Quo vadis, Triathlet?

Warum mache ich Triathlon und was will ich erreichenWas treibt dich an? Wo willst du hin? Sind es Strava-Kommentare, Social-Media-Likes, Platzierungen oder wirkliche Leidenschaft für deinen Sport? Sportmentaltrainerin Daniela Dihsmaier fragt nach. 

 

Viele Triathleten machen genau das, was sie erfüllt: Schwimmen, Radfahren und Laufen an wunderschönen Orten und mit vielen Gleichgesinnten. Alles ist gut, so scheint es zumindest, wenn wir Facebook und Instagram vertrauen dürfen. Doch wie jede leistungsorientierte Tätigkeit bringt es auch der Triathlon mit sich, dass wir Training und Wettkampf auch mal als Stress erleben. Vorsicht ist geboten, wenn der geliebte Sport nur noch Spaß macht, wenn die Platzierung, die Zeit oder die Social-Media-Likes stimmen. Verbinden wir jedoch mit dem Sport zunehmend Frust oder Ärger, dann ist es an der Zeit, sich mit dem eigenen Sinnempfinden auseinanderzusetzen.

Dieses Sinnempfinden untersucht die Professorin Tatjana Schnell an der Universität Innsbruck empirisch wissenschaftlich. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass es nicht den einen Sinn des Lebens gibt, der für uns alle gültig ist, sondern es vielmehr darum geht, aus verschiedenen Bereichen Sinn zu schöpfen.

Fragen über Fragen

Was treibt mich an, und wofür stehe ich? Was ist mir bedeutsam? Wo will ich hin? Was sind meine Träume? Was habe ich schon erreicht? Was vermisse ich in meinem Leben? Was tun, wenn man gar nicht weiß, was man außer Triathlon vom Leben will?

Vielleicht merken viele Betroffenen gar nicht mehr, was sie wirklich fühlen, außer dass sie grundsätzlich etwas unter Strom stehen oder angespannt sind. Die Zielsetzung dieser Fragestellungen ist, die eigenen Gefühle, die eigene Intuition wiederzuerkennen. Letztere basiert auf unseren Erfahrungen, also: Was tut mir gut, und was belastet mich? Die Intuition ist eng gekoppelt mit den Körpersignalen, jedoch haben viele verlernt, auf genau diese zu hören. Aus dem Ignorieren von Gefühlen können leicht Ersatzbedürfnisse, Ängste und Depressionen entstehen.

In meiner Coaching-Praxis steigt die Zahl derer, die nicht genau wissen, wie es weitergehen soll, weshalb ich an dieser Stelle drei Fallbeispiele aus dem Bereich Triathlon vorstellen möchte.

Beispiel 1: Die Arbeit macht keinen Spaß, aber sie finanziert den Sport. Es wird hart trainiert, um das Dilemma im Job zu vergessen.

Athleten, die sich hier wiederfinden, neigen dazu, ihre (unguten) Gefühle bezüglich des Jobs zu verdrängen, indem sie sich in immer neue sportliche Aktivitäten stürzen. Und nach dem Motto „Je härter, desto besser“ bleibt dem Kopf keine Möglichkeit zum Denken und Reflektieren.

In diesen Fällen bitte ich meine Klienten, an ihre beruflichen Träume von früher zu denken. Was waren die Wünsche, bevor sie so viel Triathlon gemacht haben? Manchmal ist dann beim Erzählen plötzlich ein angedeutetes Lächeln da, und es können auch Gefühle von Freiheit, voller Energie und Tatkraft, auftreten. Gemeinsam stellen wir fest, dass da etwas ist, das schon beim darüber Reden guttut. Wenn also die Erinnerungen an diese alten Wünsche positive Gefühle hervorrufen, dann schauen wir uns gemeinsam an, wie sich diese Träume vielleicht in abgewandelter Form wieder mehr in den Alltag integrieren lassen. Gerade die Herbst-/Winterzeit bietet Triathleten die Chance zu kleinen Trainings-Auszeiten, um über das eigene Leben nachzudenken. Und ein sinnerfüllter Job macht nachgewiesenermaßen zufriedener, und somit steigt auch die Chance auf eine gesundheitliche Ausgeglichenheit, die sich wiederum positiv auf das Triathlon-Training auswirkt.

