Pacing im Triathlon

Tempo machen, aber richtig! Was ist Pacing und wie finde ich mein Tempo, das mich sicher und erfolgreich ins Ziel bringt. Trainerin Celia Kuch hat sich diesem Thema angenommen.

 

„The best pace is a suicide pace and today is a good day to die“, sprach einst der sagenumwobene Leichtathlet Steve Prefontaine. “Das beste Tempo ist ein selbstmörderisches Tempo und heute ist ein guter Tag zum Sterben“. Was für eine Kampfansage! Für derartige Ansagen war Steve Prefontaine genauso bekannt wie für sein halsbrecherisches Wettkampftempo. Aus dem Englischen übersetzt steht „Pace“ für Geschwindigkeit und „Pacing“ für die Kontrolle eben dieser. Je fitter man ist, desto höher ist auch das Tempo, das man während eines Wettkampfs anschlagen und durchhalten kann. In der Medizin finden wir den Begriff des Pacings in Bezug auf das Taktgeben eines Herzschrittmachers, der auf kontrollierte Art und Weise den Rhythmus des Herzens paced. Noch korrekter wäre es, Pacing im sportlichen Sinne als den kontrolliert gleichmäßigen Einsatz unserer Energie zu betrachten, aber dazu später mehr.

Steve Prefontaine, von seinen Fans „Pre“ genannt, brach x-mal seine eigens aufgestellten amerikanischen Rekorde und war bekannt für seine philosophisch anmutende, aber auch extreme Einstellung zu Wettkämpfen. Als herausragender Athlet auf Strecken bis 10.000 Meter war er für viele Sportler seiner Zeit Ikone und Inspiration zugleich. Doch seiner Gabe, sich mental schier unendlich antreiben zu können, lag auch eine überragende körperliche Fitness zugrunde, die es ihm ermöglichte, einzigartige läuferische Erfolge zu feiern.

Pacing ist kein Fremdwort mehr

Inzwischen wissen die meisten von uns, dass wir eine vorgegebene Streckenlänge nur dann in der kürzest möglichen Zeit zurücklegen können, wenn wir unsere Körner nicht gleich zu Beginn restlos verschießen. Vor allem, wenn sich die Gesamtdistanz über drei Disziplinen und mehrere Stunden erstreckt. Doch Weisheit schützt vor Torheit nicht. Wer kennt es nicht, das Gefühl, als hätte einem plötzlich jemand den Stecker gezogen, weil man ein Rennen zu übermütig angegangen ist. Ohne Energie und mit bleischweren Beinen ist dann jeder Weg, egal wie lang, ein weiter Weg bis zu der ersehnten Ziellinie. Fakt ist, dass unser Gesamtergebnis unter einem energetischen Einbruch leidet. Warum? Weil übertriebene Belastungsspitzen an unseren Reserven zehren, die am Ende des Rennens fehlen. Zeitverluste bedingt durch falsches Tempomachen können nur selten oder gar nicht bis ins Ziel wettgemacht werden. Resultat ist der frustrierende Blick auf eine unerwünscht langsame Endzeit. Übrigens: Weltrekorde werden in den allermeisten Fällen mittels eines sehr gleichmäßigen Pacings aufgestellt.

Anhand dieser Grafik (Tucker R., Lambert M. & Noakes T.) wird deutlich, dass, je kürzer die Wettkampfstrecke, desto eher nähert sich die Pacing-Strategie einer All-Out-Strategie. Das heißt, es wird mit einem sehr hohen Anfangstempo begonnen, welches dann versucht wird, so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Ganz im Sinne von Steve Prefontaine‘s „suicide pace“. Je länger die Strecke jedoch wird, desto wichtiger wird auch eine gleichmäßige Pacing-Strategie. Quelle: Tucker R., Lambert M. & Noakes T. „An analysis of pacing strategies during men’s world-record performances in track athletics“, Int J Sports Physiol Perform. 2006 Sep; 1(3): 233-45

Je länger die Strecke um so wichtiger das Pacing …

… das hat auch Jan Frodeno mit seinem Rekord bei der Challenge Roth 2016 demonstriert. Seine Radzeit von 4:08:07 Stunden stellte er mittels zweier fast identisch schneller Radrunden auf. Wenn das so stimmt, kann man sich berechtigt fragen: Wieso fahren die Profitriathleten im Triathlon nicht alle ein gleichmäßiges Rennen? Die Antwort lautet: Weil es bei den Profis nicht in erster Linie um die schnellste Zeit geht, sondern darum, wer als erstes die Ziellinie überquert. Und da wird ganz schnell das taktische Vorgehen sowie das allgemeine Renngeschehen zum alles dominierenden Thema. Wenn ein Profiathlet ganz fokussiert sein eigenes Ding macht, ohne seine Konkurrenz auch nur eines Blickes zu würdigen, kann es passieren, dass er den „Zug“ verpasst. Denn auch mit Windschatten-Fahrverbot profitiert ein Athlet  von einem Fahrer, der vor ihm fährt. Physisch und mental. Wenn sich im Wettkampf also alles um Platz 1 dreht, muss sich das Pacing meist dem taktischen Verlauf des Renngeschehens unterordnen.

