INDIVIDUELLE TRAININGSPLANUNG

Individuelle Trainingplanung (Foto: Isaak Papadopoulos)
Individuelle Trainingplanung (Foto: Isaak Papadopoulos)

Auch der „beste“ Trainingsplan der Welt ist nur so gut, wie er auf Ihre individuellen Stärken und Schwächen zugeschnitten ist. Im Gastbeitrag gibt Arne Dyck, Inhaber und Headcoach des TV- und Coaching-Portals triathlon-szene.de, einen Überblick darüber, welche Kernelemente eine individuelle Trainingsplanung enthalten sollte, der zu Ihnen und Ihren Wettkampfzielen passt.

Damit Sie am Tag Ihres Saisonhöhepunktes in Topform an der Startlinie stehen, gehen Sie in drei Schritten vor:

  1. Erkennen Sie Ihre individuellen Stärken und Schwächen im Hinblick auf Ihr wichtigstes Rennen
  2. Leiten Sie daraus die Trainingseinheiten ab, die Ihnen persönlich am meisten bringen
  3. Legen Sie den Saisonverlauf fest

Das Ergebnis ist ein individuell zugeschnittener Trainingsplan, der am richtigen Tag zur Topform führt.

Individuelle Trainingsplanung: Das Konzept der Keysessions

Ich steige gleich mit dem wichtigsten Element Ihres individuellen Trainingsplans ein: den Keysessions. Diese sind die entscheidenden Einheiten Ihres Plans und richten sich nach Ihren Keylimitern, Ihren sportlichen Schwächen für ein konkretes Rennen. Keysessions verlangen von Ihnen das, was Sie im Training wirklich nach vorne bringt. Hier investieren Sie Ihre Körner. Alle anderen Trainingseinheiten sind Nebensache.

Keylimiter
Die nachfolgenden Beispiele zeigen sehr deutlich auf, wie rennentscheidend individuelle Schwächen sind.

Beispiel 1
Karl Kurbel hat einen Startplatz für den Challenge Roth ergattert. Als Radfahrer ist er ein Bergfloh: stark am Berg, aber ein schlechter Zeitfahrer in der Ebene. Karls Schwäche beim Zeitfahren gehört – mit Blick auf Roth und seine Drückerstrecke auf dem Zeitfahrrad – zu seinen individuellen Keylimitern. Würde er stattdessen bei einem bergigen Rennen wie dem Triathlon hinauf nach Alpe d’Huez starten, wäre seine Zeitfahrschwäche kein Keylimiter.
Karl Kurbel hat einen Startplatz für den Challenge Roth ergattert. Als Radfahrer ist er ein Bergfloh: stark am Berg, aber ein schlechter Zeitfahrer in der Ebene. Karls Schwäche beim Zeitfahren gehört – mit Blick auf Roth und seine Drückerstrecke auf dem Zeitfahrrad – zu seinen individuellen Keylimitern. Würde er stattdessen bei einem bergigen Rennen wie dem Triathlon hinauf nach Alpe d’Huez starten, wäre seine Zeitfahrschwäche kein Keylimiter.

Beispiel 2
Kathrin Krabbel kommt aus dem Laufsport und gehört dort zu den Besten ihrer Altersklasse. Beim Ironman Frankfurt ist sie in ihrer Paradedisziplin stark eingebrochen und erreichte gehend enttäuscht die Finishline. Um sich zu verbessern, muss Kathrin ihre Keylimiter erkennen. Zwar ist sie auf der Laufstrecke eingebrochen, doch die Ursachen dafür haben nichts mit dem Laufen zu tun. Es nützt ihr daher wenig, das Lauftraining zu steigern. Ihre tatsächlichen Schwächen sind die Ausdauer auf dem Rad und die unzureichende Wettkampfernährung.

