Mit Mobility Training zu einem noch besseren Triathleten werden. In den nächsten Wochen begleiten wir dieses Projekt von Profi-Triathlet Fabian Rahn und Mobility Trainerin Antje Laschewski auf sämtlichen Kanälen der tritime. Ziel ist es, aufzuzeigen, das Mobility Training im Triathlontraining tatsächlich sehr viel bringt.
Potenzial im Triathlon verschenken
Im Juli 2020 trafen sich Fabian Rahn und Antje Laschewski beim Schwimmcamp am Fuschlsee. Fabian ist Profi-Triathlet, Antje ist im „richtigen“ leben Wirtschaftsjournalistin mit VWL-Diplom. Ihre Freizeit widmet sie ganz dem Sport. Als begeisterte Hobbytriathletin ist sie zudem als tritime women-Botschafterin unterwegs und hat für die tritime schon einige Artikel verfasst. Nach einem schweren Unfall mit drei Brüchen in der Wirbelsäule hat sie sich mit viel Eigeninitiative wieder fit gemacht. Alle Erfahrungen und das Wissen, das sie sich in dieser Zeit angeeignet hat, will sie unbedingt auch an andere Sportler weitergeben. Deshalb abolvierte sie u.a. die Ausbildung zum Fitnesstrainer-B-Lizenz, zum medizinischen Trainer und zum functional Trainer. Während Fabian beim Camp am Fuschelsee überwiegend an seiner Schwimmperformance zusammen mit seinem Trainer Marco Henrichs arbeitete, trainierte Antje die am Camp teilnehmenden Athleten am Beckenrand. Im Fokus standen aktivierende Aufwärmprogramme vor den Schwimmeinheiten. Darüber hinaus legte Antje Schwerpunkte auf Ganzkörper-Mobilitätsübungen.
Zwar verstanden sich Antje und Fabian von Anfang an sehr gut, doch zunächst war Fabian bezüglich des Trainingsprogramms von Antje skeptisch und schenkte deshalb diesem „Herumhampeln“ vor dem Training keine große Aufmerksamkeit.
Steif wie ein Brett
Fabian: Ich zog die ersten beiden Tage mein Training wie gewohnt durch. Wie gewohnt bedeutete, dass ich mich quasi nie vor dem (Schwimm)Training aufwärmte und auch sonst nur sporadisch irgendwelche Dehnübungen ausführte, obwohl ich weiß, dass ich in diesem Bereich große Defizite habe. Aber wie es so oft ist, wenn man keine Ahnung hat: Genau, man versucht erst gar nicht, etwas zu ändern. Am dritten Tag meinte Antje zu mir: „Warum nimmst du nie am Mobility teil?“ Eine richtige Antwort wusste ich nicht darauf, aber ich nahm fortan einfach teil. Das Mobilitiy-Programm vor dem Schwimmtraining nahm in etwa zehn Minuten in Anspruch und bereits nach fünf Minuten fühlte ich mich platt und angestrengt. Auch ein Seitenhieb von Antje blieb nicht aus: „Mensch Fabi, da ist aber noch viel Potenzial. Du bist ja steif wie ein Brett.“ Recht hatte sie und daher war das Aufwärmprogramm für mich bereits anstrengend und ich fühlte mich danach, als hätte ich Krafttraining gemacht. Ihr ahnt es wahrscheinlich bereits, dass das definitiv so nicht sein soll.
In den Stunden und Tagen danach sprachen Antje und ich viel über mein Training und mein Beweglichkeits- bzw. Krafttraining. Beweglichkeits- und Krafttraining sind definitiv essenziell für Triathleten, werden aber wahrscheinlich von einem Prozentsatz jenseits der 90 vernachlässigt. Für die meisten Triathlet/-innen zählen nur die absolvierten Strecken, was bei mir bis dahin mehr oder weniger auch so war. Antje machte mir sowohl praktisch als auch theoretisch klar, dass ich sehr viel Potenzial verschenke und dies wollte ich unbedingt ändern. Schnell war dann die Idee geboren, durch ein gezieltes Mobility Training aus mir einen besseren Athleten zu machen.
