Knapp acht Jahre ist es her, dass wir die mittlerweile 28-Jährige in der tritime (Ausgabe 1-2016, Seite 22 ff.) porträtierten. Seitdem wurde die erfolgreichste DTU-Juniorin aller Zeiten nicht nur U23-Weltmeisterin (2016), sondern auch zweimal Europameisterin (2017 und 2021) und einmal Dritte bei den Weltmeisterschaften (2020) der Elite. Darüber hinaus vertrat Laura Lindemann Triathlondeutschland bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro (2016) und Tokyo (2021). Mit der Potsdamerin unterhielten wir uns nicht nur über Tokyo, sondern auch über ihr Verbesserungspotenzial und ihren Traum, in Paris eine olympische Medaille zu gewinnen.
Mit 19 hast Du das Krafttraining als Dein größtes Verbesserungspotenzial angegeben. Gehört es jetzt zu Deinen Stärken?
(schmunzelt) Ich denke, ich habe mich auf diesem Gebiet wirklich verbessert. Seit knapp einem Jahr arbeite ich mit Tobias Herrmannsdörfer zusammen, der mir einen sehr strukturierten Plan schreibt. Ein wenig hat sich das Konzept auch verändert – es geht hauptsächlich um Prävention und unterstützendes Krafttraining.
Und wo siehst Du heute Dein größtes Verbesserungspotenzial?
In jedem Fall die Konstanz auf absolutem Spitzenniveau. Mir fällt es schwer, mich wirklich für jedes (besonders die „kleineren“) Rennen zu motivieren, vor allem, wenn so ein Wettkampf wie in Paris ansteht, das alles überragt.
Seit Ende 2015 wurde Dein Training auf die olympische Distanz ausgerichtet. Was fiel Dir im Rahmen der Umstellung am schwersten?
Das ist ja nun auch schon eine ganze Weile her. Natürlich haben sich die Umfänge und Intensitäten verändert, aber ich bin ja auch älter und kann das besser verkraften als damals. Schwergefallen ist mir das aber nicht.
Wie hälst Du Deine Motivation hoch?
Wie bereits gesagt durch meine Ziele, besonders die ganz Großen. Dann läuft alles von selbst. Mein großes Ziel für die kommenden Jahre ist, einmal Weltmeisterin zu werden, also ein ganzes Jahr zu performen.
Du trainierst schon immer in Potsdam. Warum?
Ich habe hier schlichtweg die besten Bedigungungen, und meine Familie. Ich weiß nicht, ob sich die Sicht darauf mal verändert hat, aber aktuell ist es so. Ansonsten bin ich ja auch wirklich viel in Trainingslagern unterwegs. Ich hab‘ da eine super Abwechslung.
Von schwerwiegenden Verletzungen wurdest du bislang weitestgehend verschont. Was ist Dein Geheimnis?
Ja – toi topi toi –, da habe ich wirklich Glück. Ich glaube ein wesentlicher Punkt ist dabei wirklich die Kommunikation mit dem Trainer und die Zusammenarbeit mit Athletiktrainer oder Physio. Mit Dan Lorang, Hannes Vitense und Tobis Herrmannsdörfer stehen auch Top-Profis an meiner Seite, mit denen ich immer alles zu fast jeder Zeit besprechen kann.
Wie hälst Du es mit Alternativtraining wie Klettern, Skifahren, MTB oder Trail-Running?
Früher habe ich das öfter gemacht – heute mach ich das nicht mehr so – es fehlt mir aber auch nicht mehr. Auch hier haben wir ein bisschen das Konzept verändert. Ich muss auch sagen, dass das Radfahren auch immer mehr zu meiner Lieblings-Teildisziplin wird und ist.
Zurück zu Olympia. Sind die Spiele in Rio und Tokyo für Dich überhaupt miteinander vergleichbar?
Überhaupt nicht: Fand in Rio das Einzelrennen zum Ende der Spiele statt, waren wir in Tokyo direkt am Anfang an der Reihe. Aufgrund der noch anstehenden letzten Trainingseinheiten konnten wir in Rio im Vorfeld keine anderen Wettkämpfe besuchen. In Tokyo machte uns die Pandemie einen Strich durch die Rechnung, weil wir fast unmittelbar nach dem Team-Relay wieder nach Deutschland reisten.
Und sportlich?
Meine Last-Minute-Nominierung in Rio nutzte ich als Chance, um als sehr junge Triathletin erste olympische Erfahrungen zu sammeln. Hinsichtlich Tokyo war ich im Vorfeld und im Wettkampf weitaus fokussierter, schließlich wollte ich mir mit einer herausragenden Leistung das Ziel von einer Medaille erfüllen. Den ganzen Hype um die Besonderheit dieser Olympiade versuchte ich, von mir wegzuschieben, und habe es als wichtigen Wettkampf angesehen, bei dem ich etwas erreichen möchte.
Deinen Traum konntest Du Dir nicht erfüllen. Wie enttäuscht bist Du heute noch?
