Als ich heute morgen dick eingepackt zum Laufen starten wollte, fragte mich mein Nachbar kopfschüttelnd, wie man sich bei einem so kalten Wetter zum Sport motivieren kann? Also das kann er absolut nicht verstehen! Ohne weiter darüber nachzudenken antwortete ich, „weil es mir Spaß macht und mir immer wieder die Augen öffnet!“
Dann beim Laufen und später beim Radfahren ließ mich die Frage meines Nachbarn „Wie kann man sich eigentlich „dazu“ motivieren?“ nicht mehr los. Ich selbst habe mich immer wieder gefragt, ob er mit meiner Antwort auch nur ansatzweise etwas anfangen konnte. „Weil es mir Spaß macht und mir immer wieder die Augen öffnet!“ Was bedeutet das eigentlich für uns als Sportler, und wie könnte ich die Frage meines Nachbarn beantworten, dass auch er versteht, was meine Motivation ist?
Wir Sportler lieben es, unseren Körper zu spüren, die Anstrengung, das Schwitzen und auch die Müdigkeit, die wir durch das Training verspüren. Aber ist es das allein, was uns motiviert, bei Wind und Wetter unsere Sportklamotten anzuziehen und raus zu gehen? Ich glaube, es ist viel mehr! Der November erscheint uns oft so trist, wenn wir allerdings genauer hinschauen, passiert gerade in den Wochen, in denen sich die Natur auf den Winter vorbereitet, so vieles. Beim Laufen erleben wir diese Veränderungen tagtäglich. Egal, ob Anfänger, Hobbyläufer, ambitionierter Läufer oder Profi, das Laufen auf den frisch gefallenen Blättern ist einfach herrlich! Es fühlt sich einfach irgendwie intensiver an, Geist und Seele werden überschüttet mit positiven Eindrücken, die wir bei unserer täglichen Alltagsbelastung für die persönliche Balance gut gebrauchen können.
Der Herbst ist und bleibt die schönste Zeit zum Laufen, die meisten Läufer schalten einen Gang runter, auch die Profis. Wenn es draußen kalt ist, es regnet oder stürmt – wir alle wissen, wie schwer es ist, an solchen Tagen die Laufschuhe anzuziehen – absolviert man ruhigere Läufe, ganz ohne Wettkampfdruck, ohne Uhr, oft einfach nur mit dem einen Ziel, jeden einzelnen Meter zu genießen. Bewegung startet in unserem Körper unglaublich viele Prozesse, die häufig gar keine Beachtung finden, aber dennoch eine unglaublich große Motivation für uns sind.
Körper, Geist, Sinne, Seele!
Gestern bin ich in unserem heimischen Wald eine lockere Runde gelaufen. Ich hörte, wie auch schon in den vorangegangenen Tagen von weitem dieses laute Krähen. Ich stoppte und schaute zum Himmel, und da kamen sie auch schon: Hunderte Kraniche, die unserem heimischen Winter entfliehen und in den warmen Süden fliegen. Ich schaute ihnen hinterher und wurde wehmütig. Jetzt kommen sie unweigerlich, die kurzen und kalten Tage. Ich schiebe diesen Gedanken fort, höre noch immer das Krähen und freue mich schon jetzt auf die Rückkehr dieser schönen und faszinierenden Tiere. Hätte ich in meinem Wohnzimmer gesessen und Fernsehen geschaut, hätte dieses Naturschauspiel ohne mich stattgefunden. Dann wären an diesem Tag weder Wehmut noch Vorfreude auf das nächste Jahr mein Begleiter gewesen. Wie schön es doch war, zum richtigen Zeitpunkt mit meinen Laufschuhen unterwegs gewesen zu sein, auch wenn es arschkalt war!
Wie hätte ich meinem Nachbarn dieses Gefühl, dass mich antreibt, auch bei diesem kalten Schmuddelwetter laufen zu gehen, mal eben kurz beantworten können? Wenn ich es geschafft hätte, würde er vielleicht verstehen, warum es mir so viel Spaß macht. Vielleicht würde es auch ihn motivieren, nicht unbedingt direkt mit dem Laufen zu beginnen, aber vielleicht einfach eine Runde an der frischen Luft spazieren zu gehen und dieses tolle Erlebnis mit mir zu teilen, wie unsere Kraniche in den Süden ziehen.
Vielleicht! Vielleicht auch nicht!
Meinem Nachbarn werde ich diese Zeilen auf jeden Fall in die Hand drücken und ihm sagen, dass Laufen viel mehr ist als meine kurze Antwort: „Weil es mir Spaß macht und mir immer wieder die Augen öffnet!“
Falls mein Nachbar mir dann doch noch einmal die Frage nach meiner Motivation stellt, werde ich ihn an diesen Text erinnern und etwas provokant folgende Gegenfrage stellen: „Wie kann man sich eigentlich motivieren, bei diesem kalten Wetter zu Hause zu bleiben und diese ganzen Möglichkeiten von Erlebnissen einfach so an sich vorbeiziehen zu lassen?“
Ich musste Euch diese Geschichte einfach erzählen!
Ich wünsche Euch einen tollen Herbst, Euer
Andreas Niedrig
Foto: Privat