Beispiel 2: Es wird sehr viel trainiert und Opfer werden erbracht, aber dennoch stimmen die Wettkampf-Ergebnisse nicht.

Wer sich zu sehr zum Erfolg zwingt, dem geht die kognitive Leichtigkeit verloren. So kann ein Verstricken in negative Gedanken und Gefühle entstehen. Das kann sich körperlich zum Beispiel durch Engegefühle in der Brust, Verdauungsprobleme, ein Druck im Nacken oder auch ein allgemeines Schweregefühl ausdrücken. Nie erfolgreich zu sein, ist oft ein Hinweis auf zu viel Druck. Manchmal verbirgt sich dahinter auch eine Vermeidungsstrategie, wie beispielsweise Angst vor Neid und Eifersucht, Angst, andere zu kränken, Angst, erfolgreicher zu sein als das nahe Umfeld, Angst vor Entdeckung der eigenen Inkompetenz oder auch die Angst, etwas falsch zu machen. Diese Ängste gilt es zunächst, aufzudecken.

Im Coaching empfinden es Klienten bei zu großem Leistungsdruck oft entlastend, wenn wir mehr Sinnquellen in ihrem Leben finden. Der selbst auferlegte Wettkampf- und Trainingsdruck kann sich dann wie von alleine abschwächen. Mögliche, den Triathlon ergänzende Sinnquellen können beispielsweise sein:

  • Naturerleben verstärken,
  • bewusstes Erleben,
  • soziales Engagement, Fürsorge,
  • etwas tun oder erschaffen, das von bleibendem Wert ist,
  • Liebe und Familie,
  • Gemeinschaft mit anderen.

Beispiel 3: Es ist alles erreicht, doch Zufriedenheit stellt sich immer noch nicht ein. Das Umfeld versteht die Unzufriedenheit nicht.

Eine große Gefahr gerade bei sehr leistungsorientierten Menschen liegt darin, sich nur auf die Sinnquelle Selbstverwirklichung zu konzentrieren. Wenn es ausschließlich darum geht, hervorragende Leistungen zu bringen, die eigene Freiheit auszuleben, Herausforderungen zu suchen und die persönliche Entwicklung voranzubringen, dann ist es für die meisten auf Dauer nicht erfüllend. Es kommt zu einer Sehnsucht oder Unzufriedenheit, die viele nicht deuten können. Um dieses Loch zu füllen, entsteht häufig der zwanghafte Drang nach noch mehr Erfolg, um den eigenen Selbstwert zu stabilisieren. Diese Art des Selbstwerterhalts währt aber nur so lange, wie der letzte Erfolg nachhallt. Hier lohnt es sich zusammen mit einem Coach oder Sportpsychologen, tiefer zu graben, wie der eigene Selbstwert definiert wird und wovon er abhängig gemacht wird. Wer es schafft, sich von diesem Erfolgszwang zu lösen und die eigentlichen Bedürfnisse wiederentdeckt, der wird im Triathlon auch wieder Freude, kognitive Leichtigkeit und Spaß an der Leistung empfinden.

Fazit
Zusammenfassend gibt es in allen drei Fallbeispielen eine Gemeinsamkeit: Wenn wir es schaffen, unsere Bedürfnisse und unsere Intuition wahrzunehmen, haben wir einen guten Hebel gefunden für ein zufriedenes Leben, Leistungsfähigkeit und Motivation. Denn viele Probleme sind in der Vernachlässigung von weiteren Bedürfnissen und Sinnquellen begründet. Nicht ohne Grund fällt es Menschen, die eine sehr schwere Erkrankung erlitten haben, oft leichter, das Leben und auch den Triathlon wieder zu genießen: Sie haben gespürt, worauf es im Leben wirklich ankommt.

 

Daniela Dihsmaier ist Sport Mental Coach und systemischer Coach & Beraterin für Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung. Mehr Infos

 

Quellen: Gehirn & Geist (Ausgabe 08/2017, S. 16), Corssen/Tramitz (S. 140), Tylor/ Schneider (S. 321), Sher (S. 231, 233)

 

Foto: Holger Schmidt