Beispiel 3
Ralf Raser will nach Hawaii. Bei seinem letzten Quali-Versuch war er hervorragend in Form, doch ab Radkilometer 120 wurde er langsamer. Um sich zu verbessern, will er im kommenden Jahr die lange Radeinheit von fünf auf sechs Stunden verlängern. Ralf Raser ist ein typisches Beispiel für alle schnellen Triathleten auf der Mittel- und vor allem Langdistanz. Er wird nur dann besser, wenn er den Keylimiter, der ihm den Einbruch auf dem Rad beschert hat, präzise erkennt. Mehrere Ursachen kommen infrage: Fehlte es ihm an Ausdauer? Dann wird er durch eine Erhöhung der Umfänge wahrscheinlich besser. Es könnte aber auch sein, dass ein Mangel an Ausdauer gar nicht vorliegt. Vielleicht fehlt ihm eher die Gewöhnung an das hohe Tempo (Kraftausdauer). Oder er nimmt im Rennen zu wenig Kohlenhydrate zu sich. Eventuell teilt er sich das Rennen zu stürmisch ein (Pacing). Besser wird er dann, wenn er den oder die entscheidenden Keylimiter erkennt. Andernfalls verschwendet er seine Zeit. Hier zeigen sich die Stärken eines individuell auf den Athleten und das Rennen abgestimmten Trainingsplans. Je genauer die Schwächen erkannt werden, desto wirksamer sind auch die daraus resultierenden Trainingseinheiten und umso schneller wird auch künftig der Athlet.

Bleiben wir kurz bei Ralf Raser und formulieren ein allgemeingültiges Rezept: Statt einfach pauschal eine Radschwäche festzustellen, ist es wichtig, zu wissen, worin genau diese Radschwäche besteht. Das ist der entscheidende Schritt für einen wirksamen, individuellen Trainingsplan. Tabelle 1 soll helfen, diese Keylimiter zu identifizieren. Welche Kästchen treffen auf Sie zu?

 … ergibt sich durch die Keylimiter:
RadschwächeAusdauerTempoKraftausdauerPacingErnährung
LaufschwächeAusdauerTempoKörpergewichtPacingErnährung
SchwimmschwächeAusdauerKraftTechnik  
Tabelle 1: typische Keylimiter im Triathlon. Sie zeigen mögliche Ursachen für eine Schwimm-, Rad- oder Laufschwäche.


Neben den aufgezeigten Schwächen gibt es aber noch weitaus mehr: Für ältere Sportler ist beispielsweise die Verletzungsanfälligkeit beim Lauftraining ein bedeutender Limiter.

Keysessions
Sind die Keylimiter als entscheidende, individuelle sportliche Schwächen erkannt, hat man das Wichtigste bereits erreicht. Stellen Sie sich vor, Sie wären Schatzsucher und plötzlich piepste der Metalldetektor. Das Ziel ist in der Nähe, jetzt müssen Sie nur noch graben. Tabelle 2 beinhaltet die aus den Keylimitern resultierenden Trainingsmaßnahmen der Keysessions.

KEYLIMITERTRAININGSMASSNAHME
AusdauerWochenumfänge und Dauer der längsten Einheit erhöhen
KraftausdauerZeitfahrtraining. Langstreckler 4 x 30 min unteres GA2. Alle anderen 3–6 x 8 Minuten im geplanten Wettkampftempo.
KraftKniebeugen oder Kreuzheben mit der Langhantel
TempoIntervalle von 4–8 Minuten Dauer an der anaeroben Schwelle
PacingRennsimulationen (Wettkampftempo testen)
WettkampfernährungRennsimulationen
Tabelle 2: typische Keylimiter und wie man sie ausmerzt


Keysessions: wenn, dann richtig
Eine Keysession hat immer zum Ziel, eine rennentscheidende sportliche Schwäche im Hinblick auf ein konkretes Rennen zu verbessern. Keysessions sind deshalb die entscheidenden Trainingseinheiten in Deinem Trainingsplan.

Beispiel 4
Bernhard Bein will seine Ausdauer im Laufen verbessern. Die Keysession dafür ist der wöchentliche lange Lauf im Grundlagentempo. Nach dem Motto „wenn, dann richtig“ ist dieser Lauf deutlich länger als alle anderen Läufe seiner Trainingswoche. Das bewirkt, dass die gewünschte Verbesserung der Ausdauer auch tatsächlich eintritt.

Keysessions sind anspruchsvoll und belastend. Das hat zwei Konsequenzen für Ihren Trainingsplan: Erstens müssen Sie immer frisch in eine solche Trainingseinheit gehen. Am Tag vor einer Keysession wird nur locker trainiert. Zweitens sind Sie am Tag danach erst mal platt. Es folgt also ein Entlastungstag. Der Regenerationsbedarf beträgt etwa anderthalb bis zwei Tage.

