Innovative Orthopädie Systeme – Umfassende Gang- und Laufstilanalyse

Laufstilanalyse Dynamik Martin Misere

Füße sind das Fundament unseres Körpers. Sie bilden die sichere und gesunde Basis und wirken sich ganzheitlich auf unseren Körper aus. Was das Auftrittsverhalten beim Laufen über mögliche Dysbalancen aussagt, weiß Axel Klappdor.

Was verbinden Sie mit dem Firmennamen IOS-Technik? Ich selbst dachte ganz spontan an ein IT-Unternehmen, dass Softwarelösungen für Smartphones und Tablets anbietet. Als ich mich im Rahmen eines Interviews mit Mareen Hufe im vergangenen Jahr am Firmensitz in Willich traf, wurde ich eines Besseren belehrt, denn IOS steht für Innovative Orthopädie Systeme. Spätestens nach dem Rundgang durch die kurz zuvor in Betrieb genommenen Produktionsräumlichkeiten war mein Interesse an der Manufaktur für Einlagen geweckt.

Bei meinem zweiten Besuch – knapp 18 Monate später – begrüßte mich Unternehmensgründer Axel Klapdor mit den Worten „Füße sind das Fundament unseres Körpers“, um im gleichen Atemzug zu ergänzen: „Sie bilden die sichere und gesunde Basis und wirken sich ganzheitlich auf unseren Körper aus!“ Vor dem Hintergrund, dass die tritime-Redaktion bereits 2012 zehn Laufschuhe mit speziellen Messsohlen testete, um anhand der Druckbelastungsdaten die Reaktion des Fußes bei der Stand-, Flug-, Auftritt- und Abrollphase zu untersuchen, war ich gespannt, welche Methoden der ausgebildete Orthopädieschuh-Techniker-Meister und sein Team anwenden.

Methodik

Mit je einem Paar Alltags-, Wettkampf- und Trailschuhe im Gepäck erwartete ich ein zweckmäßig ausgestattetes Behandlungszimmer: Laufband, Schreibtisch und Sitzecke, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Stattdessen empfing mich beim Betreten ein gut und gerne 100 m2 großer, lichtdurchfluteter heller Raum samt Arbeitsplatz- und Besprechungsecke, einem angegliederten Umkleideraum mit Dusche und WC sowie Laufband und Rollentrainer. Aber das war nicht alles, der Höhepunkt der – im wahrsten Sinne des Wortes – Anlage war eine knapp 20-Meter lange, videoüberwachte Inhouse-Tartanbahn.

Herr Klapdor und einer seiner Sportwissenschaftler, Sebastian Ritzmann, hatten alles vorbereitet, sodass es nach einer ausführlichen Anamnese – dabei verwies ich auf zwei Volleyball-Verletzungen (Kapselabriss im rechten Sprunggelenk, Patellareizung in beiden Knien) von vor über 30 Jahren – sofort losgehen konnte. Und Letzteres musste ich dann auch im wahrsten Sinne des Wortes, zunächst barfuß. Nach der ersten Vermessung meiner Füße auf einem Scanner spazierte ich auf der Tartanbahn hin und zurück, und zwar so lange, bis ich aufgefordert wurde, langsam loszulaufen, um nach weiteren hundert Metern erneut das Tempo zu erhöhen. Dieses Prozedere wiederholte sich danach für die drei mitgebrachten Schuhe, jedoch mit Druckmesssohlen für jeden Fuß, welche die Druckbelastung realtime auf den Computer übertrugen. Allerdings brauchte ich mit den Alltagsschuhen nur zu gehen. Nach gut einer halben Stunde waren die Druckmessungen und Videoaufnahmen der vollständigen Laufbewegung beendet und die Laufstilanalyse abgeschlossen.

