Fettverbrennung und Training

Es grenzt schon fast an ein Mysterium, wenn Athleten, Trainer und Kolumnisten sich mit dem Thema Fettstoffwechsel beschäftigen. Aus dem Mysterium wird eine Art „Glaubenskrieg“, wenn es um die Wirkung einzelner Nahrungsmittel oder ganze Ernährungsformen geht. Von Low Carb bis High Carb reicht das Kontinuum der Meinungskrieger, von denen jeder für sich die Deutungshoheit über den Fettstoffwechsel reklamiert. Leistungsdiagnostik, Stoffwechselmodellierung und die vielen kleinen Fehler, die sich zu einem Puzzle weiterer Irreführungen zusammenfügen, machen das Chaos im Kopf komplett. Für Experten wie Björn Geesmann, Dr. Sebastian Röseler (geb. Zeller) oder Mario Schmidt-Wendling sind diese Schwierigkeiten Teil ihres Alltags bei der Arbeit mit Triathleten aller Leistungsklassen.

FETTSTOFFWECHSEL und FETTVERBRENNUNG

Mitte Juli erschien ein Kommentar bei Focus Online, bei dem versucht wurde, Jan Frodenos Ausstieg in Roth einzuordnen. Der Autor wurde als erfahrener Sportjournalist vorgestellt, und doch zeigte der Artikel vor allem eines: Unkenntnis zu den Besonderheiten des Triathlons und der Optimierung des Fettstoffwechsels. Profisportler tragen die Verantwortung, zu zeigen, dass der Körper Energie benötigt, heißt es da. Das mag auf den ersten Blick trivial erscheinen, und doch stellt sich direkt die Frage, wie das im Training oder im Rennen gezeigt werden kann. Das Posten einer Käse-Sahne-Torte im Trainingslager oder eines Eisbechers in Girona könnte entlastend wirken. Herausgehoben wird in dem Beitrag aber insbesondere ein Zitat von Jan: „Zum Frühstück gibt es einen Espresso. Mehr nicht.“ Dieser Satz wirkte auf den Focus-Kommentator als Warnung. Zwar erklärt Frodeno, dass dies die „mit Abstand beste und effektivste Form der Fettverbrennung ist“. Erstaunt fragt sich der Autor des Artikels, wieso ein Mann, der Tausende Kalorien verbrennt, über Fettverbrennung nachdenke, er sei schließlich dünn und austrainiert. Wir stellen fest: Fettverbrennung ≠ Abnehmen. Dem Verfasser des hier kritisierten Kommentars ist angeraten, sich noch einmal mit der Materie zu beschäftigen.

Als Sportwissenschaftler oder Ernährungswissenschaftlerin reibt man sich verwundert die Augen und sieht sich direkt mit einem der einfachsten und doch so komplizierten A-priori-Denkfehler rund um das Ausdauertraining konfrontiert. Dass Fettstoffwechsel und Fettverbrennung in keinem Zusammenhang mit Gewichtsreduktion stehen, ist keine neue Erkenntnis. Es lässt sich in einer Vielzahl von Büchern und Artikeln nachlesen und mit einem Grundverständnis biologischer und physiologischer Abläufe nachvollziehen. Wir starten den Versuch, die Vorstellungen zu einem grundlegenden Thema des Ausdauermehrkampfes zu strukturieren.

FETTSTOFFWECHSEL: VON OPTIMAL ZU MAXIMAL

Triathlon ist eine der wenigen Sportarten, die eine unfassbar große Bandbreite an ausdauerdominierten Belastungen bieten. Vom kleinen Volkstriathlon über den Olympischen Triathlon mit Team Relay und den Rennen vom World Triathlon und von den Continental Cups bis zur Mittel- und Langdistanz als Daylight-Finisher oder als Profi. Eine Einordnung des Fettstoffwechsels ohne Berücksichtigung der Leistungsklassen und Renndistanzen ist nicht möglich. Dass die Makronährstoffe „Kohlenhydrate“ und „Fett“ als zentrale Energielieferanten die Basis für Ausdauerleistungen bilden, ist bekannt. Fett ist als großer Energiespeicher nicht nur als Unterhautfettgewebe sichtbar, sondern ist auch im Bereich der Organe gespeichert. Als „freie Fettsäuren“ findet man die Transportform des Energieträgers im Blutplasma. Die im Körper gespeicherte Energie aus Fett würde rechnerisch je nach Größe, Gewicht und Trainingszustand ausreichen, um zwei bis drei Marathonrennen zu bestreiten. Physiologisch können Fette nur unter Einbindung von Sauerstoff in Energie umgewandelt werden. Wer schon einmal einen Marathon absolviert hat, spürt spätestens zwischen Kilometer 30 und 40, dass die Kohlenhydratspeicher im Gegensatz zum Fett „endlich“ sind. Der „Mann mit dem Hammer“ hat schon so manchen Läufer in die Knie gezwungen, beziehungsweise zumindest die Laufgeschwindigkeit deutlich gebremst. Als erste Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen halten wir fest, dass der optimale Fettstoffwechsel ein Schlüssel dafür ist, Kohlenhydrate bei Langzeitausdauerbelastungen einzusparen. Ein höherer Energiezufluss aus Fetten geht mit einer geringeren Entleerung der Kohlenhydratspeicher einher.