Keysessions im Trainingsplan platzieren Da Keysessions am Tag vorher und anderthalb Tage nachher nur lockeres Training zulassen, wird es bei drei Keysessions pro Woche bereits eng im Trainingsplan. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für eine sinnvolle Platzierung in einer typischen Woche eines Langstrecklers.

Individuelle Trainingsplanung Abbildung 1
Platzierung der wichtigsten Schlüsseleinheiten im Wochenplan

Zusammen mit dem Regenerationsbedarf dieser Keysessions (gelbe Linien) bleibt nicht mehr viel Platz für andere Trainingseinheiten übrig. Häufig fasst man daher die beiden Radeinheiten zu einem Radblock zusammen.

Individuelle Trainingsplanung Abbildung 2
Falls aus organisatorischen Gründen Blöcke gebildet werden müssen, kommt die intensivere Einheit vor der langsameren. Gezeigt ist ein Radblock am Wochenende.

Wie man leicht erkennt, ist der Donnerstag gut geeignet für eine weitere fordernde Einheit. Langstreckler platzieren hier gerne den zweitlängsten Lauf der Woche, Kurz- und Mittelstreckler einen Tempolauf. Schwimmeinheiten sind ideal nach anstrengenden Lauftagen, da sie sich positiv auf die Regeneration der Laufbeine auswirken. Komplettiert wird diese beispielhafte Trainingswoche durch leichtere Trainingseinheiten mit kürzerem Regenerationsbedarf. Die fertige Trainingswoche könnte dann so aussehen:

Individuelle Trainingsplanung Abbildung 3
Be- und Entlastungstage sind sinnvoll gewählt.

Diese Musterwoche dient lediglich als Beispiel. Bei den fiktiv angenommenen Schwächen handelt es sich um typische Baustellen für Langstreckler: Ausdauer beim Laufen und Radfahren, Kraftausdauer auf dem Rad und Schwimmtechnik. Ihr Coach wird dann Ihre individuellen Keylimiter verwenden und unter Berücksichtigung Ihrer beruflichen und familiären Verpflichtungen oder festen Schwimmterminen Ihre Keysessions planen.

Periodisierung: am richtigen Tag in Topform

Damit Sie am richtigen Tag in Topform an der Startlinie Ihres Hauptwettkampfes stehen, wird Ihr Training in mehrere Vorbereitungsphasen eingeteilt. Das am besten erforschte und erfolgreichste Konzept folgt dem Muster Base, Build, Peak. Übersetzen könnte man es auch mit Grundlage, Formaufbau und Feinschliff. Je nach Phase bilden andere Trainingseinheiten den Schwerpunkt Ihres Trainings.

SAISONPHASEbedeuetbeginntenthält
BaseGrundlage9–6 Monate vor dem Hauptwettkampf, endet elf Wochen vor dem SaisonhöhepunktGrundlagentraining für Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Technik
BuildFormaufbau11 Wochen vor dem HauptwettkampfKeysessions sind Rennsimulationen
PeakFeinschliff3 Wochen vor dem HauptwettkampfRennsimulationen und Tapering
Die Saisonphasen Base, Build und Peak im Vergleich


Der Kern der Periodisierung ist die Build-Phase. In dieser Zeit liegt der Schwerpunkt Ihres Trainings auf den Keysessions, die wettkampfähnlich sind und Rennen simulieren. In diesem achtwöchigen Block holen Sie sich Ihre Wettkampfform. Sie beginnt elf Wochen vor Ihrem Hauptwettkampf. Die Base-Phase bereitet Sie auf die anspruchsvolle Build-Phase vor. Sie dauert drei bis sechs Monate. Es ist der große Grundlagenblock des Winters und Frühjahrs. Hier wird vor allem Ihre Ausdauer trainiert, ergänzt um schnelle Einheiten, die vorbereitenden Charakter für die Belastungen der Build-Phase haben. Die abschließende Peak-Phase besteht aus der Rennwoche und den beiden Wochen davor. Das Tempo der Keysessions nimmt weiter zu, die Wochenumfänge gehen jedoch stark zurück, damit Sie ausgeruht am Start stehen.

