Ursprünglich wollte Jonas Schomburg Lehrer werden, doch sein Berufsweg verlief anders als geplant. Der 30-Jährige verdient als Berufssoldat und Profitriathlet seinen Lebensunterhalt. Bei seiner Olympiapremiere vor drei Jahren in Tokyo bremste den 1,90 Meter großen Modellathleten ein Sturz beim Radfahren in aussichtsreicher Position aus. Als 38. im Einzelrennen blieb er somit weit hinter seinen eigenen Erwartungen zurück. Mit dem sechsten Platz im abschließenden Mixed Relay endeten die Sommerspiele dann doch noch versöhnlich.
Jonas, Du warst noch ein Kind, als Du Deinen ersten Triathlon absolviertest …
… oh, das ist lange her. Ich glaube, das war im Alter von zehn Jahren, gemeinsam mit meinem Bruder.
Was hast Du von Deinen Eltern fürs Leben mitbekommen?
Meiner Mutter ist immer wichtig, dass ich glücklich bin. Und wenn man glücklich ist, kann man auch Leistung bringen. Das ist für mich das Wichtigste. Mein Vater – den sehe oder höre ich ja jeden Tag. Er macht mein ganzes Training, brachte mich zum Triathlon, begleitet mich. Er ist schon eine wichtige Stütze für mich. Er ist immer da.
Was hast Du als Sportsoldat gelernt, das Dir beim Sport hilft?
(schmunzelt) Das frühe Aufstehen.
Welchem Beruf würdest Du nachgehen, wenn es im Triathlon nicht geklappt hätte?
Wahrscheinlich wäre ich Lehrer, ich habe ja Sport und Englisch studiert. Aber ob das wirklich was würde … In Südafrika habe ich auch noch mit „Economics“ angefangen. Also das wird schwer …
Wo liegen Deine persönlichen Stärken?
Ich bin ausgeglichen und spontan in jeder Lebenslage und ziemlich offen für alles.
Und beim Triathlon?
Bei kurzen Distanzen bin ich ganz gut im Schwimmen. Und ich gehe gern in die Offensive, das ist meine Renntaktik.
Wo liegen Deine persönlichen Schwächen?
Ich bin ungeduldig – also großes Warten macht mich manchmal wahnsinnig. Vor allem während der Corona-Zeiten. Triathlonspezifisch sind manchmal große Schwankungen da. Mir fehlt noch die Konstanz.
Und wie chillst Du?
Ich bin kein großer Leser, aber auch kein großer Filmegucker. Serien mag ich auch nicht so. Größtenteils schlafe ich einfach. Manchmal schlafe ich sogar zweimal am Tag, mache gerne Siesta. Sogar im Flugzeug. Bevor es losgeht, bin ich schon weg. Eingeschlafen.
Was ist Dein größtes Laster?
Ich bin ziemlich ehrgeizig, nie so richtig zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Selbst dann, wenn ich ein gutes Rennen absolviert habe, suche ich immer noch etwas, das vielleicht nicht so gut lief …
Gibt es Dinge, auf die es Dir besonders schwerfällt, zu verzichten?
Wenn meine Familie Urlaub hat, dann trainiere ich meistens. Und wenn ich Urlaub habe, müssen die arbeiten. Wenn mein Bruder zum Beispiel beim Kitesurfen ist, kann ich leider nicht mit, obwohl ich das total gerne mache. Das ist dann wirklich blöd. Außerdem sind diese Hobbys natürlich auch verletzungsanfällig, also ein Risiko weniger, wenn ich es lasse.
Was macht Dich wütend?
Warten. Und anstehen. Da bin ich einfach nicht so gut drin.
Wann hast Du zum letzten Mal etwas richtig Verrücktes oder Unvernünftiges gemacht?
Das ist lange her. In letzter Zeit bin ich ziemlich vernünftig.
Du bist schon viel in der Welt rumgekommen. Welches Land hat Dich besonders fasziniert?
In Südafrika lebte ich ja etwas länger, da würde ich gerne wieder hin. Wegen Corona war ich viel zu lang nicht mehr dort, ist schon ein paar Jahre her. Durch die Kriminalität muss man zwar ein bisschen aufpassen, aber in Südafrika war ich immer glücklich. Da kann man alles machen: surfen, Trails laufen, mountainbiken. Und die Menschen sind supernett.
Rückblick Tokyo
Was für einen Eindruck hat Japan auf Dich gemacht? Was bleibt Dir in Erinnerung?
Viel haben wir aufgrund der Corona-beschränkungen nicht gesehen, wir waren ja im olympischen Dorf und sind dann immer zu den Trainingsstätten hin- und wieder zurückgefahren. Aber ich kannte es ja schon ein wenig von früheren Wettkämpfen. Japan ist ein ordentliches Land, alles super organisiert, und die Menschen sind sehr freundlich.
