Das Ziel eines jeden Triathleten im Wettkampf ist, mit der aerodynamisch perfekten Sitzposition die Voraussetzung für eine optimale Radperformance zu schaffen, um die Abschlussdisziplin ohne muskuläre und orthopädische Einschränkungen absolvieren zu können und die maximale Performance herauszuholen. Und genau an dieser Stelle fängt das Dilemma vieler Athleten beziehungsweise die Herausforderung der Bike-Fitter an.
Diejenigen, die sich auf ihrem Zeitfahrrad die aerodynamisch optimale Sitzposition einstellen lassen, werden schnell feststellen, dass sie diese nicht lange halten können. Verspannungen im Rücken-, Schulter-, Nacken- und Armbereich sprechen eine eindeutige Sprache. Zudem wird die Hauptschlagader zum Oberschenkel im Bereich der Hüftbeuger abgedrückt, und der Kopf fällt ins Genick. Das hat zur Folge, dass die Oberschenkel nicht optimal mit Sauerstoff versorgt werden und früher übersäuern. Aus diesem Grund ist die Sitzposition auf die Statur und die Beweglichkeit des Radfahrers auszurichten, damit er die neue Aeroposition nicht nur über 20, 40, 90 oder 180 Kilometer halten kann, sondern auch die optimale Radperformance auf die Straße bringt. Und da mit jedem Trainingsjahr nicht nur die Radleistung stark variiert, sondern auch die Beweglichkeit des Sportlers, verändert sich zwangsläufig auch die Sitzposition. Bike-Fitting ist ein fortlaufender Prozess. Das Ziel ist es, immer die Defizite zu erkennen, daran zu arbeiten und das Rad und den Körper immer in Einklang zu bringen. Es ist weitaus mehr als nur das Verändern einiger Stellschrauben am Equipment. Mit ein Grund, warum ich mich mit dem Bewegungsanalytiker, Sportbiomechaniker, Orthopädietechniker und Erfinder der Fahrradbiometrie Jens Machacek über die Einflussfaktoren beim Bike-Fitting unterhalten habe.
Einflussfaktoren Bike-Fitting
- Pedalsystem inklusive Abstand zur Kurbel
- Pedalplatten: Position und Winkel
- Radschuhe: gerader oder gebogener Leisten
- Innensohle: speziell angepasste Radschuheinlagen
- Kurbel: Länge und Abstand zum Tretlager
- Sattel: Formgebung, Aufhängung, Neigungswinkel, Sitzfläche, Material
- Sattelstütze: Sattelaufhängung inklusive Einstellungsmöglichkeiten
- Vorbau: Länge, Neigungswinkel
- Lenker: Breite, Formgebung, Schaltpositionen, Tiefe inklusive Bremsgriffe, Position und Einstellmöglichkeiten der Extensions wie Winkel, Abstand/Breite
- Extensions: Formgebung, Neigung, Schaltpositionen, Einstellmöglichkeiten wie Länge und Positionen der Aufleger und Armschalen
Interview „die perfekte Sitzposition“
Herr Machacek, welche Kontaktpunkte eines Triathleten sind an seinem Zeitfahrrad hinsichtlich der Radergonomie und Biometrie zu beachten?
Füße, Gesäß, Hände und der Unterarmbereich in Höhe der Ellenbogen. Und deshalb muss beim Bike-Fitting – eine korrekte Rahmengröße setze ich einmal voraus – nicht nur ein besonderes Augenmerk auf die Anbauteile Pedale, Kurbel, Sattelstütze, Sattel, Vorbau, Lenker und Aufleger gelegt werden, sondern auch auf eine korrekt durchgeführte Körpervermessung, eine Untersuchung des Bewegungsapparates hinsichtlich orthopädischer Fehlstellungen und der Dehnfähigkeit von Oberkörper, Rumpf und Beinen und muskulärer Defizite. Um noch einen oben drauf zu setzen, wirken sich unterm Strich auch die Radschuhe, Dicke und das Material des im Triathlonanzug verarbeiteten Sitzpolsters, der Helm, das Pedalsystem, gegebenenfalls auch die Sonnenbrille, auf das Gesamtkonstrukt „ergonomisch optimale Sitzposition“ aus.
Beginnen wir beim Fuß mit dem Pedal.
Bei der Auswahl des Pedalsystems ist zu beachten, dass die Größe der Auflagefläche ein wesentlicher Indikator für die Stabilität und den Seitenhalt des Fußes ist. Leichte muskuläre und orthopädische Defizite können dadurch sogar aufgefangen werden. Eine zu schmale Fläche erhöht die seitliche Instabilität – vom Schuh über den Fuß, das Sprunggelenk bis zum Knie wackelt alles – und führt dazu, dass der Druck nicht zu 100 Prozent senkrecht auf das Pedal trifft, sondern leicht seitlich weggeschoben wird. Wenn das Pedalsystem auch nur um zwei bis drei Millimeter seitlich wegkippt, macht das im Knie bereits mehrere Zentimeter aus. Zum Ausgleich dieser Instabilität sucht sich der Körper vom Fuß beginnend den nächsten stabilen Punkt und spannt dadurch oft den inneren Oberschenkelmuskel an, der dadurch schnell ermüdet. Im ungünstigsten Fall kann der nächste stabile Punkt auch der Hüft-, Schulter- oder Armbereich sein.
Wären dann nicht starre Pedalplatten die Lösung?
