Training: Was ist das eigentlich?

Radtraining: Bergintervalle
Radtraining: Bergintervalle

Training umschreibt in seiner ursprünglichen Form ein systematisch geplantes Handeln mit dem Ziel einer Leistungssteigerung. Vergleichbar mit einem Projekt oder Geschäftsprozess mit einem festgelegten Anfang und zeitlich definierten Endpunkt liegt es am Sportler, in diesem Zeitrahmen alle relevanten Fähigkeiten zu konditionieren, um am Wettkampftag in bestmöglicher körperlicher und mentaler Verfassung an der Startlinie zu stehen.

Während die Freigabe eines IT-Projektes oder die Fertigstellung eines Gebäudes um ein paar Wochen – manchmal auch Jahre – verschoben werden kann, ist das im Wettkampfsport nicht möglich. Die Veranstalter nehmen keine Rücksicht auf die Athleten, welche am Tag X nicht fit sind. Die Rennen werden, wie ausgeschrieben, pünktlich gestartet. Damit Sie sich gut vorbereitet auf den Startschuss freuen können, möchte ich Sie an dieser Stelle mit den wichtigsten Grundlagen der Trainingslehre vertraut machen.

SUPERKOMPENSATION

Seit rund 50 Jahren ist in der Trainingslehre das Prinzip der Superkompensation etabliert. Hierbei geht es um die Erklärung des Zusammenhangs zwischen der Beanspruchung des Körpers und der daraus abgeleiteten Wirkung. Training bedeutet bewusst kalkulierten Stress, der den menschlichen Organismus aus dem Gleichgewicht bringen soll, um ihn auf eine vergleichbare Anstrengung in der Zukunft vorzubereiten. Dieses „Gewappnetsein“ bezeichnet man allgemein als Leistungssteigerung, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um ein einmaliges Ereignis.

Die Zielsetzung der Superkompensation ist es, aufzuzeigen, dass durch eine intelligente und im richtigen Verhältnis geplante Be- und Entlastung eine systematische Leistungssteigerung – im ungünstigsten Fall auch ein Leistungseinbruch – erzielt werden kann. Die Herausforderung dieser in der Theorie und allgemeinen Betrachtungsweise stimmigen und recht simplen Vorgehensweise sind die unterschiedlichen Anpassungsreaktionen in dem sehr komplexen Umfeld „Organismus“. Jeder Sportler reagiert auf „Eingriffe“ in das gewohnte Zusammenspiel auf muskulärer Ebene, in neuronalen Strukturen, im Herz-Kreislauf-System und in der Biochemie unterschiedlich und unterschiedlich schnell. Nicht zu vernachlässigen, sind in diesem Zusammenhang auch das Geschlecht, die Muskelfaserverteilung, die maximale Sauerstoffaufnahme, Körpergewicht und Größe sowie viele weitere Parameter, die bei der „Bestimmung der Superkompensationskurve“ durch den individualisierten Trainingsplan von großer Bedeutung sind.

PERIODISIERUNG

Was bei IT- und Bauprojekten die Projektphasen und Meilensteine darstellen, sind bei der Trainingsplanung die Periodisierung und Leistungstests beziehungsweise Aufbauwettkämpfe. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang meist auf die Base-, Build- und Prep-Phase hingewiesen, in denen – mit Hinblick auf den Saisonhöhepunkt – die Trainingsinhalte festgelegt werden. Die Voraussetzung für den Erfolg ist jedoch die Flexibilität in der Vorgehensweise und bei den einzelnen Einheiten. Nicht nur aufseiten des Athleten, sondern auch aufseiten des Trainers. Eine zu starre und dogmatische Planung und auch Umsetzung kann nicht zielführend und erfolgversprechend sein, schließlich säumen zu viele Unwägbarkeiten den Weg:

– Lassen es die Lebensumstände wie Anforderungen in Beruf, Familie und privatem Umfeld dauerhaft zu, das Training wie geplant umzusetzen, ohne zusätzlichen Stress zu erzeugen?
– Bleibt der Sportler gesund und verletzungsfrei?
– Zeigt der Athlet die gewünschten Anpassungsreaktionen? Und in welchem Zeitraum?
– Spielt das Wetter mit, um die notwendigen Volumina auch ohne Risiko draußen absolvieren zu können?
– Lässt sich der Triathlet durch Artikel in den Fachmedien, Blogs und Empfehlungen der Profis sowie durch die Ratschläge der Trainingsbuddies beeinflussen?

Um all dies zu berücksichtigen, bedarf es einer regelmäßigen Kommunikation – idealerweise auf Wochenbasis – zwischen Athleten und Trainern, um gegebenenfalls die ursprünglich geplante Strategie anzupassen, zusätzliche Ruhephasen einzubauen, dem Athleten ins Gewissen zu reden und die Daumenschrauben anzuziehen oder eine Schippe an Umfängen oder Intensitäten draufzupacken.

Sie sehen, Training ist ein dynamischer Prozess und kein starres Konstrukt. Die Verwebung von Theorie und Praxis sowie die Berücksichtigung aller äußeren Einflüsse und Unwägbarkeiten macht das individuell ausgerichtete Training und die Zusammenarbeit mit zielorientierten Athleten für mich als Personal Coach so spannend.

Text: Mario Schmidt-Wendling
Foto: Armin Schirmaier