Ergebnisbesprechung

„Ein durchschnittlicher Tag unterteilt sich bei einem sportlich aktiven Menschen auf acht Stunden Schlaf, 15 Stunden normale Fortbewegung, also barfuß, Haus- und Straßenschuhe, sowie eine Stunde auf das Tragen von Sportschuhen. Je nach sportlicher Ambition mag sich die Aufteilung verschieben, aber es verdeutlicht, dass sich unsere Füße nur einen verschwindend kleinen Anteil in Sportschuhen befinden“, so beginnt Axel Klapdor die Analyse meiner Gang- und Laufdaten. „Das ist auch der Grund, warum wir zuallererst einen Blick auf den Alltag legen. Die Ursache der meisten Fehlstellungen und Haltungsstörungen liegt hier begründet. Wenn hier bereits Ausgleichsbewegungen – egal, auf welcher Seite des Körpers, zum Teil auch in unterschiedlicher Ausprägung – ausgeführt werden, setzt sich das auch bei der Wahl der Sportschuhe fort. Letztendlich ist das auch nicht verwunderlich, weil bei fast allen videogestützten Laufanalysen lediglich Fuß, Unterschenkel und Knie gefilmt werden und somit Dysbalancen außerhalb dieses Spektrums nicht im Fokus der Analyse des Verkäufers liegen“, erläutert Klapdor und beschreibt seinen ganzheitlichen Ansatz. „Und das lässt sich anhand Ihrer Daten hervorragend darstellen.“

Vor dem Hintergrund, dass ich mich in den vergangenen 25 Jahren beim Laufen – unabhängig vom getragenen Modell – glücklicherweise noch nie mit einer typischen Läuferverletzung herumplagen musste, war ich sehr gespannt, was er damit meinte und welche Ergebnisse mir die Experten im Anschluss präsentieren würden, auch dahingehend, ob mir Einlagen empfohlen werden oder nicht. Herrn Klapdor verheimlichte ich jedoch, dass ich – bei einer Größe von 188 Zentimetern und einem Gewicht von 78 Kilogramm – bei der Wahl meiner Schuhmodelle Zeit meines Läuferlebens schon immer leichte Schuhe mit einer möglichst flachen Sohle bevorzuge, bei einer Sprengung von maximal sechs Millimeter.

Anhand der Videoaufnahmen während der Laufstilanalyse – der ganze Körper wurde dabei von vorne, hinten und auf der Seite aufgenommen – erläuterte mir Herr Klapdor, wie sich die unterschiedlichen Schuhmodelle auf meine Körperhaltung und somit auf den Laufstil auswirkten. Interessanterweise spielten die bei Laufschuhtests immer wieder hervorgehobenen Eigenschaften wie Torsion, Komfort, Stabilität, Abrollverhalten, Gewicht und Dämpfung oder auch der Einsatzbereich im Verlauf der gesamten Besprechung überhaupt keine Rolle. Stattdessen achtete Herr Klapdor bei der Auswertung der Bewegtbilder zunächst auf den Fußauftritt und danach auf dessen Auswirkungen hinsichtlich möglicher Fehlstellungen und Haltungsstörungen in den Bereichen Knie, Becken, Rücken, Schulter, Nacken und Kopf, natürlich unter Berücksichtigung der Schuhcharakteristik. Sofern aber die Eigenschaften des Schuhs in Kombination mit dem jeweiligen geplanten Einsatzzweck und dem Fußstatus in Einklang stehen, wird nicht besonders darauf eingegangen. Darüber hinaus wurden die Druckmess-, Zyklogramm- und Gangliniengrafiken in die abschließende Beurteilung einbezogen. Diejenigen, die an dieser Stelle – vergleichbar mit einer im Sportgeschäft durchgeführten Laufstilanalyse – eine Empfehlung für ein bestimmtes Modell eines Herstellers erwarten, muss ich enttäuschen, denn es handelt sich ausschließlich um die Bewertung der eigenen Lieblingsschuhe für meine Körperhaltung/meinen Laufstil.