Typisches Phänomen bei Triathleten: Bewegungs- und Kraftdefizite
Fabians einleitende Geschichte lässt sich sehr gut als Blaupause für viele Altersklasse-Athleten nehmen, so die Meinung von Antje. Im Fokus steht erst mal ballern im Training und für alles andere ist dann oft die Zeit zu knapp. Viele Triathlet/-innen haben deshalb Bewegungs- und Kraftdefizite. So passen sich zum Beispiel im Oberkörper alle Strukturen rund um die Hals- und Brustwirbelsäule sowie Schulter – zum Beispiel bedingt durch die dauernde sportspezifische Beugehaltung auf dem Rad an. Die Wirbelsäule und die Schultern verlieren dadurch beispielsweise an Rotationsfähigkeit, die Brustmuskulatur verkürzt und an den hinteren Schultern und den Rhomboiden verkümmert die Muskulatur, da sie kaum gefördert wird. Das rächt sich in Bezug auf dieses Beispiel insbesondere beim Schwimmen mit Auswirkungen auf Effizienz, Leistungs- aber auch Verletzungsanfälligkeit.
Die tritime begleitet Antje und Fabian auf dem Weg hin zum „besseren Athleten“. Euch erwartet ein spannendes Projekt mit Theorie, Praxis und vielen Erfahrungswerten auf allen Kanälen der tritime.
**********************************************************************************
Was ist Mobility Training?
Mit Mobility Training kann man typische Bewegungseinschränkungen, die im ersten Teil der Serie erwähnt wurden, begegnen, denn übergreifend geht es bei dieser Trainingsmethode darum, ganzheitlich Verspannungen – auch bedingt durch fehlenden Bewegungsumfang – zu lösen und damit auch die Körperhaltung zu optimieren.
Wie ist Beweglichkeit überhaupt definiert?
Beurteilt wird Beweglichkeit meistens anhand des maximal möglichen Bewegungsausmaßes eines Gelenksystems. Aus anatomisch-physiologischer Sicht bestimmen die zwei Parameter Gelenkigkeit und Dehnfähigkeit die Beweglichkeit. Die Gelenkigkeit ergibt sich aus der Form der am Gelenkaufbau beteiligten Knochen. Die Dehnfähigkeit hingegen bezieht sich auf die gelenkumgebenden Strukturen wie Sehnen, Bänder, Gelenkkapseln und auf die Muskulatur mit ihren bindegewebigen Anteilen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Nervensystem immer als erste Instanz die Beweglichkeit bestimmt: Jeder Mensch hat über die individuelle Steuerung sein eigenes Beweglichkeitsmuster. Nicht zu vergessen: Auch die Genetik, der Trainingszustand, Verletzungen, Tageszeit und Temperatur und weitere Faktoren beeinflussen die Beweglichkeit.
Da die Gelenkigkeit nur minimal beeinflussbar ist, wird beim Mobility Training also vor allem an der Dehnfähigkeit und einer „physiologisch besseren“ Körperhaltung gearbeitet mit den primären Zielen, muskuläre und fasziale bzw. bindegewebige Verspannungen zu lösen. Dadurch werden die neuromuskuläre Koordination und das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Muskeln optimiert. So gelingt es Bewegungen reibungsloser auszuführen.
Der Benefit ist: Für die gleiche Bewegung wird weniger Energie benötigt, die für mehr Leistung eingesetzt werden kann. Angestrebt wird ferner, dass im vollständigen ROM (Range of Motion) trainiert werden kann. Das bedeutet, dass der Muskel über seine gesamte Kontraktionsstrecke belastet wird oder dass das jeweilige Gelenk über die volle aktive Gelenkbeweglichkeit arbeitet.
Erwiesenermaßen fördert das den Kraftzuwachs, sorgt für Stabilität und schont damit zudem Gelenke, Sehnen und Bänder. Darüber hinaus können Verletzungen, die oft durch nicht optimale Gelenkstellungen oder Dysbalancen bedingt sind, verhindert werden.
Werkzeugkasten Mobility Training reich bestückt
Ein einheitliches Rezept für die (Wieder)Erlangung von Beweglichkeit gibt es nicht. Die meisten Trainer kombinieren beim Mobility Training verschiedenste Techniken, die die spezifischen Systeme punktuell, flächig oder in Gruppen/Ketten ansprechen. Zum Werkzeugkasten, mit dem Antje arbeitet gehören: dynamisches und statisches Dehnen, diverse Mobilisationsmethoden wie etwa Anspannen und Entspannen oder das Ansprechen von Triggerpunkten mit Druck sowie vor allem ganzheitliche Bewegungen in funktionellen Ketten. Auch kräftigende und stabilisierende Elemente spielen eine Rolle. Nicht zu vergessen: Die Atmung! Doch dazu in einem weiteren Artikel mehr.
Vorschau: Bestandsaufnahme mit Profitriathlet Fabian Rahn – wo sind seine Defizite?