Was war für Dich der schönste Moment bei den Olympischen Spielen in Tokyo?
Das Staffelformat, die Gemeinschaft – es ist was anderes, als wenn man nur für sich selber kämpft. Wir haben einen guten Wettkampf absolviert und konnten vorne mitmischen, das war toll.
Du hast in Tokyo Dein Ziel im Einzelrennen nicht erreicht. Was ärgert Dich am meisten?
Der Sturz. Ich war sehr gut vorbereitet, und es ist gut gelaufen. Das nervt. Aber es bringt ja nichts, ständig darüber nachzudenken. Ich kann es nicht rückgängig machen und habe nach einem kurzen „Augenblick der Trauer“ nach vorne geschaut.
Was motiviert Dich, was treibt Dich an?
Damals wie heute: Olympia. Und somit stand bereits vor drei Jahren das nächste Ziel fest, Paris 2024.
Ausblick Paris
Vor wenigen Wochen sichertest Du Dir über das Punkteranking den dritten DTU-Startplatz für Paris. Wie herausfordernd war die Qualifikationsphase?
Ich bin zuversichtlich und optimistisch in die neue Saison gestartet. Nach der Winterpause und einer längeren Zeit ohne Wettkämpfe habe ich mich auf neue Herausforderungen gefreut. Die Chance auf ein zweites Mal Olympia motivierte mich natürlich zusätzlich.
Du lebst und trainierst nicht an einem Olympiastützpunkt in Deutschland, sondern in einer internationalen Squad. Wie kam es dazu? Und wie herausfordernd ist es, die die unterschiedlichen Trainingspläne der Mitstreiter im Tagesablauf unter einen Hut zu bringen?
Ich wohne nach wie vor in Hannover. Dort werde ich am OSP sehr gut betreut. Die kennen mich von klein auf. Einer festen Trainingsgruppe gehöre ich momentan nicht an. Nach all den Jahren habe ich jedoch gute Kontakte innerhalb der Triathlon-Szene.
Die meisten Jugendlichen nabeln sich nach der Schulzeit und mit Beginn der Ausbildung step by step vom Elternhaus ab. Du hingegen hast nahezu jeden Tag Kontakt zu Deinem Vater, der Dich trainiert. Erzähl mal, wie funktioniert das auf so lange Zeit, und ganz ohne Spannungen?
In meiner Kindheit sind wir zusammen mit der Familie oft gesegelt. Das hat uns sicherlich eng zusammengeführt. Das heißt nicht, dass wir uns nicht abgenabelt haben. Seit dem letzten Jahr ist mein Vater wieder mein Trainer. Das klappt.
Am 30. Juli erfolgt die Startsirene für das Einzelrennen der Herren statt. Wie sieht Dein Fahrplan bis zu Deinem zweiten Olympiastart aus? Welche Trainingsmaßnahmen und Wettkämpfe stehen bis dahin auf dem Programm?
Anfang Juni habe ich – nach einer kurzen Erholungspause – mit der unmittelbaren Vorbereitung begonnen. Mein nächster Wettkampf ist das olympische Rennen in Paris. Aktuell trainiere ich gemeinsam mit Tim Hellwig in die Höhe von St. Moritz.
Mit welcher Erwartungshaltung stehst Du in Paris an der Startlinie? Unterscheidest Du dabei zwischen Minimal- und Maximalziel?
Ich freue mich einfach, dass ich ein zweites Mal bei den olympischen Spielen an den Start gehe.
Wie gehst Du mit Leistungsdruck – von außen, aber auch von Dir selbst – um? Arbeitest Du mit einem Mentaltrainer zusammen?
Die Bedeutung mentaler Stärke ist im Leistungssport unumstritten. Ich habe über die Jahre optimiert, was mir persönlich hilft, um meinen selbst gewählten Weg zu gehen.
Im Gegensatz zu Tokyo finden die Triathlonrennen in der ersten Hälfte der Spiele statt. Somit bleibt genügend Zeit, Entscheidungen in anderen Sportarten vor Ort zu verfolgen. Auf welche freust Du Dich da am meisten?
Am meisten freue ich mich auf das Zusammentreffen mit anderen Nationen im olympischen Dorf. Leichtathletik und Schwimmen interessieren mich besonders, weil es auch meine Disziplinen sind. Aber mitfiebern werde ich natürlich auch bei anderen Entscheidungen.
Interview: Tabitha Bühne (Teil 1) und Klaus Arendt
Fotos: DTU/Jörg Papenfuß, World Triathlon und Armin Schirmaier (Empfang Bitburger 0,0%)