Details aus der Laufstilanalyse

3D-Scan Fusssohlen Laufstilanalyse

Bereits beim Barfußlaufen erkannten die Experten, dass der rechte Fuß einer besonderen Betrachtung bedarf. Während bei der Hauptlastphase auf dem linken Fuß meine linke Körperhälfte axial sauber aufgebaut ist, führte die Hauptlast auf dem rechten Fuß bereits zu einer Verwringung von Schulter-, Rücken- und Beckenmuskulatur. Diese Feststellung wurde durch die Druckmessungsdaten und die Ganglinien bei beiden Laufschuhen – Asics GEL-Super J33 (6 Millimeter Sprengung) und Salomon Speedcross (10 Millimeter Sprengung) – bestätigt. Die Grafiken zeigen, wie der Fuß bei der Stand-, Auftritt- und Abrollphase in den beiden Laufschuhen reagiert.

Auch wenn sich auf den ersten Blick die Druckmessgrafiken ähneln, sind Unterschiede festzustellen. Der Druckpunkt im Salomon ist auf der Innenseite im Bereich der großen Zehe und des Ballens auf beiden Seiten wesentlich stärker ausgeprägt als beim Asics. Ebenfalls gut sichtbar ist die stärkere Druckbelastung des rechten Fußes, welche die eingangs beschriebene Verwringung der rechten Körperhälfte verdeutlicht. Die weiße Fläche im Mittelfußbereich beim Asics zeigt auf, dass das Fußgewölbe beim Maximaldruck zwar noch relativ intakt ist, jedoch in meinem Fall mit zunehmender Sprengung abflacht. Dies ist umso überraschender, weil so eine Tendenz in stabileren Laufschuhen eigentlich nicht auftreten sollte. Beim Salomon führt dies – auch aufgrund der höheren Scherkräfte – in meinem Fall zu einem stärkeren Druck im Bereich der großen Zehe. Anstatt den Abdruckvorgang mit dem Ballen abzuschließen, setze ich die Zehen durch ein vergleichsweise stärkeres Krallen beim Abdruck zusätzlich ein.

Bestätigt wird dies auch durch einen Vergleich der Ganglinien, die das Abrollverhalten des Fußes vom Auftreten bis zum Abdruck darstellen. Durch die Farbskalierung sind die Druckschwerpunkte zu erkennen, also die Stellen, an denen der Fuß am meisten belastet wird. Darüber hinaus wird auch sichtbar, wie weit der Fuß von einem geraden Gang abweicht. Bei beiden Schuhen sind der Mittelfußaufsatz – rechts weiter vorne als links – und das zunächst gerade Abrollen nach vorne sehr gut erkennbar. Letzteres fällt zum Ende dann nach innen über die große Zehe entsprechend ab. In meinem Fall wurde durch ein ergänzendes Zyklogramm festgestellt, dass der Verlauf des Körperschwerpunktes vom rechten Vorfuß zur linken Ferse – im Gegensatz zur anderen Seite – relativ eng gefasst ist und die Bodenkontaktzeit rechts länger ist als links. Dies ist ein weiteres Zeichen, dass mein linker Fuß mehr Variabilität zeigt und auf neue Reize, beispielsweise bei wechselndem Untergrund, vielfältiger reagiert, während der rechte Fuß aufgrund mangelnder Variabilität immer sehr ähnlich belastet wird. Letzteres ist anhand der deutlich schmaleren Ganglinie gut zu erkennen. Ein Vergleich beider Laufschuhe macht deutlich, dass in meinem Fall der Asics auf beiden Seiten eine insgesamt höhere Variabilität aufzeigt als der Salomon. Ob dies auf die vor über 30 Jahren im rechten Sprunggelenk erlittene Kapselruptur und die möglichen Ausgleichsbewegungen/Entlastungen zurückzuführen ist, lässt sich nach diesem langen Zeitraum nicht mehr nachweisen.

Gibt es den perfekten Laufschuh?

