12 Jahre nach seinem letzten Start in Frankfurt wollte Tobias Glaßner aus Wehrheim im Taunus unbedingt noch einmal die Finishline auf dem Römerberg erreichen. Doch dann machte ihm kurze Zeit vor dem Rennen das Corona-Virus einen Strich durch die Rechnung.
Tobias, Du musstest Deinen Start aufgrund der Auswirkungen einer Corona-Erkrankung kurzfristig absagen …
Knapp drei Wochen vor den Mainova Ironman European Championship erwischte mich das Virus. Zehn Tage hielt ich – so schwer mir das auch fiel – die Füße still, um nach dem Freitesten von meiner wirklich guten Form zu retten, was es noch zu retten gibt. Aber ein negativer Corona-Test bedeutet bekanntlich nicht, vollständig genesen zu sein. Ich kämpfte weiterhin mit Kopf- und Gliederschmerzen sowie sehr unangenehmen Drehschwindel. Ein ehrliches Telefonat mit einem befreundeten Internisten nahm mir zwar die komplette Motivation, öffnete mir aber auch die Augen. Sein klarer, unverblümter Rat und dringende Empfehlung lautete: Verzichte auf den Start! Und seine Begründung war denkbar einfach: Unzureichende Genesungszeit vor dem längsten Tag des Jahres UND maximale Belastung im Wettkampf – das Risiko ist einfach zu hoch. Aber unmittelbar wahrhaben will ich das zu dem Zeitpunkt noch nicht. Den gesamten restlichen Tag arbeitet dieses Telefonat in mir weiter. Erst spät am Abend sackt allmählich alles und kommt gänzlich in meiner Denkzentrale an. Letztendlich bin ich meinem Arzt im Grundsatz sehr dankbar – weil er mir die Entscheidung abgenommen hat! Ohne seine ehrlichen Worte, wäre ich wohl in die Falle getappt.
Wie hast Du die Rennwoche erlebt?
Die letzten Tage vor dem Wettkampf waren für mich nicht einfach. Auch wenn Freunde, Bekannte und wildfremde Menschen mir Tag für Tag über sämtliche Netzwerke signalisierten, dass meine Entscheidung genau richtig sei und die Absage ein größerer Erfolg ist als der Einlauf über die „Finishline“ am Römerberg, holten mich immer wieder die Gefühle ein, frei nach dem Motto: wenn die Vernunft siegt, das Herz etwas anderes möchte und die Tränen laufen …!
Was bedeuten für Dich all diese Reaktionen?
Nie hätte ich mit so viel positiver Rückmeldung gerechnet. Ich danke jedem einzelnen dafür. Auch in der Woche vor dem Wettkampf zeigte mir mein Körper, dass er noch mit dem Virus zu kämpfen hatte. Reizhusten und ein zu hoher Puls bei Belastung zeigten mir auf, dass es die goldrichtige Entscheidung war, nicht an den Start zu gehen und auf meinen Körper und das Empfinden zu hören. Am Freitag vor dem Wettkampf traf ich mich mit den Mainova-Startern zur Wettkampfbesprechung und zum kurzen Team-Meeting. Es war ein gutes Gefühl, nicht nur vor Ort, sondern auch dabei zu sein. Und auch die Rückmeldung der Verantwortlichen vom „Team Mainova“ stimmte mich sehr positiv. Ich gebe jedoch zu, dass ich auf dem Weg in Richtung Römerberg mit den vielen „Ironman“-Bannern und der Expo Tränen in den Augen hatte.
Mit welchen Gefühlen standest Du dann an der Strecke?
Am Sonntag fuhr ich morgens früh mit der S-Bahn nach Frankfurt und weiter mit dem Shuttlebus zum See. Für mich war es wichtig, an diesem Tag da zu sein, dabei zu sein … und in welcher Form auch immer am Start zu sein. Den ganzen Tag verfolgte ich den Wettkampf, am Langener Waldsee, in Hochstadt an der Radstrecke, an der Wechselzone in Frankfurt und an der Laufstrecke am Main. Mit jeder Stunde konnte ich immer weiter los lassen und die Motivation wuchs, im nächsten Jahr dann endlich an den Start zu gehen.
Konntest Du denn Deinen Startplatz auf 2023 übertragen?
Das konnte ich. Auch von Seiten der Mainova darf ich in 2023 auf die Unterstützung bauen. Durch die Möglichkeit im nächsten Jahr zu starten, kann mein Projekt „Herzenswunsch“ in die zweite Runde gehen. Mein größtes Anliegen ist jedoch „alle Triathleten da draußen“ zu solch einer Entscheidung zu ermutigen: Hört auf Euren Körper und die Gesundheit. Es geht nicht immer nur um die Jagd nach Bestzeiten und Erfolgen. Das Risiko gesundheitlichen Schaden zu nehmen ist es einfach nicht wert.
Für mich war es vielleicht der größte Erfolg in meinem bisherigen Leben, den Wettkampf abzusagen.
Tobias, danke für Deine starken Statements. Wir werden Dich 2023 erneut „begleiten“!
Foto: Joern Pollex | Getty Images for IRONMAN