**********************************************************************************
Bestandsaufnahme, um die Defizite von Fabian zu entlarven
Ganz wichtig ist Antje eine individuelle und systematische Herangehensweise. Deshalb hat sie mit Fabian vor der Erstellung eines ersten Trainingsplans eine Bestandsaufnahme gemacht. An erster Stelle stand dabei ein mündlicher Austausch, um aktuelle und Verletzungen aus der Vergangenheit, aber auch Probleme beim Ausführen der drei Sportarten Schwimmen, Laufen und Radfahren zu besprechen. Zudem wurden Ziele festgelegt, die durch den neuen Trainingsreiz erreicht werden sollen.
Fabian: Was mich bereits seit etwa vier Jahren begleitet sind Probleme im Fußbereich sowie in meinem kompletten rechten Bein. Je nach Trainingsintensität sind es Verspannungen, Taubheitsgefühle sowie das Gefühl als würde mir beim Laufen das rechte Bein weg gehen, wenn ich aufkomme. Ich habe das Gefühlt, dass das vom hinteren Oberschenkelbereich kommt. Hinzu gesellen sich immer wieder Probleme im Hüftbereich, speziell in der Zeitfahrposition, obwohl ich bewusst keine extreme Position einnehme. Große Verletzungen blieben bisher zwar aus, aber ich fühle mich seit Jahren immer mal wieder etwas „gefangen“ in meinem Körper, wenn die Belastungen stärker werden. Vieles fühlt sich überhaupt nicht geschmeidig an, sondern mehr nach stetigem Kampf. Dies ist leider auch das Gefühl, das ich beim Schwimmen eigentlich ständig habe. Seit Jahren kämpfe ich hier nicht nur gegen den Wasserwiderstand, sondern auch gegen körperliche Widerstände an. Außerdem fällt es mir schwer im Wasser auszuatmen, da ich gefühlt immer in eine Art Pressatmung verfalle und mir nach wenigen Metern bereits die Luft fehlt. All diese Dinge schrien förmlich nach Veränderungen.
Was wir bereits im Gespräch schnell als eine mögliche Ursache für eines meiner Probleme identifizieren konnten, war mein Schlüsselbeinbruch auf der linken Seite. Genau auf dieser Seite habe ich insbesondere im Wasser Probleme.
Dann ging es in die Praxis der Bestandsaufnahme. Hier musste Fabian verschiedene Übungen ausführen. Diese Schnelltests können durch Beobachtung der Bewegungsausführung offenlegen, ob und wo z.B. Rotationseinschränkungen und Begrenzungen von Beugung oder Streckung vorliegen. Darauf aufbauend lässt sich dann ableiten, welche Gelenke/Muskeln o.a. Strukturen mobilisiert werden sollten. Auszüge aus dieser „Ursachenforschung“ stellen wir nun vor.
Schnelltest 1 – Kniebeuge:
Auf der Screening Agenda stand die tiefe Kniebeuge. Selbstverständlich kann man nicht erwarten, dass die Königsdisziplin aller Kraftübungen in ihrer hohen Komplexität von einem Triathleten immer direkt perfekt ausgeführt werden kann. Darum geht es explizit nicht. Vielmehr sollen mit Hilfe der Analyse der Endstellung Defizite offengelegt werden.
Auf den Bildern erkennt ihr, dass Fabians Rücken im Erstversuch rund ist und die Arme weit nach vorne gestreckt sind, um nicht umzukippen. Außerdem sind die Schultern stark innenrotiert und die Füße stehen nicht mit der ganzen Sohle auf dem Boden.
Aussehen müsste die Endstellung der tiefen Kniebeuge aber so.
Hier sind Füße, Wirbelsäule, Kopf und Schultern in einer neutralen Position, die Schienbeine sind gerade und die Hüfte befindet sich unter der Kniekehle.
Zwar könnte die eingeschränkte Hüftbeweglichkeit an genetischen Anlagen liegen, etwa nicht vollständig passenden Formen der Gelenkpfanne und des Hüftkopfes. In über 98 Prozent der Fälle ist das bei Sportler aber nicht die Ursache, sondern Verspannungen. So auch bei Fabian. Wie bei den meisten TriathletInnen dürfte durch die stete Beugepositionen auf dem Rad oder durch das Laufen der verantwortliche Muskel Hüftbeuger verkürzt sein. Bestätigt wurde Antjes Vermutung auch durch das bei Fabian zu beobachtende „Herabfallen“ der Brust. Das wiederum könnte zusätzlich aber auch mit einer mangelnden Streckung der Brustwirbelsäule zusammenhängen. Dazu mehr im zweiten Schnelltest.
