3,8 km Schwimmen (meist) mit Neo, 178 Kilometer hügeliges Zeitfahren, weitgehend flache Marathonstrecke in der Mittagshitze.

Rennsimulation Challenge Roth: Koppeltraining
Schwimmen3,8 km mit Neo im Freiwasser
Radfahren3,5 Stunden Intervalle: 4x 30 min im Wettkampftempo (Pause 5 min), Rest GA1
Koppellauf90 Minuten Wettkampftempo


Entscheidend ist hierbei, dass die gewählten Geschwindigkeiten möglichst dem späteren Wettkampftempo entsprechen. Die Distanzen hingegen müssen geringer sein, als das später im Wettkampf der Fall ist. Faustregel der Build-Phase: Man konzentriert sich auf nur zwei Geschwindigkeiten. GA1 und das Wettkampftempo. Das ist ein wichtiger Unterschied zur vorangehenden Base-Phase: Dort orientierte sich das Trainingstempo an physiologischen Schwellen im Stoffwechsel des Körpers, etwa an der anaeroben Schwelle. In der Build-Phase orientiert es sich an den konkreten Anforderungen des Rennens, also am Wettkampftempo. Nahrungsaufnahme und Equipment wie im Wettkampf.

Auch der Kopf lernt
Eine Rennsimulation absolvieren starke Langstreckler in der Build-Phase einmal und in der PEAK-Phase zweimal pro Woche, das macht zwölf Rennsimulationen bis zum Rennen. Der Körper lernt dadurch, sich auf die Anforderungen des kommenden Rennens genau einzustellen. Wichtiger Zusatzeffekt: Der Sportler findet heraus, wo genau sein mögliches Wettkampftempo liegt. Er lernt auch, welches Tempo zu hart ist und im Rennen nicht möglich sein wird. Ein solcherart vorbereiteter Athlet oder eine Athletin hat die besten Chancen, das Maximum aus den körperlichen Möglichkeiten herauszuholen.

Ein Wochenplan eines Langstrecklers in der Build-Phase könnte also wie folgt aussehen (nur die Schlüsseleinheiten).

DienstagSamstagSonntag
langer LaufRennsimulationRad lang


Für Langstreckler ist es besonders wichtig, das mögliche Wettkampftempo genau zu kennen. Denn auf der Langdistanz fordert eine überzockte erste Radstunde regelmäßig erst viele Stunden später – vielleicht beim Marathon – ihren Preis. Daher ist es wichtig, bereits im Training exakt herauszufinden, wo leistungsmäßig die rote Linie ist. Erfahrene Langdistanzler sagen vor einem Rennen voraus, welche Radzeit sie fahren werden und liegen selten mehr als ±3 Minuten daneben. Über 180 Kilometer ist das eine beeindruckende Präzision, für die es einen guten Grund gibt.
Für Langstreckler ist es besonders wichtig, das mögliche Wettkampftempo genau zu kennen. Denn auf der Langdistanz fordert eine überzockte erste Radstunde regelmäßig erst viele Stunden später – vielleicht beim Marathon – ihren Preis. Daher ist es wichtig, bereits im Training exakt herauszufinden, wo leistungsmäßig die rote Linie ist. Erfahrene Langdistanzler sagen vor einem Rennen voraus, welche Radzeit sie fahren werden und liegen selten mehr als ±3 Minuten daneben. Über 180 Kilometer ist das eine beeindruckende Präzision, für die es einen guten Grund gibt.

Beispiel 2: Ironman 70.3 Kraichgau
Anforderungen 1,9 km Schwimmen (meist) mit Neo, 90 Kilometer sehr hügelig auf der Zeitfahrmaschine, leicht welliger Halbmarathon auf hitzeanfälliger Asphaltstrecke.