Der Vorsatz, dass ich im Wettkampf alles für den Gewinn einer Medaille tun werde, war tief in mir verwurzelt. Und das habe ich auch entsprechend umgesetzt. Das Schwimmen war eines meiner härtesten Rennauftakte in meiner Karriere. Ich bin wirklich sehr gut geschwommen, hing an keinen Füßen und gestaltete das Rennen vorne aktiv mit. Beim Schwimmausstieg merkte ich bereits, dass es schon etliche Körner gekostet hatte. Und so ging es auch weiter. Hätte ich nicht das Ziel Medaille gehabt, wäre ich eventuell auch aus der Spitzengruppe herausgefallen. Ich war wirklich sehr am Limit, um mit den anderen Mädels überhaupt mithalten zu können. Aber das war jetzt diese eine Chance, und in der ersten Gruppe zu fahren, ist der einzige Weg in Richtung Podium. Dies war wirklich alternativlos. Ich glaube, dass ich beim Radfahren alles richtig gemacht habe, alles gegeben habe. Bereits auf den ersten Laufmetern spürte ich, dass ich sehr viel Energie beim Radfahren investieren musste, und versuchte dann, das Beste aus der Situation zu machen. Leider war nicht mehr als der achte Platz drin.
Vor dem Hintergrund, dass ich bei den ersten beiden Disziplinen ganz vorne dabei war, zeigte mir der weitere Rennverlauf auch auf, dass ich im Training noch härter zu mir selbst sein muss, um das Laufen entscheidend mitgestalten zu können. Es ist ja nicht so, dass ich eine Laufschwäche habe – laufen an sich kann ich ja –, aber diese Erkenntnisse in der Trainingssteuerung zu berücksichtigen, sollte für mich und mein Team nicht die große Schwierigkeit sein. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, das braucht seine Zeit, und von daher schaue ich hochmotiviert in Richtung Paris.
Immerhin wurde Dir ein olympisches Diplom zugesandt!
Mir war schon bekannt, dass vom IOC für die Plätze vier bis acht olympische Diplome verliehen werden, aber es war mir nie so präsent wie die Medaillen. Außerdem findet es in der deutschen Berichterstattung keinerlei Erwähnung, ganz im Gegensatz zu anderen Nationen. ABER, das olympische Diplom ist etwas Besonderes, es ist eine extra Anerkennung für die Leistung „Top 8“. Ich gebe zu, es hat in mir etwas ausgelöst, es einfacher gemacht, meine erste Enttäuschung über das Ergebnis und den geplatzten Traum einer Medaille zu verarbeiten. Wenn ich das Diplom in der Hand halte, hilft es mir, den achten Platz mehr zu akzeptieren: Hey, ich bin Achte geworden, das ist doch gar nichts Schlechtes, für das ich mich schämen muss. Außerdem ist es ein weiterer Motivationsschub für Paris 2024.
Ausblick Paris 2024
Was waren in Rio de Janeiro und Tokyo die für Dich bislang schönsten Olympiamomente?
In Rio dabei zu sein und es fast in die Spitzegruppe geschafft zu haben. In Tokyo, dass ich bis fast zum Schluß dabei war und weiß, dass ich es kann.
Bereits im letzten Jahr sichertest Du Dir einen von drei DTU-Startplätzen für Paris. Wie gehst Du – als Medaillenhoffnung – mit Leistungsdruck um, von außen, aber auch von Dir selbst?
Ich kann nur machen, was ich machen kann – so einfach und schwer ist es. Den Druck habe ich selbst am Stärksten, und ich versuche alles so umzusetzen, dass ich sagen kann: mehr war nicht zu machen
Arbeitest Du in diesem Zusammenhang mit einem Mentaltrainer zusammen?
Ja – aber nur punktuell. Das witzige ist, dass am Ende dasselbe rauskommt, wie ich es mir immer denke, nur auf den Punkt gebracht.
Am 31. Juli erfolgt die Startsirene für das Einzelrennen der Damen. Mit welcher Erwartungshaltung stehst Du in Paris an der Startlinie? Unterscheidest Du dabei zwischen Minimal- und Maximalziel?
Ich hatte schon beide Rennen im letzten Jahr an gleicher Stelle. Die Ergebnisse damals spiegeln eins zu eins meine Erwartungen wieder.
Welcher Rennverlauf in der Vergangenheit gibt Dir für Paris die meiste Motivation, oder ist die Teilnahme selbst der allergrößte Ansporn?
Ganz eindeutig, das letztjährige Quali-Rennen in Paris.
In Paris finden die Triathlonrennen in der ersten Hälfte der Spiele statt. Somit bleibt genügend Zeit, Entscheidungen in anderen Sportarten vor Ort zu verfolgen. Auf welche freust Du Dich da am meisten?
Oh – ich habe da noch nichts geplant. Ich glaub,e wir müssen dann ja auch ziemlich schnell raus aus dem Olympischen Dorf. Die Radrennen interessieren mich schon, und die Leichtathletik allgemein. Mal sehen was da klappt
Letzte Frage: Wann hast Du zum letzten Mal etwas richtig Verrücktes oder Unvernünftiges gemacht?
Das hört sich jetzt richtig blöd an: ich war bei Konzerten von Marie Bothmer und Nina Chuba in Berlin. Ich hatte da schon schlechtes Gewissen, weil da alles so eng ist und so viele Leute. Beim Marie Bothmer Konzert wartete dann auch prompt die Dopingkontrolle auch mich.
Interview: Klaus Arendt
Fotos: World Triathlon