Als weiterer limitierender Faktor könnte bei Fabian eine eingeschränkte Beweglichkeit der Sprunggelenke inklusive umliegender Strukturen eine Rolle spielen. Um das zu verifizieren, sollte Fabian die tiefe Kniebeuge noch mal mit angehobenen Fersen machen.
Und siehe da, die Haltung sah gleich etwas besser aus. Dies zeigt im Umkehrschluss, dass die Fußgelenksmobilität bei Fabian auf jeden Fall ein Thema ist.
Schnelltest 2 – Wallsit mit Armen über Kopf
In einem weiteren Test gingen wir dem Thema Schultermobilität mit dem Wallsit auf den Grund. Bei dieser Übung wird übrigens einmal mehr direkt ersichtlich, dass Mobilität kein isoliertes Themas ist, sondern angesichts der funktionellen Ketten immer auch ein Ganzköperthema. So kompensiert nämlich bei vielen Menschen bereits die Lendenwirbelsäule die fehlende Beweglichkeit in Brustwirbelsäule, Schulterblatt und Schultergelenk.
Für den Wallsit musste sich Fabian an die Wand setzen und dabei die Knie im 90-Grad-Winkel halten. Des Weiteren galt es den gesamten Rücken fest an die Wand zu drücken mit der Vorgabe, denn in der Lendenwirbelsäule darf kein Holzkreuz entstehen. Fortführend musste Fabian dann die Arme neben dem Kopf nach oben nehmen und zwar so, dass zwischen Oberarm und Rumpf sowie Unterarm und Oberarm jeweils ein 90-Grad-Winkel entsteht. Oberarme und Unterarme sowie die Handflächen liegen somit an der Wand. In dieser Startposition, die an sich schon herausfordernd ist, musste er nun noch die Hände nach oben zusammenschieben, ohne dass die Lendenwirbelsäule den Kontakt zur Wand verliert.
Da dies nur bedingt gelungen ist, könnte eine Ursache der Schulterunbeweglichkeit tatsächlich schon in der Lendenwirbelsäule liegen. Ein weiterer limitierender Faktor kann auch die Brustwirbelsäule mit umliegenden Strukturen sein. Es liegt nahe, dass bei Fabian hier ein Problem verankert ist, denn er schob ja bereits beim Squat die Brust sehr weit nach vorne. Nicht zuletzt spielt natürlich die Schulter selbst die entscheidenste Rolle für ihr Beweglichkeitsausmaß.
Auffällig bei Fabian ist, dass seine linke Schulter höher steht als die rechte.
Das hängt vermutlich damit zusammen, dass das Schlüsselbein als einer der drei Knochen (Schulterblatt, Oberarmknochen und Schlüsselbein), die in der Schulter aufeinander treffen, gebrochen war. Das hatte und hat wohl auch Auswirkungen auf die Mobilität der drei Gelenke der Schulter und das ganze Bündel an Schultermuskeln, die an Bewegungen der Arme, der Schultern, der Schulterblätter und im weitesten Sinne auch des Oberkörpers und des Kopfes beteiligt sind. Dass es sich dabei auch um kleinste Bewegungen handelt, merkt man beim Atmen. Atmen wir nämlich tief in den Brustbereich ein, heben sich neben der Brust auch die Schultern, das Schlüsselbein und sogar der Kopf.
Zu der bekanntesten Gruppe der Schultermuskulatur gehört die sogenannte Rotatorenmanschette. Sie besteht aus vier Muskeln und Sehnen und stabilisiert das Schultergelenk, das das Schulterblatt mit dem Oberarmknochen verbindet. Großen Einfluss auf die Schulterbewegung haben aber auch Teile der Rückenmuskulatur, die Brust- und die Oberarmmuskeln.
Wie es um Fabians Rotatorenmanschette steht, haben wir in einem weiteren Test geprüft. Dabei musste er ein Handtuch von hinten um den Oberkörper wickeln und dann greifen. Mit fest in die jeweilige Körperseite zu drückenden Ellbogen musste er nun mit geraden Handgelenken die Hände zusammenbringen und soweit wie möglich nach außen rotieren.
Aus dem Bild ist ersichtlich, dass Fabian die Ellbogen kaum am Rumpf halten kann und außerdem die Handgelenke abknippt; das heisst er weicht der Außenrotation aus.
Weitere Tests ergaben, dass Fabian in erster Linie an der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule, der gesamten hinteren Kette, der Hüfte und der Schulter arbeiten sollte.
Dafür stellte Antje zwei Basic-Übungsprogramme jeweils für den Ober- und Unterkörper zusammen, die Fabian die nächsten sechs Wochen durchführen soll.
