Welche Temperatur hat eigentlich das Wasser? Die Beantwortung dieser Frage – beim Abholen der Startunterlagen bringen einige Schwimmer nur ein fragendes „Neoverbot?“ heraus – hat für die meisten Triathleten im Vorfeld eines Wettkampfes oberste Priorität.
Anstatt sich jedoch in den Wintermonaten auf die Verbesserung der Technik und der Wasserlage zu konzentrieren, beginnt spätestens mit dem Aussprechen eines Neoverbotes das kollektive Klagen. www.tritime-magazin.de unterhielt sich mit Jan Sibbersen über das „schwarze Gold aus Kautschuk“.
Teil 1 des Interviews mit Jan Sibbersen!
Wenn Triathleten über die verarbeiteten Materialien, die eingebauten Gimmicks und die teilweise recht hohen Anschaffungspreisen von Neoprenanzügen diskutieren, teilen sich sehr schnell die Meinungen. Spricht jedoch ein Veranstalter ein Neoprenverbot aus, kochen die Emotionen hoch, und fast alle Triathleten sind am Jammern.
Beim Neoprenverbot schlagen bei mir persönlich zwei Herzen in meiner Brust. Natürlich ist es schade, auch für mich als Geschäftsmann, wenn gerade Triathlon-Einsteiger die vielleicht nicht so gut schwimmen können, den anstehenden Wettkampf ohne den neuen Anzug bestreiten müssen. Als Triathlet und ehemaliges Mitglied der Schwimmnationalmannschaft habe ich mich jedoch immer über das Schwimmen ohne Neopren gefreut. Bessere Schwimmer gewinnen – proportional betrachtet – mehr Zeit in der Auftaktdisziplin gegenüber der Konkurrenz, wenn ohne Neoprenanzug geschwommen wird. Am Ende gehören beiden Szenarien zu unserem Sport, und Jammern hat bisher noch niemanden schneller gemacht. Umdenken hilft auch hier: Man sollte eben auch für die Eventualität eines Neoprenverbots gewappnet sein. Und das erreicht man in erster Linie durch eine gute Schwimmtechnik. Anstatt im Winter Woche für Woche hohe Umfänge im Pool zu trainieren und im Sommer immer nur mit Neo im Freibad zu schwimmen, würde ich in den Wintermonaten den Schwerpunkt aufs Techniktraining legen. Auch wenn sich vier Kilometer Grundlagentraining auf den ersten Blick spektakulärer anhören, als einen Kilometer an Technikübungen zu feilen ‒ die Kilometerfresser vergessen zu gerne, dass gerade im Wasser sehr viel Energie unnütz vergeudet wird. Glücklicherweise nehmen gerade Einsteiger das zunehmende Angebot an Technikkursen in Anspruch. Aber auch die oft beratungsresistenten erfahreneren Triathleten können auf diesem Weg ihre Performance spürbar verbessern.
Und trotzdem mehren sich gerade bei einem Neoprenverbot die Rufe nach einer Aufhebung der Regelung. Hältst Du das für sinnvoll?
Ich glaube, dass man diese Thematik differenziert angehen muss. Es gibt klare Richtlinien der Deutschen Triathlon Union, welche zunächst einmal grundsätzlich richtig sind, denn sonst würden einige Athleten wohl auch noch bei 30 Grad Wassertemperatur mit dem Neoprenanzug schwimmen und ihren Körper gnadenlos überhitzen. Hier muss die Gesundheit der Athleten an vorderster Stelle stehen und manch einer durch ein entsprechend klares Regelwerk auch vor sich selbst geschützt werden. Andererseits gibt es immer wieder Fälle von Langdistanzveranstaltungen mit Neoprenverbot, bei denen Athleten mit Unterkühlungserscheinungen aus dem Rennen genommen werden müssen. Dies war und ist insbesondere bei älteren Teilnehmern und langsameren Schwimmern der Fall, die bis zu 2 Stunden und länger im Wasser sind. Vielleicht wäre es ein Ansatz, den Athleten der Altersklassen 55 und älter die Entscheidung über den Einsatz des Neoprenanzuges selbst zu überlassen, sofern die Wassertemperatur unter 28 Grad liegt. Im bin der festen Überzeugung, dass eine Diskussion in dieser Hinsicht geführt werden sollte.
Was sind die Big Points, die beim Kauf eines neuen Neoprenanzugs unbedingt zu berücksichtigen sind?
Ein Neoprenanzug muss in erster Linie richtig passen und bequem sein. Nichts ist schlimmer, als sich unwohl zu fühlen und unter Beklemmungsgefühlen zu leiden, den Widerstand des zu eng anliegenden Materials im Schulterbereich mit aller Kraft bekämpfen zu müssen oder sich wie ein auf der Wasseroberfläche treibender Korken vorzukommen. Eine Beratung von einem qualifizierten Verkäufer im Fachhandel, sei es online oder stationär, ist unumgänglich. Ein Testschwimmen gibt auch oftmals schnell Aufschluss darüber, welcher Anzug der richtige ist. Bereits nach wenigen Hundert Metern erkennt man erste Tendenzen, welcher Anzug zu einem passen könnte und wo gegebenenfalls Schwachstellen sind. Ein weiteres Entscheidungskriterium für die Wahl des richtigen Neoprenanzugs ist für Kurzdistanzler und Ligastarter das schnelle Ausziehen. Ein in der Umkleidekabine trockener und durch mehrfaches Anprobieren verschwitzter Testanzug verhält sich ganz anders als einer, mit dem man gerade nass und triefend in die Wechselzone läuft. Ob der Reißverschluss sich dabei von oben nach unten oder umgekehrt öffnen lässt, ist letztendlich reine Geschmacksache. Beide Versionen haben ihre Verfechter. Aber auch hier gilt: Probieren geht über studieren. Schließlich wechseln mehrere Hundert Euro den Besitzer. Glücklicherweise tragen die zahlreichen Neoprentestschwimmen in Hallenbädern und Freigewässern, die von Herstellern, Sportfachgeschäften und Vereinen organisiert werden, maßgeblich dazu bei, dass es kaum noch Fehlkäufe gibt.
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