Die Umweltverschmutzung schreitet täglich voran. Die Wahrheit ist weder rosarot noch himmelblau. Wir zerstören jeden Tag unseren Planeten. Wir Menschen haben eine Verantwortung für uns und für unseren Lebensraum – die Erde. Aber warum eigentlich jetzt mehr denn je zuvor?
Wir alle gehören doch zur Gattung der gewissenhaften, gesundheitsbewussten Ausdauersportler. Wir sind Menschen, die die Natur lieben. Nur allzu oft gewinnen wir den Kampf gegen den inneren Schweinehund und das Wetter und schwingen uns anstatt auf die Rolle oder das Laufband aufs Rad oder begeben uns in den Wald. Selbst beim Schwimmen schreckt uns kaltes Wasser nicht ab, und wir ziehen uns bereitwillig und meistens mit einem breiten Grinsen der Vorfreude den Neoprenanzug an, um die ersten Runden im Fluss, See oder im Meer zu drehen. Wir sind in vielen sportlich motivierten Situationen bestrebt, ein nachhaltiges Leben zu fühlen, aber leider geht das meistens nur soweit, wie es uns nützt.
Bio ist nicht gleich umweltbewusst!
So lange wir das Fahrrad nutzen, um zusätzliche Trainingskilometer zu machen, ziehen wir dieses dem Auto vor. Aber was passiert, wenn wir zu Wettkämpfen anreisen oder ins Trainingslager. Hier schrecken wir nicht vor langen Flugreisen oder einsamen Autofahrten zurück. Selbst wenn wir zu Hause Bio-, fair gehandelte und regionale Produkte in den Alltag einbauen, rückt die Frage nach dem Umweltschutz bei diesen Punkten stets in den Hintergrund. Ebenso ist es, wenn es um die Wahl der richtigen chemisch modifizierten atmungsaktiven Funktionskleidung geht oder beim stolzen In-Empfang-Nehmen der zum Teil in Plastiktüten verpackten Finisher-Medaillen oder T-Shirts. Wer kauft hier fair, regional oder Bio, wenn es doch um wenig Gewicht und maximale Leistungsfähigkeit geht? Wen kümmert es schon, ob die Transportwege der in Deutschland, der EU oder doch noch weiter weg produzierten kostenlosen Give-away-Produkte in Starterbeuteln und auf Triathlonmessen zum Teil einen unterirdischen CO2-Fußabdruck hinterlassen haben, bis sie in unseren Händen liegen, um anschießend im Müll zu landen? Muss das sein? Ist das wirklich nötig? Und im Ziel? Auch wenn dort die Verpflegung in Einweggeschirr verteilt wird, kümmert uns das in diesem Moment herzlich wenig.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Warum teilen wir den Veranstaltern nicht dieses Dilemma mit? Warum sind trotzdem immer noch Wettkämpfe mit kaum oder einem schlechten Umweltmanagement Jahr für Jahr hoch frequentiert und werden mit den Bestnoten bei der Durchführung überschüttet? Warum sind wir auf diesem Auge blind? Es ist mit Sicherheit eines der schwierigsten Themen, wo wir doch „nur“ unseren Sport zelebrieren wollen, aber ganz ehrlich, wenn wir uns dem nicht jetzt stellen, wann dann?
Triathlon ohne Schwimmen?
Jeder kennt die Unterwasserbilder der Schwimmer beim Start des Ironman auf Hawaii. Stellen Sie sich einmal die Situation vor, dass das Schwimmen nicht mehr stattfinden kann, weil das Meer von Plastikmüll übersäht, mit Medikamentenrückständen oder Pestiziden belastet ist und die zugehörige Umwelt- und Gesundheitsschutzbehörde den Schwimmauftakt verbietet, weil die Gefahr für die Menschen zu groß ist. Oder was wäre, wenn die heimatliche Rad- und Laufstrecke nicht mehr durch einen herrlichen, schattenspendenden und windabhaltenden Mischwald führen würde, sondern stattdessen nur noch Häuserschluchten die Strecke säumten oder Sie durch ein Braunkohletagebaugebiet fahren dürften? Das Ganze hat genau in dem Moment seine Industrieromantik, wenn Sie dort sind und liefert ganz eigene Geschichten und viele Bilder für Instagram und Co. Wem ist da schon bewusst, dass hier Raubbau an der Natur begangen worden ist, wenn man das perfekte Foto bekommt und dazu gleich noch viele Likes? Das Ablichten zeigt irreparable Umweltschäden und die Zerstörung unserer Erde, unseres Lebensraums. Sollten wir die sozialen Medien und unsere „Öffentlichkeitsarbeit“ nicht mehr dafür nutzen, auf Probleme und Lösungen hinzuweisen, statt immer nur Trainingserfolge und Bilder von entfernten Stränden zu posten?
