Erinnern Sie sich an die legendäre Wutrede von Giovanni Trapattoni vom 10. März 1998? Übertragen auf den Ausdauersport, zeigt der Halbsatz „waren schwach wie eine Flasche leer“ sehr eindrucksvoll, welche Auswirkungen eine unzureichende Energiebereitstellung auf die Leistungsfähigkeit im Training und Wettkampf haben kann. Vor diesem Hintergrund gehe ich im Folgenden auf die Möglichkeiten der Leistungsphysiologie ein, also auf die Energiegewinnung durch eine optimale Ausschöpfung des eingeatmeten Sauerstoffs in Verbindung mit der Verstoffwechslung der vorhandenen Kohlenhydrate und Fette.
AEROBE und ANAEROBE GRUNDLAGEN
Es ist hinlänglich bekannt, dass die Energie für die Muskelaktivität durch die Verbrennung von Kohlenhydraten und Fetten gewonnen wird. Im aeroben System wird die gewonnene Energie für die langsam zuckenden und ausdauerleistungsfähigen Slow-Twitch- oder Typ-I-Muskelfasern überwiegend aus Fetten rekrutiert. Wenn aufgrund höherer Belastungen und Intensitäten der zusätzliche Sauerstoffbedarf durch Einatmen der Umgebungsluft nicht mehr ausreichend gedeckt wird, schaltet der Organismus auf den anaeroben Stoffwechsel um, indem er für die schneller arbeitenden Muskelfasern des Typs II zunehmend Energie aus Kohlenhydraten gewinnt. Dabei fällt Laktat an, ein Endprodukt der Glykose, das im oxidativen Stoffwechsel unter Zuhilfenahme von Sauerstoff weiter verstoffwechselt wird. Je mehr Sauerstoff ein Sportler hingegen aufnehmen kann, desto mehr kann das angefallene Laktat auch abgebaut werden. Insofern behält der altbekannte Spruch „Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate“ seine Berechtigung. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass bei steigender Laktatkonzentration im Blut auch der Bedarf an Kohlenhydraten steigt. Und die Speicher für Letztere sind – ganz im Gegensatz zu denjenigen für Fetten – stark limitiert. Dies berücksichtigend, stehen im Rahmen der Leistungssteigerung drei Stellschrauben im Fokus:
- Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max)
- Optimierung der maximalen Laktatbildungsrate
- Auffüllen der verbrauchten Kohlenhydratspeicher
VO2MAX
VO2max steht im Ausdauersport für die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit. Dieser Wert zeigt an, wie viel Sauerstoff ein Athlet innerhalb einer bestimmten Zeit aufnehmen kann und ist somit ein wichtiger Indikator für die Bewertung der aeroben Leistungsfähigkeit. Die „Größe unseres Motors“ hängt nicht nur von der Sauerstoffaufnahme der Lunge ab, sondern auch von den Transportmöglichkeiten im Blut sowie dem Verbrauch in den Organen und der Muskulatur. Darüber hinaus wirken sich Geschlecht, Gewicht und die Körperstatur auf den individuellen VO2max aus. Mit einem hohen Wert kann also mehr Sauerstoff im Körper umgesetzt und somit auch anfallendes Laktat in Energie verstoffwechselt werden. Und genau darauf zielt das Training ab, denn es verbessert auch die periphere Durchblutung der Skelettmuskulatur bis in die Kapillargefäße. Erreicht wird dies immer noch am „sichersten“ im Grundlagenausdauerbereich. Ein positiver Nebeneffekt des „langsamen und somit auch wenig verletzungsträchtigen Trainings“ ist, dass durch „ein Mehr an Sauerstoff“ sich nicht nur die Menge an durch Fett gewonnener Energie steigern lässt, sondern es langfristig den Athleten auch schneller macht.
Trainingsempfehlung zur Steigerung der VO2max
- hohe Trainingsumfänge bei niedriger Intensität im Grundlagenausdauerbereich
- Intervalle mit hoher Intensität: 40 Sekunden High Intensity, 20 Sekunden aktive Erholung
- Intervalle mit einer maximalen Dauer von bis zu 8 Minuten (in Abstimmung mit dem Trainer)
VLamax
Stand früher im Zusammenhang mit Laktat die Bestimmung der anaeroben Schwelle und die Verschiebung dieser im Vordergrund, steht mittlerweile die maximale Laktatbildungsrate VLamax im Fokus der Trainer. Während ein hoher VO2max-Wert sowohl auf der Kurz- als auch auf der Langdistanz erstrebenswert ist, muss man die Laktatbildungsrate differenziert betrachten. Ist diese sehr hoch, setzt sie den Fettstoffwechsel herab, was auf der Mittel- und Langdistanz nicht erstrebenswert ist. Die benötigte Menge an Kohlenhydraten kann ein Triathlet im Verlauf von bis zu 14 Stunden gar nicht zuführen. Athleten auf den Sprint- und Kurzdistanzen hingegen profitieren von einem hohen VLamax, insbesondere bei kurzen, harten Antritten und „ausdauernden Sprints“. Kein Wunder, dass jene mit einem Formel-1-Boliden verglichen werden, während sich Mittel- und Langdistanzler eher wie ein Diesel fühlen. Für ein optimal ausgerichtetes Energiemanagement im Wettkampf ist dieser Effekt allerdings auch so gewünscht. Kein Wunder, dass sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten immer mehr Spitzenathleten zwischen dem vollen Fokus auf die Kurz- oder auf die Langdistanz entscheiden mussten. Durch die jüngsten Erfolge von Kristian Blummenfelt und Gustav Iden scheint ein Trend zurück zum „universellen Triathleten“ zu entstehen.
Trainingsempfehlung zur Reduktion der VLamax
- regelmäßiges Training (mit niedrigen Kohlenhydratspeichern)
- keine hohen Intensitäten
- Kraftausdauertraining
- Mischstoffwechseltraining im GA-1-/GA-2-Übergang)
LEISTUNGSDIAGNOSTIK
Eine gut durchgeführte Leistungsdiagnostik zeigt wichtige Erkenntnisse zum aktuellen Leistungszustand eines trainierten Sportlers auf. Die verschiedenen Verfahren liefern dann gute Ergebnisse, wenn die Tests mit gut gewarteten Geräten und sauberer Methodik durchgeführt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse unterschiedlicher Verfahren und Messmethoden nicht immer direkt miteinander zu vergleichen sind. Auch spielt es eine Rolle, ob Sie den Test auf dem Rad-Ergometer oder auf dem Laufband durchführen. Grundsätzlich sollten Folgetests zur Bestimmung der Leistungsentwicklung bei ein und demselben Anbieter durchgeführt werden. Die Deutsche Triathlon Union arbeitet an einer Auflistung der Institute, welche die Qualitätskriterien der DTU einhalten. Offene Fragen lassen sich in den Instituten vorab meist direkt klären.
Text: Mario Schmidt-Wendling
Foto: Klaus Arendt