Die Trainingszeit pro Programm liegt bei 30 bis 40 min. Um wirklich Fortschritte zu machen, gilt es jeden Tag mindestens 15 Minuten für das Mobility Programm einzuplanen. Das ist insofern besonders wichtig, weil unser Körper ein Adaptionswunder ist. Leider aber sowohl in die positive als auch in die negative Richtung: Sobald also die Übungsroutine unterbrochen wird, passt sich der Körper sehr schnell wieder an das alte Bewegungsschema an.
Antje empfahl Fabian deshalb, in der wettkampffreien Zeit abwechselnd einen Tag den Oberkörper und am nächsten Tag den Unterkörper zu trainieren. Sollte ein Zeitengpass entstehen, besteht die Option, die jeweiligen Programme nochmals zu splitten, heißt am Tag eins die Hälfte des Unterkörperprogramms und am Tag zwei die Hälfte des Oberkörperprogramms zu absolvieren, um dann an Tag drei und vie die jeweiligen Restübungen für Unter- und Oberkörper.
Vorschau: Bevor es um die konkreten Übungen geht, wird Antje über das Thema und die Bedeutung der Atmung aufklären.
***********************************************************************************
Warum die richtige Atmung so wichtig ist
Bevor wir euch im nächsten Teil die Übungen, die Fabian seit einigen Wochen macht, vorstellen, möchte Antje explizit noch auf ein bereits erwähntes absolut zentrales Thema, nämlich die Atmung, eingehen.
Mir ist bereits bei der Bestandsaufnahme aufgefallen, dass Fabian sehr flach – also nur über die Brust und nicht über den Bauch atmet. Damit ist er bei weitem nicht alleine! Auch ich selbst hatte – wie die meisten anderen Erwachsenen – die bei Babys noch standardisierte Bauch- oder sogenannte Zwerchfellatmung verlernt. Wissenschaftler vermuten, dass dieses Phänomen auf Stress und Verspannungen zurückzuführen ist. Bei TriathletInnen kommt m.E. noch hinzu, dass die Zwerchfellatmung in gebeugter Haltung – also auf dem Rad – sehr schwierig ist.
Laut Lungenärzten und Psychologen gilt die Bauchatmung aber als die gesündere Variante, zumal bei ihr weniger Energie verbraucht, die Verdauung gefördert, der Gasaustausch in den Lungen optimaler ist, der Rumpf stabiler ist sowie der Blutdruck gesenkt wird.
Zum Unterschied der zwei Atemtechniken
Im „best case“ werden beide Techniken immer miteinander kombiniert. Es lässt sich grob sagen, dass bei der Bauchatmung durch Zusammenziehen des Zwerchfells die Eingeweide nach unten gedrückt werden und der Bauch sich nach außen wölbt. Bei der Brustatmung hingegen ziehen die Rippen das Zwerchfell in die Höhe. Deshalb bewegt sich hier die Bauchwand kaum.
Welche Technik bei euch überwiegt, könnt ihr in einem einfachen Selbstversuch herausfinden. Dabei legt ihr in auf dem Rücken liegender Position eine Hand auf den Bauch und die andere auf den oberen Brustkorb. Dann atmet mehrere Atemzüge ein und aus. Bewegt sich dabei die obere Hand stärker als die untere, überwiegt bei euch die Brustatmung.
In diesem Falle empfehle ich euch, öfter mal – zum Beispiel abends im Bett – beide Hände auf den Bauch zu legen und bewusst den Bauch beim Einatmen mit Luft zu füllen. Denkt dabei an einen Luftballon. Beim Ausatmen presst ihr die gesamte Luft aus dem Bauchraum heraus. So könnt ihr euch die Zwerchfellatmung wieder aneignen, denn neben den bereits genannten Benefits, gehört sie zu den wirksamsten Mitteln, um Entspannung zu ermöglichen und die Dehnwahrnehmung zu beeinflussen.
Auch Fabian „trainiert“ das Atmen inzwischen jeden Tag. Sein Statement zu diesem Thema: Ganz wichtig, wenn ihr damit ein Problem habt. Ohne die richtige Atmung geht gar nichts. Bisher war mir das gar nicht so bewusst. Ich dachte, dass ich weiß wie vernünftig geatmet wird, zumal es sich beim Laufen bei mir auch wie eine Selbstverständlichkeit anfühlt; beim Schwimmen allerdings definitiv nicht. Kennt ihr das Gefühl auch, dass ihr bereits nach wenigen Metern in die Sauerstoffschuld kommt? Dann liegt das vielleicht auch daran, dass ihr nicht richtig aus- und vermutlich auch nicht richtig einatmet.