Individuelle Trainingsplanung Abbildung 4
11 Wochen vor dem Hauptwettkampf endet das Grundlagentraining und beginnt die gezielte Vorbereitung mit Rennsimulationen.

Das Training in der BASE-Phase

In der vor Ihnen liegenden Ausgabe der tritime gehe ich auf die unmittelbar bevorstehenden Trainingseinheiten der Base-Phase näher ein. Um den richtigen Trainingseinstieg zu bestimmen, rechnen Sie vom Datum Ihres Hauptwettkampfes 23 Wochen zurück. Hier beginnt die Base-Phase. Diese endet elf Wochen vor Ihrem Saisonhöhepunkt. Markieren Sie sich Letzteres deutlich in Ihrem Kalender, denn das ist ein wichtiger Tag im Rahmen ihres Formaufbaus.

Das Trainingsziel Nummer 1 ist es, zunächst ausreichend Ausdauer aufzubauen, damit Sie in der Lage sind, die Finishline zu erreichen. Erst wenn das gegeben ist, macht es Sinn, über ein ernsthaftes Tempotraining nachzudenken. Für Langstreckler im mittleren und hinteren Feld bedeutet dies, dass sie fast ihr gesamtes Training der Entwicklung der Ausdauer widmen sollten. Für schnelle Langstreckler sowie Mittel- und Kurzstreckler ist die Aufgabe komplexer. Denn hier muss sowohl an der Ausdauer als auch an den Tempofähigkeiten gearbeitet werden.

Nachfolgendes Beispiel verdeutlicht die Unterschiede zwischen Base- und Build-Phase anhand der Keysessions eines fiktiven Langstrecklers:

 Base-PhaseBuild-Phase
SchwimmenIntervalle im BeckenSchwimmen im See mit Neo
Radfahren5 Stunden GA1 1,5 Stunden mit 5 x 5 min Intervalle an der anaeroben Schwelle3,5 Stunden mit 4 x 30 min Wettkampftempo, anschließend Koppellauf
Laufen2 Stunden GA1 1 Stunde mit 4 x 4min an der anaeroben Schwelle1,5 Stunden Koppellauf mit Endbeschleunigung


In der Base-Phase werden die athletischen Fähigkeiten separat trainiert (Ausdauer, Tempo, Kraft und Technik), während sie in der Build-Phase in ein und derselben Einheit trainiert werden. In der Build-Phase verschiebt sich der Schwerpunkt auf Rennsimulationen, zum Beispiel Koppeltrainings im Wettkampftempo.

Beispiel 5
Dieter Diesel ist Langstreckler. Seine wichtigsten Radeinheiten in der Base-Phase sind mittwochs Intervalle an der anaeroben Schwelle und samstags eine lange Radausfahrt im GA1. In der Build-Phase ist seine wichtigste Radeinheit eine 3,5-stündige Radtour in Aeroposition mit 4 x 30 min Wettkampftempo. Direkt danach erfolgt ein Koppellauf von 1,5 Stunden Dauer.

Beispiel 6
Heike Heftig trainiert für die Kurzdistanz. Ihre wichtigste Laufeinheiten sind in der Base-Phase ein 90-minütiger GA1-Lauf und eine Bahneinheit mit 6 x 1.000 Metern. In der Build-Phase wird daraus ein Tempodauerlauf im Wettkampftempo.

Beide Beispiele verdeutlichen, dass man in der Base-Phase entweder richtig schnell oder ziemlich langsam trainiert, also Ausdauer im GA1-Bereich oder Tempo an der anaeroben Schwelle. In der Build-Phase liegt der Schwerpunkt auf dem Wettkampftempo. Um diese Rennsimulationen geht es in der nächsten Ausgabe.

Zusammenfassung

Das Konzept der Keylimiter findet Ihre individuell effektivsten Trainingsziele, die Sie mit fordernden Keysessions erreichen. Durch die Periodisierung der Trainingssaison kommen Sie mit Blick auf Ihren Saisonhöhepunkt am richtigen Tag in Topform.

Text: Arne Dyck
Foto: Isaak Papadopoulos | weitsprung.de

ANMERKUNG: Dieser Artikel erschien in der Winterausgabe der tritime 1-2021