Die Erfahrungen im „Lauflabor“ bestätigen einmal mehr, wie individuell sich die Suche nach dem „perfekten“ Laufschuh gestaltet. In meinem Fall wurde anhand der erhobenen Daten festgestellt, dass der an sich stabilere Salomon meine leichte Dysbalance auf der rechten Körperhälfte eher verstärkte, als jene auszugleichen. Auch wenn die Druckmessung der für das Gelände entwickelten Salomons auf ebenem Untergrund und im nicht vorbelasteten Zustand erfolgte, bestätigte sich mein grundsätzliches Gefühl, dass ich mich mit leichteren, weniger gestützten Schuhen mit einer niedrigen Sprengung wohler fühle. Ich bin gespannt, wie sich meine neuen Trailschuhe mit nur sechs Millimetern Sprengung auf die Verwringung und meinen Laufstil auswirken. Zusätzlich werde ich bei meiner nächsten Laufstilanalyse auch eine zweite Messung vornehmen lassen, und zwar nach einem 15-Kilometer-Lauf. Somit kann anhand der unterschiedlichen Druckmessdaten analysiert werden, inwieweit sich die zunehmende Ermüdung der Muskulatur nicht nur auf die Körper- und Rumpfstabilität, sondern auch auf die Lauftechnik und mögliche (weitere) Dysbalancen auswirken kann.

Ähnlich wie die Vorteile einer Sitzpositionsanalyse beim Zeitfahrrad nicht von der Hand zu weisen sind, kann eine ganzheitliche Laufstilanalyse – inklusive eines Vergleichs unterschiedlicher Laufschuhe – dabei helfen, das für sich passende Modell für die meist entscheidende Abschlussdisziplin zu finden, auch abhängig von der Länge der Wettkampfdisziplin. Unter welchen Rahmenbedingungen individuell angefertigte orthopädische Einlagen zum Einsatz kommen können, bleibt davon zunächst einmal unbenommen. (Anmerkung der Redaktion: Diese Thematik behandeln wir zu einem späteren Zeitpunkt in einem weiteren Artikel)

Fazit

Die ganzheitliche Betrachtungsweise – beginnend mit der Fortbewegung im Alltag – zog sich wie ein roter Faden durch meinen Besuch in Willich. Einerseits war ich froh, dass meine subjektive Laufschuhpräferenz durch die Video- und Druckmessanalyse bestätigt wurde, andererseits auch überrascht dass die Trailschuhe zu einer Ausgleichsbewegung im Schulter-Nacken-Bereich führten. Interessanterweise beeinträchtigte mich diese in den vergangenen neun Monaten – so lange besitze ich die Salomons – bislang in keinster Weise. Umso mehr beschäftigten mich in diesem Zusammenhang die beiden Abschlusssätze, die mir Herr Klapdor bei der Verabschiedung mit auf den Weg gab:

„Unser Körper ist lange in der Lage, beispielsweise eine Asymmetrie zu kompensieren und zugleich schmerzfreie Ausgleichsbewegungen durchzuführen. Zwangsläufig bauen sich aber Belastungsschmerzen auf, und irgendwann meldet sich unser Körper mit einem Stopp. Durch die ganzheitliche Betrachtungsweise möchten wir nicht nur den aktiven Menschen präventiv schützen, sondern ihn auch auf dem Weg zur Wiederherstellung seiner maximalen Leistungsfähigkeit begleiten, beispielsweise nach einer Fehlstellung, Verletzung oder gar überflüssigen Operation.“

In meinem Fall bedeutet dies, dass meine aus orthopädischer Sicht gute ganzheitliche Körperhaltung durch das Laufen mit den Salomons langfristig zu Auswirkungen in der Schulter-, Nacken- und Rückenmuskulatur führen könnte, beispielsweise im Alltag beim längeren Sitzen am Schreibtisch und im Auto oder sogar beim Schwimmen.

Text: Klaus Arendt
Aufmacherbild: Martin Miseré

ios-technik.de