Profis wie Altersklassen-Athleten brauchen eine Rennstrategie sowie einen Tempo- und Ernährungsplan für jeden Wettkampf

Taktische Spiele oder eigenes Rennen machen

Ein Meister der mentalen und taktischen „Spielchen“ war Chris McCormack, der die Psyche seiner Konkurrenz zu beeinflussen wusste, um sie zu seinen Gunsten erfolgreich zu nutzen. Taktik ist somit vor allem für Triathlon-Profis ein nicht zu verachtender Aspekt, da sie letztendlich ihr Geld mit Topplatzierungen und nicht mit Wettkampfzeiten verdienen. Dass die Ausnahme aber die Regel bestätigt, zeigen Athleten, die Topergebnisse einfahren, ohne das Renngeschehen taktisch maßgeblich mit beeinflusst zu haben. Patrick Lange hat dies mit einer Fabelleistung bei der Ironman Weltmeisterschaft 2017 und seinem Sieg unter Beweis gestellt. Er hat sein eigenes Rennen gemacht, ist dabei nicht nur als Erster über die Ziellinie gelaufen, sondern hat dabei mit 8:01:40 Stunden auch noch einen neuen Rekord aufgestellt. Während Josh Amberger mit der schnellste Schwimmzeit durchs Wasser pflügte, Cameron Wurf deutlich den Takt auf dem Rad angab, Lionel Sanders als der Protagonist des Rennens schien, war von Patrick Lange erst einmal nicht die Rede. Doch als der Vorjahresdritte dann schließlich beim Marathon auf dem Radar auftauchte, war er nicht mehr zu stoppen. Er glänzte mit seiner besten Performance und der schnellsten Zeit, die man jemals auf Hawaii gesehen hat. Es spricht vieles dafür, dass Patrick Lange derjenige gewesen ist, der bis zum Ende mit seiner Energie am besten gewirtschaftet hat und davon bis ins Ziel profitierte.

Pacing versus Taktik. Für die Elite ein Balanceakt. Für Altersklassenathleten hingegen spielt die taktische Vorgehensweise eher so gut wie keine Rolle. Vor allem auf der Triathlon Langstrecke können sie sich meist voll und ganz ihrem eigenen Rennen widmen. Der immer weiter verbreitete Rolling Start begünstigt dies zudem, da kein Athlet mehr weiß, wo genau er sich im Rennen platzierungstechnisch und im Verhältnis zu seiner Konkurrenz befindet. Am Ende ist und bleibt Triathlon also eine Individualsportart. Von der Pacing- und Performanceseite her betrachtet ein Vorteil. Zumindest wenn man die richtige Tempo-Strategie an der Hand hat und alles daran setzen kann, diese so konzentriert wie möglich umzusetzen. Die Energiereserven danken es mit ihrer Haltbarkeit bis ins Ziel und nicht nur bis zu den ersten Laufkilometern.

Failing to plan is planning to fail

Nehmen wir als Fallbeispiel den Amateur-Triathleten X. Ein schneller Läufer, der im Vorjahr eine 10-Kilometer-Bestzeit von 36 Minuten aufgestellt hat. Er steht genau ein Jahr später, nach einem stressigen Jahr und untrainierter als zuvor, wieder an der Startlinie eines 10- Kilometer-Laufes. Trotz suboptimaler Vorbereitung geht er die ersten drei Kilometer motiviert mit Kurs auf neue Bestzeit an. Plötzlich stellt er fest, dass er dieses Tempo nicht halten kann. Er kämpft zunächst noch weiter und bricht dann auf der Hälfte der Strecke deutlich ein. Gegen Ende des Laufes hat er sich wieder etwas erholt und zieht auf den letzten beiden Kilometern das Tempo noch einmal deutlich an. Der Einbruch in der Mitte des Rennens hat dennoch viele wertvolle Sekunden gekostet, und letztendlich zu einer Gesamtzeit von über 38 Minuten geführt. Der Athlet konnte den Zeitverlust auch durch seinen Endspurt nicht wieder gut machen.

