Seit seinem Radunfall und seiner Querschnittslähmung bloggt Karsten Pfeifer bei tritime über seine Therapie und über seine Höhen und Tiefen. Im Sommer musste er erneut einen Rückschlag wegstecken. Tapfer kämpft der 44-Jährige weiter für mehr Selbstständigkeit.
Im Februar konntet ihr von meiner ersten neurologischen Reha lesen – der I.N.P.U.T. Therapie. Ein weitere Aufenthalt in Pfozrheim hatte ich gedanklich schon geplant, um die Komplikationen der hohen Querschnittlähmung besser in den Griff zu bekommen und um weiter Fortschritte zu erzielen. Ich möchte nach wie vor selbständiger und flexibler im Alltag werden. Motiviert kam ich nach drei Monaten zurück. Ich ahnte noch nicht, dass ich mich bald ganz anderen Herausforderungen stellen muss.
Das Training daheim: Stehen und „Bridgen“
Meine Therapeutin Steffi vom Physioteam Unterföhring hatte mich in Pforzheim besucht, um sich das Prinzip meiner Therapie erläutern zu lassen. Nach meiner Rückkehr machten wir uns daran, zu prüfen, was wir „zuhause“ an Übungen umsetzen konnten. Leider konnten wir aufgrund der Gegebenheiten nur zwei Übungen nachstellen. Das Stehen mit der Leiter und das Bridgen, aber das ist besser als nichts. Das Stehen fordert meinen Kreislauf, bringt Gewicht auf die Knochen und hat eine positive mentale Wirkung. Gleichzeitig arbeiten wir an der Rumpfhaltung, meiner Körperwahrnehmung und an der Atemmuskulatur. Die durch die Lähmung hervorgerufene Fehlstellung der Wirbelsäule ist fatal. Das bedeutet, die Wirbelsäule bleibt weiterhin meine Baustelle Nummer eins. Das Bridgen bringt eine andere Bewegung in die Wirbelsäule und gibt neue Impulse für den Rumpf und die Beine.
Cycleporn mit Konsequenzen
Bereits im Frühjahr hatten wir grandiose Wetterbedingungen. Kaum daheim, startete ich mit dem Adaptivbike erste Ausfahrten. Nach einer Eingewöhnungsphase begann ich, mir einen kleinen Bewegungsplan zu erstellen. Mein Ziel war, die Kurbeltechnik und meine Atemkapazität zu verbessern. Beides limitierte mich anfangs. Ich war um Konstanz bemüht. Mir fehlte es lähmungsbedingt an Bewegungsalternativen. So war ich bald täglich unterwegs. Durch die Reha war ich ein sechsstündiges Aktivitätsprogramm im Stehen gewohnt. Daher fiel mir das plötzlich Dauersitzen mental extrem schwer. Manchmal bin ich auch nur für 20 Minuten raus, um kurze Intervalle zu fahren. Das tat mir unheimlich gut. Schnell spürte ich Verbesserungen. Die Distanzen meiner Ausfahrten nahmen zu. Ich war unbedarft als ich irgendwann im Mai eine kleine oberflächliche Hautabschürfung auf Höhe der Lendenwirbelsäule feststellte. Ich holte mir pflegerischen Rat und machte weiter. Die Stelle heilte allerdings nicht. Wurde irgendwann sogar schlechter und schwoll an. Eine Untersuchung brachte Klarheit. Ich musste schnellstmöglich ins Krankenhaus.
BGU Murnau – mein persönliches Bermudadreieck
Anfangs dachten wir noch, dass ich nach einem kleinen operativen Eingriff wieder heim kann. Nach spätestens zehn Tagen, aber es kam anders. Ein Keim wurde festgestellt. Mein Spontanbesuch in der Klinik verlängerte sich. Ich musste einen Monat bleiben, drei operative Eingriffe über mich ergehen lassen und befand mich wieder ihn der misslichen Bauchlage. Eine Mobilisierung aus dem Bett war möglich. Was für ein Dämpfer. Ich war wieder komplett ausgebremst und zurückgeworfen. Schon wieder. Die Erinnerungen an meine zehn Monate in der BGU Murnau kamen zurück. Die viele Warterei nach dem Triathlonunfall.
Der ungeplante Boxenstop im Liegen hatte gravierende Auswirkungen auf meinen Kreislauf und meine körperliche Konstitution. Meine behandelnde Ärztin meinte: „Sie nehmen auch alles mit, was nur irgendwie geht.“
Im Standgas durch den Sommer
Ich begann im Juni erneut gefühlt bei Null. Alles, was ich mir in der Reha erarbeitet hatte, war wieder futsch. Derzeit warte ich, dass die neue gepolsterte Rückenlehne für den Handbike-Rollstuhl endlich geliefert wird, damit das Hautdrama keine Fortsetzung nimmt. Kleine Ausfahrten mit der alten Rückenlehne musste ich schnell wieder sein lassen. Sie waren einfach zu gefährlich für die Haut und die neue Narbe. Zur Schonung musste ich immer wieder Tage im Liegen einlegen und das bei diesem Jahrhundertsommer. Meinem dritten Sommer nach dem Unfall. Im Standgas. Ohne Handbike-Ausfahrten.
Mein Masterplan
In den letzten Monaten hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Wie geht es weiter? Wie kann ich diesen Negativkreislauf nachhaltig durchbrechen? Langfristig möchte ich meinen Tag neben dem Arbeiten mit zwei bis vier Stunden „therapeutischem Training“ gestalten. Das soll möglichst in Eigenregie passieren, um so gut es geht, in Bewegung zu bleiben und um meinen Körper zu fordern. Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, mit jährlich zwei stationären Therapieblöcken in Pforzheim in den nächsten Jahren noch wesentlich mehr erreichen zu können. Meine scheinbar so fest zementierten Grenzen, deutlich zu verschieben. Das ist allerdings ohne die finanzielle Unterstützung der gegnerischen Haftpflichtversicheurng, nicht zu stemmen. Ich sehe allerdings auch keine Alternativen. Alles andere wäre Stillstand. Deshalb möchte ich im September wieder zur Intensiv-Reha. Ein ärztlicher Gutachter soll die aktuelle Situation noch im August bewerten.
Karsten Pfeifer – Burning Principles
Ich höre häufig, wie stark ich bin, wie bewundernswert ich mit dem Unfall, den Konsequenzen und den harten Einschnitten in mein Leben umgehe. Ich selbst sehe das ganz anders. Wer hinter den Vorhang blicken möchte, kann in den Posts über meine Burning Principles mehr erfahren. Ich hatte im Sommer viel Zeit zum Nachdenken. Ich freue mich darauf, mit dem Team in Pforzheim im Herbst wieder in den ersten Gang zu schalten und Gas zu geben. Denn eines ist klar.
Text: Karsten Pfeifer
Fotos: privat