Erste Ansätze
In den vergangenen Jahren wurden gerade im Bereich von Triathlonveranstaltungen neue Müllkonzepte entwickelt, die sogenannte „Litter Areas“ miteinbeziehen. Auch die Wettkampfregeln wurden um den Punkt Umweltschutz erweitert. Auf einmal finden sich dort Punkte wie die nicht regelkonforme Entsorgung von Müll während des Rennens oder auch klare Anweisungen für das Wasserlassen während des Rennens wieder. Wer sich nicht daran hält, wird, ja genau, disqualifiziert. Triathleten befolgen diese Anweisungen ohne Murren und Knurren, weil eine Disqualifikation oder das damit verbundene DNF eben keine Option darstellt. Keiner stellt sich die Frage nach dem Warum, alle ziehen mit – viele jedoch nur an diesem einen Tag im Jahr und meistens auch nur für die Dauer des Wettkampfs. Doch was ist davor, was ist danach? Es kommt leider zu oft vor, dass wir den Umweltschutz nur punktuell – sprich am Wettkampftag – umsetzen, aber nie so richtig leben und vor allem nie ganzheitlich nachhaltig denken. Was heißt das überhaupt? Ganzheitlich nachhaltig? Aktuell gibt es nicht die wahre Definition dieser Begriffe, da jeder diese anders auslegt, aber ein Gradmesser für eine nachhaltige Lebensführung kann der sogenannte individuelle ökologische Fußabdruck sein.
Ökologischer Fußabdruck?
Der ökologische Fußabdruck stellt ein Prinzip zur Messung des Verbrauchs an Umwelt dar. Genauer gesagt, wird damit berechnet, wie viel Fläche auf der Erde notwendig ist, um das Leben samt seines Lebensstils eines einzigen Menschen auf der Erde zu ermöglichen, ausgehend von der Fortführung heutiger Produktionen. Hierzu gehören die Betrachtung und der Einbezug verschiedener Variablen, wie zum Beispiel wie viel Fläche für die Herstellung von Kleidung, Nahrung, zur Energiebereitstellung sowie zur Entsorgung des entstehenden Mülls dieser Person benötigt wird. Jeder kann heutzutage individuell seinen eigenen ökologischen Fußabdruck berechnen. Wir Triathleten lieben doch Zahlen und Fakten, warum also nicht auch mal den individuellen ökologischen Fußabdruck pro Wettkampf oder pro Jahr berechnen?
Ich gehe mal mit gutem Beispiel voran und bestimme mithilfe von footprint-deutschland.de meinen ökologischen Fußabdruck pro Jahr und speziell für einen Wettkampftag – ich teste diesen exemplarisch für den Challenge Roth. In die Berechnung fließen die fünf Hauptkategorien für den Konsum ein: Wohnverhältnisse, Nahrung, Konsumgüter, Transport und Dienstleistungen. Das Ergebnis ist für mich nicht überraschend, aber doch niederschmetternd. Obwohl ich der Meinung bin, dass ich bereits viele Alltagssituationen umweltfreundlich und mein Leben nachhaltig gestalte, sieht es schlimm aus mit den Werten. Mein ökologischer Fußabdruck – egal, ob pro Jahr oder pro Wettkampftag – ist so groß und breit, wie sich meistens die Füße am Abend nach einem langen Wettkampftag anfühlen. Diese Erkenntnis beunruhigt mich, wenn man bedenkt, dass ich im letzten Jahr keine Flugreisen gemacht habe und viele Trainingszeiten vor der eigenen Haustür abgespult habe. Mein Ergebnis verdeutlicht mir eindrucksvoll, dass wir allzu oft denken, dass wir viel für die Umwelt und dessen Schutz leisten, aber am Ende ist die Summe dieses Ganzen nicht ausreichend. Eines ist jedoch klar, ohne den ersten Schritt, ohne die Konfrontation mit dem Ist-Zustand und das Bewusstsein, dass es so nicht weitergehen kann, kann es nur losgehen mit dem gezielten Umweltschutz.
Wenn diesen Anfang jeder macht und wir unseren ökologischen Fußabdruck langsam aber stetig verkleinern, dann ist es am Ende der Gesamteffekt, der unser Leben auf der Erde verbessert.
Wir können die Welt nicht an einem Tag retten, aber wir können jeden Tag mit unserem ganz speziellen Beitrag eine Verbesserung bewirken. Werdet zum Vorbild und macht mit. Es tut nicht weh, und jeder Schritt für die Umwelt macht das Leben lebenswerter.
Dr. Katrin Schuhen ist Juniorprofessorin für Organische und Ökologische Chemie an der Universität Koblenz-Landau. Nach ihrer Promotion im Bereich Chemie an der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg 2007 arbeitete sie fünf Jahre in der chemischen und medizintechnischen Industrie, bevor sie 2012 ihre eigene Forschungsgruppe gründete. Seither erforscht sie zusammen mit ihren Mitarbeitern anorganisch-organische Hybridmaterialien für die Anwendungen in der (Ab-)Wasserreinigung. 2015 wurde sie mit dem GreenTec Award in der Kategorie „Wasser und Abwasser“, 2016 mit dem Hans Raab Umweltpreis und 2017 mit dem Umweltpreis Rheinland-Pfalz ausgezeichnet. Um berufliche und sportliche Themen unter einen Hut zu bekommen, startete sie innerhalb des Projekts Wasser 3.0 die REthink-Kampagne, um Nachhaltigkeit und ökologische Wertschätzung auch mehr und mehr im Sport und innerhalb von Sportveranstaltungen zu verankern. In erster Linie geht es darum, auf die Probleme mittels Faktenchecks aufmerksam zu machen, um dann gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Mehr Infos