Keine 14 Tage später steht er an der Startlinie eines 15 Kilometer Laufes. Diesmal gewappnet mit einer durchdachten Pacing-Strategie, die er versucht, so gleichmäßig wie möglich umzusetzen. Das Ergebnis lässt sich sehen. Dem 10-Kilometer Laufim durchschnittlichen 3:53-min/km-Tempo folgt ein 15km-Lauf im 3:51-min/km-Tempo. Die Pacing-Kurven, beide auf flacher Strecke, sprechen für sich. Das gleichmäßige Tempo hat zu einer insgesamt schnelleren Durchschnittsgeschwindigkeit geführt und das trotz längerer Distanz.

Faktoren die unser Tempo beeinflussen – ob wir das wollen oder nicht!

Es gibt eine Triathlonweisheit, die besagt „control the controllables“. Unter unserer Kontrolle befinden sich Training, Regeneration, Ernährung, Körpergewicht und eben auch das strategisch kluge Vorgehen im Wettkampf. Im Triathlon existieren jedoch auch zahlreiche Gegebenheiten, die sich definitiv außerhalb der Kontrolle des Athleten befinden. Hierzu gehören allem voran die Distanz und die Topografie eines Rennens, Strömungen beim Schwimmen, Wind sowie Temperaturen beim Radfahren und Laufen. All diese Faktoren haben einen signifikanten Einfluss auf das Pacing im Wettkampf. Wir können nichts an ihrer Präsenz ändern, aber an der Art und Weise wie wir mit ihnen umgehen. Und wenn wir über diese Art und Weise etwas nachdenken, können wir sie sogar zu unseren Gunsten im Wettstreit gegen die Konkurrenz nutzen.

Die Wettkampfdistanz

Wu et al. erklären in einer ihrer Studien (Wu SSX et al., „Factors influencing pacing in triathlon“ 2014), warum Pacing und Pacing-Strategien bei unterschiedlichen Distanzen variieren. So hängt laut Wu und Kollegen ein sich verlangsamendes Tempo auf einer kurzen Sprintdistanz im Triathlon mit der Ansammlung von Stoffwechselabfallprodukten und damit bedingter neuromuskulärer, also motorischer Erschöpfung zusammen. Untersuchungen zur Tempoabnahme bei sehr kurzen Laufevents (100 m bis 800 m) bestätigten dies. Stoffwechselabfallprodukte, Übersäuerung der Muskulatur und eine gehemmte Glykolyse (die Glykolyse ist Teil unseres Energiestoffwechsels und wichtig für die Bereitstellung von Energie) bedingten laut Studie eine Einschränkung der Muskelkontraktion und damit die Entschleunigung des Tempos gegen Ende des Laufes. Bei der Langstrecke finden wir ein etwas anderes Bild. Studien zeigen hier, dass Ermüdungserscheinungen bei längeren Triathlonwettkämpfen auf der Mittel- und Ironmandistanz eher auf sich entleerende Muskel-Glykogenspeicher zurückzuführen sind (Wu SSX et al., 2014; Abbiss CR & Laursen PB., 2005). Das Ziel bei langen Wettkämpfen sollte ganz klar sein, diese Speicher so lange wie möglich zu schonen. Wie schnell und gut wir auf der Triathlon. Langstrecke ins Ziel kommen ist maßgeblich von unserer Energie abhängig.

Auch Foster und seine Kollegen (In: Thompson KG (2015), Chapter 1, „What is pacing?“, pp 3-14) bestätigen das zuvor Beschriebene. Ein überzogen hohes Tempo gleich zu Beginn eines Wettkampfes kann am Ende die Gesamtperformance zunichtemachen. Dies scheint schlussendlich für die Kurz- sowie Langstrecke zu gelten, jedoch bedingt durch jeweils andere Leistungsbegrenzer.

Wir können also schon einmal festhalten, dass die Wettkampfdistanz ein sehr wichtiges Kriterium für die Wahl der Pacing-Strategie darstellt. Denn die unterschiedlichen Wettkampfstreckenlängen stellen unterschiedliche energetische Anforderungen. Top-Athleten auf den Kurzstrecken müssen im Wettkampf eine optimale Balance zwischen extrem hohen Intensitäten im roten Bereich (z.B. um aus einer Gruppe auszubrechen oder eine Lücke zu schließen) sowie einem gleichmäßig hohen Tempo finden, bei dem sie nicht zu langsam aber auch nicht dauerhaft zu schnell unterwegs sind. Eine heikle Angelegenheit die ein sehr gutes Körpergefühl, viel Erfahrung und das entsprechende Training bedarf. Diese Balance zu finden ist immens wichtig, um aerobe sowie anaerobe Kapazitäten zu schonen und gegen Ende des Rennens noch in der Lage zu einem Sprintfinish zu sein. Langstreckenathleten hingegen sollten vor allen Dingen ihre Energiereserven schonen.