Ich integriere deshalb aktuell das Atemtraining bewusst aktiv in jede Übung, damit es irgendwann in Fleisch und Blut übergeht. Auch nach vier Wochen habe ich das noch immer nicht richtig gut im Griff. Die richtige Atmung zu erlernen, kostet Zeit, zumindest bei mir, aber ohne die richtige Atmung, kommst du nicht voran. Allerdings gelingt es mir inzwischen immer besser die Luft aus den Lungen zu holen, um auch genügend frische Luft einatmen zu können und seither fällt es mir auch viel leichter, lange Strecken am Stück konstant im selben Tempo zu schwimmen.
***************************************************************************
Übungen für den Oberkörper
Lange wurde in dieser Serie schon über die konkreten Übungen gesproche, jetzt stellt euch Antje endlich eine Auswahl von Übungen vor, die sie im ersten Trainingsplan für Fabian zusammengestellt hat.
Im Schulter-, Brust- und BWS-Bereich arbeiten die beiden zunächst ohne Gewicht. Als Tools braucht man nur ein längeres Handtuch und eine Isomatte. Um einen kräftigerenden Akzent zu setzen, kann das Handtuch z.B. durch ein Theraband ersetzt werden, davor sollte aber eine Grundbeweglichkeit gegeben sein.
Lattzug mit Handtuch
Bei dieser Übung im stabilem Stand ohne Hohlkreuz fasst Fabian das Handtuch mit beiden Händen und bringt es auf Spannung. Dann führt er die gestreckten Arme über Kopf und zieht das Handtuch senkrecht am Kinn vorbei zur Brust. Schultern sind tief. Beim Nachuntenziehen atmet er tief aus, beim Nachobenführen tief ein. Trainiert oder besser aktiviert werden der breite Rückenmuskel, die unteren Fasern des Kapuzenmuskels, der große und kleine Rautenmuskel sowie der große Rundmuskel. Zur Erinnerung: alle diese Muskeln haben einen großen Einfluss auf die Schulterbeweglichkeit.
Dehnung des Trizeps
Bei dieser Übung führt Fabian bei geradem Oberkörper den linken Arm über Kopf, sodass sein Oberarm zunächst senkrecht ist. Dann knickt er das Ellbogengelenk so ein, dass er mit der linken Hand zwischen die Schulterblätter fassen kann. Nachfolgend umfasst er mit der rechten Hand den linken Ellbogen und übt etwas Zug aus. Die Fingerspitzen zieht er soweit möglich nach unten. Wichtig: der Blick ist nach vorne gerichtet, ruhige Zwerchfellatmung.
Hauptziel der Übung: Vermeidung von muskulären Dysbalancen.
Training der Schulter-Außenrotation
Bei dieser Übung – auch bekannt aus der Bestandsaufnahme – legt Fabian im stabilen Stand das Handtuch um den Oberkörper, fasst die jeweiligen Enden mit den Händen, presst die Ellbogen in den Rumpf und bewegt die Arme nun jeweils nach außen ohne die Handgelenke abzuknicken. Atmung: beim Nachaußendrehen ausatmen, vice versa.
Hauptziel: Ausgleichsübung zur Innenrotation, die auch beim Schwimmen besonders gefördert ist.
Mobilisierung der Brustwirbelsäule aus dem Kind
Fabian geht aus dem Fersensitz in die vom Yoga bekannte Kindposition. Er streckt dabei beide Arme nach vorne. Dann führt er die gestreckten Arme abwechseln über die Seite nach oben und blickt dabei dem jeweiligen Arm nach. Beim Nachobengehen atmet er aus, vice versa. Vorteil: durch die Kindposition wird die Lendenwirbelsäule sozusagen ausgeschaltet und es wird isoliert mit der Brustwirbelsäule gearbeitet.
Aufdehnen der Brust/Schulter in Kombi mit „Ausrollen“
Fabian liegt in der Ausgangsstellung auf dem Bauch und legt die Arme in T-Form neben seinen Körper. Dann rollt er sich über einen der gestreckten Arme über die Seite auf. Der andere Arm kann stützend fungieren. In zwei weiteren Übungsschritten wird der Arm höher bzw. niedriger als in T-Form gelegt, um noch weitere Strukturen von Brust/Schulter anzusprechen. Armwechsel und Atmung nicht vergessen.
Für Fabian ist diese Übung inzwischen zu einer seiner Wichtigsten geworden. Sein Kommentar: Die Übung ist eine meiner Lieblingsübungen, da speziell meine linke Schulter ein großes Problem beim Schwimmen darstellt. Die Übung verleiht mir mehr Freiraum im Wasser und dadurch fühlt sich alles flüssiger und leichter an. Zusätzlich „rolle“ ich inzwischen auch die Muskeln rund um die Schulter Vor- und Rückseite aus, welche wohl noch nie eine Hand oder einen Ball gespürt hatten, was ziemlich schmerzhaft sein kann.