KOHLENHYDRATE: DIESEL UND TURBO

Eine besondere Eigenschaft der Kohlenhydrate ist, dass ihre Aufspaltung sowohl unter Einbindung von Sauerstoff (aerob) als auch gänzlich ohne Sauerstoff (anaerob) erfolgen kann. Während die aerobe Verstoffwechselung von Kohlenhydraten in den unteren Belastungsbereichen dominiert, steigt der Anteil der anaeroben Belastung mit zunehmender Intensität der Bewegung an. Ein an dieser Stelle immer noch weit verbreiteter Irrtum ist, dass die stärkere Beteiligung der anaeroben Verstoffwechselung von Kohlenhydraten durch das zunehmende „Fehlen“ von Sauerstoff bedingt ist. Richtig ist hingegen, dass Kohlenhydrate, unter anaeroben Bedingungen als Energiequelle genutzt, deutlich mehr Energie pro Zeiteinheit generieren. Je höher die Intensität, desto mehr Energie muss pro Zeiteinheit herangezogen werden, um die höhere Leistung oder Geschwindigkeit aufrechterhalten zu können. Das dabei entstehende „Laktat“ ist keineswegs, wie oft fälschlicherweise zu lesen ist, ein „Stoffwechselendprodukt“, das zum Belastungsabbruch führt. Vielmehr kann es, insbesondere in Sportarten mit hohem intensiven Belastungsanteil, selbst zur Energiegewinnung herangezogen werden. Ab der Mitteldistanz wird das allerdings zum Grenzgang. Die anaerobe glykolytische Energiegewinnung findet primär in den „schnellen“ Typ-II- und Typ-IIa-Muskelfasern statt. Ein dauerhaft hoher Anteil intensiver Trainingsbelastungen hat negative Auswirkungen auf den Fettstoffwechsel. Eine hohe Laktatbildungsrate wirkt wie ein „Bremsfallschirm“ für den Fettstoffwechsel. Kurze Belastungen um und unterhalb der olympischen Distanz sind hingegen auf einen hohen Anteil anaerober angewiesen. In der Team Relay und bei den Sprint-Distanzen der WTCS zählen die ersten Meter des Anschwimmens, sind eine hohe Anzahl von Antritten um 1.000 Watt zu erzeugen und ein Sprint aus der Spitzengruppe ist keine Seltenheit. Der Fettstoffwechsel und die Kohlenhydrat-Utilisation sind hier ein fein ausgewogenes Spiel, bei dem das Pendel sorgsam ausgerichtet sein will. Kürzere Distanzen sind auch im Freizeitsport nicht durch den Fettstoffwechsel limitiert. Es geht dabei nicht um die Maximierung des Fettstoffwechsels, sondern um einen „Optimaltrend“.

LANGDISTANZ UND FETTSTOFFWECHSEL

Bei der Langdistanz ist ein maximaler Fettstoffwechsel bei gleichzeitig niedriger Laktatbildungsrate das Ziel der Trainingsplanung. Dabei gibt es unterschiedliche Wege, dieses Ziel zu erreichen. Trainingsformen mit einer hohen Fettflussrate sollen helfen, den Fettstoffwechsel zu verbessern. Bezogen auf das „Session Design“ – also die Gestaltung der einzelnen Trainingseinheiten – werden die folgenden Strategien empfohlen:

  • Training bei der Intensität der höchsten Fettflussrate, wobei diese auf Modellrechnungen oder Messungen per Spiroergometrie basierend herausgefunden werden soll
  • lange Trainingsfahrten ab vier Stunden
  • Training ohne Kohlenhydratzufuhr
  • Training mit vorentleerten Kohlenhydratspeichern
  • Training nüchtern am Morgen ohne Nahrungsaufnahme, gegebenenfalls unterstützt durch einen Espresso, da Koffein erwiesenermaßen den Anteil freier Fettsäuren im Blut steigern kann

Im Ergebnis kann man an dieser Stelle schon jetzt aufgrund der Studienlage festhalten, dass trainierte Athleten mit vorentleerten Kohlenhydratspeichern die größtmögliche Fettflussrate erzeugen. Aber Achtung: vorentleert bedeutet nicht „ohne“ Kohlenhydrate. Eine daraus resultierende Verbesserung von Ausdauerleistungen konnte bislang jedoch nur in Ansätzen nachgewiesen werden.