Rennsimulation IM 70.3 Kraichgau: Koppeltraining
Schwimmen2,5 km mit Neo im Freiwasser
Radfahren3 Stunden Intervalle: 6 x 15 min Wettkampftempo, Rest GA1
Koppellauf60 min mit 3–4 x 8 min Wettkampftempo


Die Intervallpausen betragen in der Kraichgau-Rennsimulation fünf Minuten auf dem Rad und zwei Minuten beim Laufen. Von Woche zu Woche werden diese Pausen etwas verkürzt, bis sie verschwinden. Kurz vor dem Rennen fahren Sie also 90 harte Minuten am Stück durch, ohne diese in Intervalle aufzuteilen. Beim Laufen ist es ebenso. Auch hier gilt das Grundprinzip: Das Tempo steht fest (Wettkampftempo), aber die Distanzen und Pausenlängen sind verhandelbar. Von Woche zu Woche sollte diese Rennsimulation dem tatsächlichen Rennen etwas ähnlicher werden. Die verkürzten Distanzen sorgen dafür, dass Sie sich innerhalb von zwei Tagen davon erholen können – sonst war es zu viel des Guten.

Beispiel 3: Hamburg Wasser Sprint Triathlon
Anforderungen: 500 m Schwimmen (meist) mit Neo, 20 km flach mit Zeitfahrmaschine, 5 km Straßenlauf flach.

Rennsimulation Sprint Triathlon: Koppeltraining
Schwimmen4 x 300 m hart anschwimmen mit Neo im See, anschließend im Kraulstil die Stunde voll machen
Radfahren30 min einfahren. Dann 3 x 8 min im Wettkampftempo, also fast Vollgas, Pause je 2 min.
Koppellauf4 x 800 m Wettkampftempo, Pause immer 200 m GA1

Die Intervallpausen werden von Woche zu Woche kürzer, bis sie zuletzt ganz verschwinden.


Die Sprintdistanz ist ein Sonderfall. Denn meistens wird diese nicht als Hauptwettkampf bestritten, auf den man sich viele Monate gezielt vorbereitet. Stattdessen ist sie oft ein Wettkampf in einer ganzen Reihe anderer Rennen einer Saison, die bis zu sechs Wochen dauern kann. Wer sehr ehrgeizig ist, wird dennoch einen dieser Veranstaltungen zum Hauptwettkampf erklären und die Abfolge von BASE, BUILD und PEAK entsprechend ausrichten.

Die PEAK-Phase

Die Peak-Phase ist drei Wochen lang und endet mit dem Hauptwettkampf. In dieser Trainingsphase kitzelt man die Wettkampfform hervor. Oft wird das als „tapern“ bezeichnet. Ich verwende diesen Begriff jedoch nicht gerne, da er häufig im Sinne einer Regenerationsphase missverstanden wird. Die Peak-Phase ist aber mehr als das.

Individuelle Trainingsplanung: Peak-Phase Abbildung 2
Abbildung 2: „Reduce the distance, keep the pace“ – in der PEAK-Phase werden die Umfänge stark reduziert. Das Tempotraining bleibt.

In der Peak-Phase gehen die Trainingsbelastungen über drei Wochen immer weiter zurück. Liegen die gefühlten Trainingsbelastungen in der Build-Phase noch bei 100 Prozent, so geht die gefühlte Belastung in der ersten Peak-Woche auf 70 Prozent, in der zweiten auf 50 Prozent und in der Rennwoche auf 30 Prozent zurück. Das Wesen der Peak-Phase wird einem erst klar, wenn man sich anschaut, wie dieser Rückgang der gefühlten Belastung erreicht wird. Das Tempo der Rennsimulationen bleibt hoch, die Zahl der wöchentlichen Trainingseinheiten bleibt ebenfalls hoch, aber die Länge aller Trainingseinheiten verringert sich drastisch. „Reduce the distance, keep the pace, lautet das Motto: in den Rennsimulationen auf dem Gas bleiben, aber die Länge aller Einheiten verkürzen. Wenn man täglich das Gefühl hat, etwas zu wenig trainiert zu haben, ist man auf Kurs.