Ausrollen
Das „Ausrollen“ ist ein beliebte Methode aus der Mobilisationskiste. Man kann einen Ball oder eine Hartschaumrolle unter den jeweils zu behandelnden Bereich legen, dann mit dem ganzen Körpergewicht (entweder gegen eine Wand oder gegen den Boden) Druck auf die Stelle ausüben und darüber rollen. Damit erreicht man eine bessere Gleitfähigkeit zwischen den Gewebestrukturen, löst Triggerpunkte und verbessert die Muskelkontraktion.
In dem man wie auf dem Bild zu sehen, zusätzliche Bewegungen wie mit den Arm dazunimmt, kann man die Wirkung des klassichen Ausrollens noch verstärken. Eine weitere Möglichkeit ist, den Ball zu drehen und nicht nur auf den Triggerpunkt zu drücken … auch das hat eine zusätzliche Wirkung … einfach mal ausprobieren.
***********************************************************************************
Übungen für den Unterkörper
Nachdem im letzten Teil der Serie der Oberkörper an der Reihe war, kommt in diesem Teil der Unterkörper dran: Das Sprunggelenk, die Füsse, die Lendenwirbelsäule und die hintere Kette. Als Tools werden ein längeres Handtuch und eine Isomatte benötigt.
Bei der ersten Übung, die vor allem die Plantarfaszie aber auch die umliegenden Strukturen anspricht, stellt Fabian im Fersensitz die Zehen auf und lässt das Gewicht langsam mit aufgerichtetem Oberkörper auf die Füße sinken. Bei der zweiten Pose geht Fabian in den Fersensitz und legt die Füße entspannt unter dem Gesäß nach hinten ab. Dann stellt er die Hände hinter dem Gesäß auf und hebt langsam so gut es geht die Knie an. Wichtig auch hier, Atmen nicht vergessen.
Zehensitz und die Gegenpostion Spann aufdehnen
Erste Erfahrungen hierzu von Fabian: Hey, diese zwei Übungen haben es wirklich in sich und können am Anfang sehr schmerzhaft sein. Aber sie haben mir bereits nach nur wenigen Wochen ein sehr gutes Gefühl im Fußbereich vermittelt, da ich nun seit Jahren endlich wieder besser abrollen kann und einen stärkeren Abdruck beim Laufen verspüre. Außerdem fühlt sich meine komplette rechte Kette nicht mehr so verkrampft an und mein Taubheitsgefühl im rechten Bein ist weg. Interessant auch: Beim Radfahren rutsche ich nicht mehr ständig auf dem Sattel hin und her, da ich nicht mehr am Suchen der „perfekten Position“ bin. Das Aufdehnen des Spanns bringt mich auch im Schwimmen weiter und ganz langsam kommt das Gefühl auch im Wasser an. Für mich waren – und sie sind es teilweise noch immer – die Füße eines der Hauptprobleme im Wasser, da ich diese nicht richtig auf Streckung bekomme.
Die nächste Pose spricht die Hüftbeuger an. Im Wesentlichen sind das der große Lendenmuskel und der Darmbeinmuskel, die beide zusammen den Lendendarmbeinmuskel (Iliopsoas) bilden. Die Hüftbeuger neigen durch das viele Sitzen, aber auch durch die gebeugte Haltung auf dem Rad oder durch das Laufen gerne zu Verkürzungen. Das führt auf Dauer zu muskulären Dysbalancen oft verbunden mit Rückenschmerzen. Zur Dehnung eignen sich verschiedene Varianten des Ausfallschrittes.
Erste Variante Ausfallschritt
Als Warmup macht Fabian einen großen Ausfallschritt nach hinten. Dabei ist das Knie des vorderen Beins möglichst direkt über dem Knöchel. Mit gleichmäßigen Atemzügen geht Fabian nun in die Dehnung. Zusätzlich geht der Arm auf der Seite des nach hinten gestreckten Beines mit jedem Einatmen dynamisch nach oben und beim Ausatmen wieder nach unten
Zweite Variante Ausfallschritt
In der zweiten Position setzt Fabian das vordere Bein im Ausfallschritt circa 10 cm nach außen. Das Knie fällt dabei leicht nach außen. Dann versucht er mit den Ellbogen auf den Boden zu kommen und zwar auf die Gegenseite des vorne aufgestellten Beines. Als Hilfsmittel kann hier eine Blackroll oder ein Kissen eingesetzt werden, auf die man sich mit den Ellbogen stützt, falls der Weg bis zum Boden bei Übungsbeginn noch zu lang ist. Zusätzlich zu den Hüftbeugern werden hier auch noch die Adduktoren mit in die Dehnung einbezogen.