NÜCHTERNTRAINING: ANNAHME UND WIRKLICHKEIT

Eine geringe Kohlenhydratzufuhr erhöht die Fettoxidationsrate. Die Zufuhr von Kohlenhydraten per Getränk oder Nahrung reduziert unmittelbar die Fettflussrate. Dass dies die optimale Trainingsform zum Steigern der Fettverbrennung darstellt, scheint sich in der Realität nicht zu bestätigen. Studien mit Training unter nüchternen Bedingungen versus Training nach einem standardisierten Frühstück konnten in der Mehrzahl keine Steigerung der Fettflussrate feststellen. Allerdings werden in den Trainingsgruppen, die nüchtern trainierten, Veränderungen bei anderen Indikatoren des Fettstoffwechsels festgestellt. Fettmax – also der Belastungsbereich der höchsten Fettverbrennung – konnte gesteigert werden, und gleichzeitig blieben der Muskelglykogengehalt in Ruhe und die Blutglucosekonzentration nach dem Training höher. Auch die Aktivität der Enzyme, die an der aeroben Energiebereitstellung beteiligt sind, und andere Parameter waren erhöht. Insgesamt zeigen sich bei Studien also Verbesserungen verschiedener Komponenten des Fettstoffwechsels, aber keine Verbesserungen in der Fettflussrate.

TRAININGSPRAXIS

Wenn es auf der Langdistanz in Bereiche von unter zehn bis elf Stunden Zielzeit geht, müssen die verschiedenen Möglichkeiten zur Optimierung der Fettverbrennung ausgeschöpft werden. Neben den Trainingseinheiten, bei denen die Energiezufuhr vorher oder auch während des Trainings eingeschränkt sind, darf man jedoch eines nicht vergessen: Auch die banalen und oft als langweilig empfundenen Trainingseinheiten zum Steigern der Grundlagenausdauer wirken auf den Fettstoffwechsel und die Sauerstoffaufnahme. Mit speziellen Trainingsregimen zu arbeiten, ist für sehr gut trainierte Athleten von größerer Bedeutung als für den „durchschnittlichen“ Athleten auf der Langdistanz. Auch wenn Studien immer wieder zeigen, dass auch ein Hochintensives Intervalltraining (HIIT) Effekte auf den Fettstoffwechsel hat, muss man dies mit Blick auf die Langdistanz einordnen. Je untrainierter ein Sportler bezogen auf die Trainingsumfänge ist, desto höhere Anteile „schneller“ Muskelfasertypen sind in der Muskulatur zu erwarten. Intervalltraining mit dem Ziel, den Fettstoffwechsel zu steigern, ist an der Stelle ausdrücklich kontraproduktiv zu sehen. Zum einen hemmt die Azidose in der Muskulatur die Fettstoffwechselrate. Zusätzlich zeigen neuere Studien, dass die bereits in den 1980ern aufkommende Vermutung, dass ein hoher Anteil intensiver Belastungen negative Auswirkungen auf die Mitochondrien hat, stimmt. Eine reduzierte Anzahl der Energiekraftwerke der Zellen wirkt sich negativ auf die Ausdauerleistung aus. Auch die Laktatbildungsrate Vlamax hat einen hemmenden Effekt auf die Fettverbrennung. Steigt die Laktatbildungsrate bei gleichbleibender maximaler Sauerstoffaufnahme an, wirkt das, bezogen auf die Langdistanz, leistungsmindernd.

TIPPS FÜR IHR TRAINING

  • Nüchterntraining kann punktuell eingesetzt werden, insbesondere, wenn die Trainingszeit nicht ausreicht, lange Trainingseinheiten zu absolvieren!
  • Nüchterntraining sollte maximal 60–90 Minuten dauern. Längere Einheiten haben negative Folgen auf das Immunsystem und wirken wahrscheinlich abbauend (katabol).
  • Auch wenn lange und monotone Grundlagenausdauerfahrten oder -läufe langweilig erscheinen und HIIT/Intervalltraining als abwechselnd empfunden wird: Die meisten Freizeitathleten profitieren eher von der alten Weisheit „Kilometer sind durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Kilometer“
  • Die Mischung macht’s. Dosiert eingesetzt, schadet Nüchterntraining nicht, es gilt dennoch: Die Dosis macht das Gift.

Text: Dennis Sandig