Die deutlich zurückgehenden Trainingsumfänge ermöglichen es, in den ersten beiden Peak-Wochen je zwei wöchentliche Rennsimulationen zu trainieren. Die Distanzen werden kürzer, die Intervallpausen verschwinden. Im Beispiel der Rennsimulation „Langdistanz“ sieht das dann so aus:

Rennsimulation Challenge Roth: Koppeltraining
Schwimmen3,0 km mit Neo im Freiwasser
Radfahren2,5 Stunden. 60–90 min am Stück im Wettkampftempo, Rest GA1.
Koppellauf60 Minuten Wettkampftempo


Zwischenfazit
Der Kern der Build-Phase ist die wöchentliche Rennsimulation. Die Qualität Ihrer Wettkampfvorbereitung steht und fällt mit der Qualität dieser Trainingseinheiten. Das Tempo in dieser Trainingsphase ist entweder GA1 oder Renntempo. Auch die Streckenprofile, die Bekleidung oder das Sportgetränk sollten möglichst genau so sein wie am Wettkampftag. In der Peak-Phase gehen die Umfänge deutlich zurück, aber das Tempo bleibt. Die Zahl der Rennsimulationen erhöht sich auf zwei pro Woche, jedoch in verkürzter Form.

Der mentale Aspekt

Vor großen Wettkämpfen sind Athleten stets sehr nervös. Das ist normal. Wer viel investiert hat, verspürt für sich selbst auch einen gewissen Druck. Die Rennsimulationen der letzten elf Wochen vor einem Hauptwettkampf nehmen viel von dieser Anspannung. Wenn Sie das große Rennen ein dutzend Mal im Training simuliert haben, wissen Sie genau, was im Wettkampf auf Sie zukommt und wie Sie die Aufgabe bewältigen. Sie wissen, welches Tempo sie anschlagen können und welches nicht, wie viele Gels Sie stündlich bei Wettkampftempo vertragen und ob der Einteiler beim Laufen irgendwo reibt. All das ist gründlich erprobt. Am Wettkampftag werden Sie über zwei Drittel der Strecke einfach nur das Eingeübte abspulen. Das spart mentale Energien für den letzten Abschnitt des Rennens, wo es darauf ankommt.

Und wo liegt Ihr Wettkampftempo?

In der Build- und Peak-Phase wird immer wieder im späteren Wettkampftempo trainiert. Doch wo liegt es? Grundsätzlich beginnt man mit einer ungefähren Schätzung des Wettkampftempos. Anschließend probiert man es in einer ersten Rennsimulation aus. Nach der Simulation bewertet man nach Gefühl, ob das Tempo zu hoch oder zu niedrig war. In die nächste Simulation geht man dann mit entsprechend angepasstem Tempo und bewertet danach erneut. In den zehn Wochen der Build-Phase entwickelt man so eine präzise und realistische Vorstellung vom Wettkampftempo.

Langstreckler mit Powermeter können sich für eine Abschätzung der möglichen Leistung auf dem Radsplit an ihrer maximalen Stundenleistung (FTP) orientieren. Die folgende Tabelle gibt an, wie hoch die Leistung auf dem Rad sein darf, ohne zu überzocken.

Beispiel: Wer für den Radsplit 5:30 Stunden benötigt, darf 71–73 Prozent seiner FTP leisten. Liegt die FTP bei 250 Watt, ergibt sich ein Leistungskorridor von 178–182 Watt. Ausblick: Der Hawaiisieg geht regelmäßig mit 79 Prozent der maximalen Stundenleistung weg.

Bikesplit„sicher“„riskant“„überzockt“
6:00 Stunden68 %70 %72 %
5:50 Stunden69 %71 %73 %
5:40 Stunden70 %72 %74 %
5:30 Stunden71 %73 %75 %
5:20 Stunden72 %74 %76 %
5:10 Stunden73 %75 %77 %
5:00 Stunden74 %76 %78 %
4:50 Stunden75 %77 %79 %

Text: Arne Dyck
Foto: Klaus Arendt

ANMERKUNG: Dieser Artikel erschien in der Frühlingsausgabe der tritime 2-2021