Im zweiten Teil des Themenschwerpunktes „Wattmessung“ beschäftigen sich die Autoren mit den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Leistungsmesser und der Bedeutung der Datenauswertung.
Intervalle: Leistung zählt!
Neben dem Grundlagenausdauertraining muss man natürlich auch das extensive und intensive Intervalltraining bei derartigen Gedanken berücksichtigen. Intervall- und „Sweet-Spot“-Training sind während des Radtrainings viel besser über einen Leistungsmesser anzusteuern. Die Herzfrequenz als Parameter für die Beanspruchung des Körpers reagiert etwas zeitverzögert. Wenn Sie in ein Intervalltraining starten, dauert es eine kurze Zeit, bis Ihr Organismus auf die Belastung reagiert hat. Die Leistung hingegen zeigt die direkte Aktion Ihres Körpers. Wenn Sie also einen Leistungsmesser nutzen, können Sie intensive und extensive Intervalle über die tatsächliche Belastung ansteuern. Wenn Sie beispielsweise ein zwei- oder dreiminütiges Intervall im Entwicklungsbereich (EB) fahren wollen, kann es sein, dass Sie die Zielbereiche über die Herzfrequenz erst bei ca. 30–60 Sekunden erreichen. Die Leistung hingegen steigt unmittelbar in den Zielbereich an, da die Aktion ja unmittelbar über den Leistungsmesser erfasst werden kann. Gerade die intensiveren Trainingsinhalte sollten nach Möglichkeit also über die Leistung angesteuert werden. Allerdings bedeutet dies nicht im Umkehrschluss, dass die Herzfrequenz an dieser Stelle „überflüssig“ ist, denn sie gibt sehr wertvolle Informationen über die Beanspruchung des Körpers, über die Ermüdung und Ihre Form. An dieser Stelle zeigt sich also, dass es im Training niemals um die Frage „Leistung ODER Herzfrequenz“ gehen kann. So richtig wertvoll wird ein Leistungsmesser dann, wenn Sie bei der Auswertung Ihres Trainings auf beide Parameter und deren Entwicklung zurückgreifen können.
Unterschiede zum herzfrequenzgesteuertem Training
Im Gegensatz zur objektiven Wattmessung unterliegt unsere Herzfrequenz sehr unterschiedlichen Einflüssen. Kälte, Wärme, koffeinhaltige Produkte, Nervosität und viele andere Dinge haben unmittelbaren Einfluss auf die Herzfrequenz, nicht aber auf die getretene Leistung! Hier entstehen also zum Teil fatale Fehleinschätzungen die Ihr Training und den Wettkampf massiv beeinflussen können. Die Herzfrequenz ist für viele Anwendungsbereiche zu träge, unser Puls reagiert auf Belastungssteigerungen viel zu langsam, bei manchen Einheiten (Sprints und Antritten), sogar erst nach Ende der Belastung. Dieses Problem können Sie ganz einfach in einem Intervalltraining mit kurzen Sprints nachvollziehen. Kurz und knapp ausgedrückt: Die Herzfrequenz zeigt unsere Körperbelastung an, diese ist allerdings nicht immer analog, vor allen Dingen zeitlich, zu der von uns vollbrachten Leistung.
Als gutes Beispiel für den Alltag dient folgendes Beispiel: Sie wissen aus Ihrem Trainingsalltag oder Ihrem FTP-Test (dazu später mehr), dass Sie 240 Watt auf Ihrem Rennrad über mehrere Stunden locker treten können. In Ihrem Sommerurlaub wollen Sie zum ersten Mal einen Alpenpass fahren. Mit einem installierten Leistungsmesser und der Kenntnis über Ihre persönlichen Werte können Sie den Pass nun kontrolliert und entspannt hinaufkurbeln ohne Angst haben zu müssen vorzeitig einzubrechen. Fahren Sie den Pass mit der ermittelten Dauerleistung kontinuierlich nach oben. Wenn sie später Ihr Herzfrequenzprotokoll analysieren werden Sie eine Menge Abweichungen finden. Hinzu kommt, dass viele Athleten immer wieder den gleichen Fehler machen und zu schnell in den Pass reinfahren und diesem forsche Angehen am Ende Tribut zollen müssen. Ein Powermeter gibt Ihnen die volle Kontrolle über Ihr Training oder im Rennen. Denn egal wie beeinflusst Ihre Herzfrequenz an diesem Tag ist – die Wattmessung bleibt konstant unbestechlich und objektiv.
Trainingstipps
– nutzen Sie die Parameter Herzfrequenz und Leistung gemeinsam
– Grundlagentraining steuern Sie besser über die Herzfrequenz
– Intervalle lassen sich mit der Leistung genauer steuern
– nutzen Sie eine qualitativ hochwertige Auswertungssoftware
– erfassen Sie auch subjektive Eindrücke zum Training
– machen Sie sich nicht zum Sklaven der Messtechnik
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten!