Dritte Variante Ausfallschritt
In der dritten Position wird die Lendenwirbelsäule mit mobilisiert, indem Fabian aus dem Ausfallschritt den Arm nach oben dreht und der Hand dabei nachschaut. Wenn das linke Bein vorne ist, wird der linke Arm ausgedreht, der rechte Arm stützt und umgekehrt. Auch hier gilt: Beim nach oben gehen wird eingeatmet und vice versa.
Fabian: Diese Übung vermittelt mir wieder Freiraum auf dem Sattel und dies speziell in der Zeitfahrposition. Früher suchte ich wie erwähnt oft die „perfekte Sitzposition“. Mangelnde Beweglichkeit war das Problem, auf das mich bereits mein Bikefitter Lloyd Thomas vor Jahren aufmerksam machte, aber irgendwie ging ich die Sache trotzdem nicht konsequent an. Ich hatte über Jahre immer das Gefühl, dass mich eine Kraft nach vorne zieht und sehr oft verkrampfte auch meine Hüfte – was durch die starke Verkürzung eine logische Folge war. Zwar bin ich noch nicht am Ziel in Sachen meiner optimalen Beweglichkeit angekommen, aber meine neue Freiheit im Hüftbereich hilft mir in jeder der drei Disziplinen: der Beinschlag im Schwimmen geht flüssiger durch, das Laufen fühlt sich aufrechter und leichter an und auf dem Rad nehmen die Verspannungen im rechten Bereich und der Hüfte weiter ab.
Unerwünschte Beckenneigung durch verkürzte hintere Kette
Verkürzte Hüftbeuger hängen sehr eng auch mit Verkürzungen der gesamten hinteren Kette zusammen. Diese besteht u.a. aus dem Trapez, dem Latissimus, den Glutäen, den Hamstrings und natürlich der Wade. Eine starke Immobilität der hier involvierten Gelenke und Strukturen kann zu einer Neigung des Beckens nach vorne führen, was die Wirbelsäule in ihrer Position negativ beeinflusst. Grund genug, auch die hintere Kette und hier nun den Unterkörper zu mobilisieren.
Zum Einstieg eignet sich folgende Basisübung. Fabian liegt dabei auf dem Rücken, ein Bein bleibt gestreckt auf dem Boden, Das andere wird durch Umfassen des Knies so nah wie möglich an die Brust gezogen. Dann wird es dynamisch in Richtung Decke nach oben durchgestreckt. Als Variante kann man auch ein Handtuch als Hilfsmittel mit einbeziehen. Dieses wird um die Fusssohle gelegt und dann soweit wie möglich durchgestreckt in Richtung Oberkörper gezogen. Zwerchfellatmung dabei beachten
Zusätzlich bietet sich zum Start die Vorbeuge zum Beispiel an einer Treppe und am besten ohne Schuhe an, denn dadurch wird gleichzeitig die Plantarfaszie und die Achillessehne mit angesprochen.
Eine weitere Mobilisierungsübung, die ihr schon von der Bestandsaufnahme kennt, ist die tiefe Kniebeuge.
Fabian: Diese Übung bringt mir für alle Sportarten etwas. Zugegebenermaßen fällt mir die tiefe Kniebeuge noch immer sehr schwer, da ich mich im unteren Rücken und im BWS-Bereich noch nicht so locker fühle. Allerdings konnte ich auch hier nach vier Wochen bereits deutliche Fortschritte verzeichnen. Es ist Fakt, dass mir diese Übung ein Gefühl von Freiheit im Rücken bringt und das allein ist schon ein sehr großer Fortschritt.
Mein Eindruck nach vier Wochen: Natürlich ist es das Ziel, dass ich durch diese täglichen Übungen leistungsfähiger werde. Ich kann zumindest jetzt schon behaupten, dass ich es bin, aber viel mehr zählt für mich, dass meine Rückenschmerzen weg sind und dass ich ein noch besseres Gefühl für meinen Körper entwickle. Und natürlich wäre es gelogen, wenn ich es nicht total geil fände, dass meine Schwimmzeiten fast wöchentlich derzeit besser werden. Schade nur, dass die nächsten Wettkämpfe noch etwas auf sich warten lassen.
Aufmacherfoto: H2OBloxx und Sigma Sport Germany