Das wäre definitiv – ganz im Gegensatz zu den Sprintrennen im Bahnradsport – der falsche Ansatz. Da bei keinem Menschen die Knieachse so wie die Fußachse in derselben Achse steht. Beide Gelenke arbeiten immer in einer ganz leichten gegenläufigen Rotation, erkennbar durch das mehr oder weniger Nach-außen- oder Nach-innen-Knicken des Knies. Auch dies sorgt für einen hohen Kraftverlust, eine schnellere Ermüdung und führt im Extremfall zu Beschwerden oder einem Verschleiß. Durch die rotierende Bewegungsfreiheit der Pedalplatten wird dieser Nachteil ausgeglichen und erreicht, dass Fuß und Knie in eine Richtung arbeiten. Vorausgesetzt ist eine optimal eingestellte Pedalplatte. Vor diesem Hintergrund muss auch die Pedalplatte im richtigen Winkel zur Rotation des Fußes ausgerichtet und mit der größtmöglichen Auflagefläche auf das Pedal positioniert werden, natürlich individuell für den rechten und linken Fuß. Außerdem ist beim Einrichten der Pedalplatten zu beachten, dass der Hauptdruck über die Mitte des Großzehgrundgelenks erfolgt, weshalb die Pedalachse hierauf auszurichten ist. Kleine Abweichungen – auch in Verbindung mit einer falschen Position des Sattels – führen durch ein Kippen des Fußes, der Ferse und Fußspitze zu einem unrunden Tritt mit Auswirkungen auf die Achillessehne und die Wadenmuskulatur, was bereits beim Radfahren zu Leistungseinbußen führt. Spezielle Sohlen, die die Druckverteilung und den Druckverlauf im Radschuh messen, geben dem Bike-Fitter – neben den Ergebnissen der orthopädisch-muskulären Untersuchungen hinsichtlich Beckenbreite, Fußstellung und Form, Knieachse, Fehlstellungen und vielem mehr – weitere Hinweise für die richtige Position der Pedalplatten.
Wo wir automatisch beim Schuh angelangt sind.
Viele vergessen, dass es nicht nur bei den Laufschuhen gebogene und gerade Leisten gibt, sondern auch im Rad- und Triathlonschuh. Athleten mit einem Knickfuß werden mit einem geraden Leisten selten ihre optimale Leistung abrufen können. Während sie vom Großzehgrundgelenk bis zum Schuhende genügend Luft haben, besteht an der Außenseite jedoch das Gefühl, über die Kante weggedrückt zu werden. Das coolste und angesagteste Modell ist somit nicht gleichbedeutend mit dem für mich leistungsfähigsten Radschuh. Die Folge ist in dem Fall des geraden Leistens eine einseitige Belastung der äußeren Muskelstränge in der Wade, ganz abgesehen davon, dass der Hauptdruck seitlich am Pedal über das Kleinzehgrundgelenk weggeschoben wird. Dabei sucht sich der Körper für die bereits eingangs erwähnte Instabilität den nächsten stabilen Punkt. Außer Acht gelassen werden darf auch nicht der stabile Sitz des Fußes, der neben dem eng anliegenden Ober- und Innenmaterial insbesondere durch eine feste Fersenkappe sichergestellt wird. Viele Triathleten, die mehrere Radschuhe im Einsatz haben, unterschätzen dabei, dass die Schuhe aufgrund ihres unterschiedlichen Aufbaus Höhenunterschiede von bis zu einem Zentimeter haben können, und das wirkt sich bei einer unveränderten Radeinstellung unmittelbar auf die Sattelhöhe und somit auf die Knieachse, Sitzposition und die Leistung aus. Gleiches gilt übrigens auch für das Pedalsystem und den Sattel. Aber zurück zum Radschuh, denn auch der Einsatz einer speziellen Radschuheinlage ist in dem in der Summe ideal abgestimmten Gesamtkonstrukt zu berücksichtigen. Sie stellt die Verbindung zwischen Fuß und Radschuh her. Zudem stabilisiert die Radschuheinlage den Fuß, das Sprunggelenk und das Knie und sorgt für mehr Komfort, bei der richtigen Auswahl der Sohle und optimalen Anpassung auch für einen hohen Leistungsgewinn. Sie sehen, allein das Herantasten an die perfekte Einstellung der beiden Füße ist bereits so komplex, dass es nicht zwischen Tür und Angel gemacht werden kann.
In den letzten Jahren ist die Kurbellänge immer mehr in den Fokus der Radfahrer gekommen. Was ist hierbei zu beachten?
Das ist sicherlich auch auf die Umstellung beim Mountainbike von 26 auf 29 Zoll zurückzuführen. Besonders die kleineren Fahrer stellten fest, dass die Kurbellänge im Verhältnis zum Reifendurchmesser nicht mehr passte. Durch umfangreiche Untersuchungen wurde dann herausgefunden, dass eine kürzere Kurbel dann Sinn macht, wenn der Platz zwischen Oberschenkel und Magen zu eng ist und somit auch die dort verlaufende Hauptschlagader abgedrückt wird. Eine kürzere Kurbel schafft dort nicht nur Platz, sie stabilisiert auch das Becken und verhindert ein Nach-vorne-Knicken. Der Tritt wird runder und der Druck auf das Pedal stärker, da die Muskeln besser mit den erforderlichen Nährstoffen versorgt werden. Zu beachten ist auch hier, dass es unterschiedliche Kurbelbreiten gibt, also der Abstand zwischen Rahmen/Tretlager und Kurbel, die sich auf das Gesamtkonstrukt auswirken. So konnten wir bei einigen Triathleten die Hauptschlagader im Bereich des Hüftbeugers öffnen, mehr Platz für den Oberschenkel schaffen und dadurch den Lenker tiefer stellen. Das Resultat sprach für sich: mehr Druck und bessere Aerodynamik bei einer bequemeren Position.