Der Einsatz eines Leistungsmessers in Ihrem Radtraining kann aus unterschiedlichen Gründen Sinn machen. Zum einen lassen sich im Intervalltraining Belastungen besser ansteuern. Sie können außerdem in Ihrem Grundlagenausdauertraining je nach Ziel Einheiten über die Leistung und andere über die Herzfrequenz ansteuern. Während des Trainings zeigen Ihnen zudem die meisten Leistungsmesser viele weitere interessante Informationen an. Einige Systeme geben unmittelbar eine Rückmeldung zur Verteilung der Leistung des rechten und linken Beins. Ein ungleichmäßiges Treten wird sofort in Ihrer Anzeige sichtbar. Auch viele Rechenwerte aus der Leistung lassen sich mit modernen Radcomputern anzeigen, die Ihnen während des Trainings die Durchschnittsleistung teilweise sogar über 3, 10 oder 30 Sekunden anzeigen. So haben Sie unmittelbar während Ihrer Ausfahrt viele nützliche Informationen direkt auf Ihrem Display verfügbar. Auch zur Formüberprüfung können Sie Ihren Leistungsmesser nutzen. Beim Zeitfahren, in dem Sie über eine bestimmte Zeit die maximale Leistung treten, lässt sich direkt überprüfen, ob Sie in der Lage waren, Ihre Leistung zu steigern.
Daten interpretieren
Den größten Wert bietet Ihnen ein Leistungsmesser im Anschluss an Ihre Trainingsausfahrt. Wenn Sie noch nie mit einem Leistungsmesser gearbeitet haben, werden Sie zu Beginn von den vielfältigen Möglichkeiten nahezu überfordert werden. Neben den verschiedenen grafischen Darstellungen gibt es auch einige sehr interessante Rechenwerte, die Ihnen ein Leistungsmesser bietet. Je nachdem, ob Sie mit einem Trainer arbeiten oder nicht, müssen Sie sich an das Thema „Auswerten der Daten“ heranwagen. Empfehlenswert ist dabei das Nutzen der kostenlosen Software „Golden Cheetah“, die eine Fülle an Informationen bietet. Als Neueinsteiger auf dem Gebiet der Leistungsmessung werden Sie auf viele neue Begriffe stoßen, die Sie bislang noch nicht kannten. Ich möchte Ihnen die wichtigsten vorstellen.
Zu den bekanntesten und auch wichtigsten Parametern, die aus der Leistung berechnet werden können, gehört die normalisierte Leistung. Dieser Wert fasst die Messwerte Ihrer Trainingseinheit zusammen und glättet die Messwerte. Im Gegensatz zur Durchschnittsleistung werden bei der normalisierten Leistung jedoch die Intervalle gewichtet und in den Kontext der Trainingseinheit gesetzt. Wenn Sie beispielsweise viele harte, kurze Intervalle fahren, kann durch die Rollfahrten die Durchschnittsleistung arg abfallen, während die normalisierte Leistung besser die tatsächliche Intensität der Trainingseinheit widerspiegelt. Ein weiterer interessanter Wert für die Auswertung Ihres Trainings ist der Intensitätsfaktor, der auch Fitnessveränderungen widerspiegeln kann. Bei diesem Wert wird die eben beschriebene normalisierte Leistung in ein Verhältnis zur funktionellen Leistungsschwelle gebracht. Dies ist die maximale Leistung, die Sie über 60 Minuten treten können. Gerade Triathleten können über das Grundlagentraining ermitteln, wie sich die Leistungsfähigkeit verändert. Wenn Sie im Frühjahr eine längere Ausfahrt über 180 Watt fahren und Ihre Funktionsleistungsschwelle bei 250 Watt liegt, beträgt Ihr Intensitätsfaktor ungefähr 0,72. Wenn Sie bei derselben Fahrt im weiteren Jahresverlauf eine höhere Funktionsleistungsschwelle erreicht haben, sinkt Ihr Intensitätsfaktor.
Finale
Alleine vom Montieren eines Leistungsmessers werden Sie sicher nicht profitieren. Sie müssen sich erst einmal in die Thematik einarbeiten oder aber mit einem professionellen Trainer zusammenarbeiten. Dann kann ein Leistungsmesser auch seinen wahren Wert entfalten. Ein solches Gerät bringt Ihnen im Einzelfall nur dann etwas, wenn Sie die Daten im Nachgang auch auswerten und interpretieren können. Ansonsten bleiben die Geräte nämlich nur Datensammler ohne Mehrwert. Potenzial bieten sie vor allem dann, wenn Sie die Informationen auch in Ihre Arbeit mit einem Trainer oder in ihre persönliche Planung fließen lassen. Auch wenn die Preise für Leistungsmesser in den letzten Jahren deutlich gesunken sind, müssen Sie in der Regel mit einer Investition von 1.000–2.000 Euro rechnen. Schaut man sich die im Triathlonsport aufgerufenen Preise an, darf nicht „Carbon statt Kondition“ gelten. Das Geld für einen Leistungsmesser gehört sicherlich zu den sinnvollsten Investitionen im Triathlonsport.
Quellen: Dennis Sandig (tritime-Ausgabe 2 | 2015) und wattmessung.de