Erstes Zwischenfazit zu Pacing und Distanz

Auf der Kurzdistanz werden wir bei zu hohem Tempo durch eine Übersäuerung der Muskulatur gebremst, auf der Langdistanz führt ein zu hohes Tempo zur frühzeitigen Entleerung unserer Energiereserven und sorgt damit für eine deutliche ungewollte Temporeduzierung. Erfahrung, Training sowie das optimale Pacing helfen dabei unsere bestmögliche Leistung im Wettkampf abzurufen.

Distanz, Topografie und Wetterbedingungen

Kein Triathlon-Wettkampf gleicht dem anderen. Es liegt auf der Hand, dass die Wettkampfgestaltung und das Pacing auf einer topfebenen Strecke anders aussehen, als in sehr bergigem Terrain. Abgesehen von der bestehenden Streckenlänge und Topografie, mit der man sich im Vornherein auf jeden Fall vertraut machen sollte, gibt es Faktoren auf die man stets auch flexibel reagieren könne muss. Hierzu gehören Strömungen beim Schwimmen, Wind sowie extreme Temperaturen.

Besonderheiten im Pacing ergeben sich also aus zusätzlichen Herausforderungen wie einer Gegenströmung im Wasser, Gegenwind oder Anstiegen beim Radfahren und Laufen. Um bei diesen zusätzlichen Herausforderungen ein gleichmäßiges Wettkampftempo aufrecht zu erhalten bedarf es allerdings eines größeren Poweroutputs. Ein größerer Poweroutput bedeutet aber mehr Energie in ein gleichbleibendes Tempo zu investieren. Dies wiederum führt zu Spitzen in unserem Energieverbrauch, die wir ja, wie wir nun gelernt haben, zugunsten eines gleichmäßigen Energieaufwandes vermeiden möchten. Wind erzeugt im Wettkampf, genau wie der Anstieg an einem Berg, Widerstand. Um ein Tempo aufrecht zu erhalten müsste ein Athlet im Wind mehr Watt generieren. Dies wiederum führt zu einem exponentiell steigenden Energieverbrauch. Daraus kann man schlussfolgern, dass sich Geschwindigkeit und Poweroutput nicht gleichsetzen lassen. Energieeffizienter ist es auf der Triathlon-Langstrecke, anstatt der Geschwindigkeit, also den Poweroutput im Auge zu behalten. Interessanter Weise berichten Wu et al. (Wu, unveröffentlichte Daten, 2014, Abb. 2 in: Wu et al., 2014), dass erfahrene und gut trainierte Ironman- und Halfironman-Athleten, trotz sich verändernder Bedingungen, es oftmals schaffen, im Wettkampf einen gleichmäßigen Poweroutput zu verwirklichen. Der damit bedingte Erhalt eines physiologischen Gleichgewichtes minimiert die neuromuskuläre Ermüdung und ermöglicht die Schonung metabolischer Reserven für die Laufdisziplin. Eine Tatsache, die trainingsälteren Athleten aufgrund ihres Erfahrungsschatzes, ihres Körpergefühls und der damit einhergehenden Gelassenheit im Wettkampf einen Vorteil verschaffen kann, während trainingsjüngere und vor allen Dingen unerfahrene Athleten sich durch zu viel Übermut häufig selbst ein Bein stellen.

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit

In der Theorie wissen wir also, dass es zu Beginn eines Wettkampfes „den Gaul erstmal im Zaum zu halten“ gilt, um nicht frühzeitig mit einem Leistungseinbruch für anfängliche Tempospielerei büsen zu müssen. Jedoch zeichnet die Praxis wieder und wieder ein anderes Bild. Scheinbar unabhängig von dem Faktor Distanz, folgt dem Startschuss im Triathlon im Normalfall ein sehr hohes Anfangstempo. Wie wild pflügt alles was Arme und Beine hat durch die ersten Meter im kühlen Nass. Hierbei scheint es irrelevant zu sein, ob es sich um einen Start auf der Kurz- oder Langstrecke handelt. Zu Beginn der Folgedisziplinen sieht man sehr ähnliche Szenarien. Das Resultat ist in vielen Fällen ein deutlich immer langsamer werdender Wettkampfverlauf. Mit Höchstmotivation und Vollgas voraus heißt es nach dem Schwimmen noch auf der ersten Radrunde der Ironmandistanz zügig voranzukommen und zu überholen was geht. Auf in den Wind und zügig die Berge hinauf. Auf den zweiten 90 Radkilometern beginnt man dann, bei vielen Athleten schon erste Ermüdungserscheinungen zu erkennen. Der Blick wird starr und die Tritte werden schwer. Hallo Realität. Hallo Fitness. Je weiter das Rennen fortschreitet, desto mehr Athleten sieht man sich mühen, gehen, beklagen, hadern, ob aufhören oder finishen. Natürlich ist eine angebrachte und realistische Pacing-Strategie hier nicht das Allheilmittel, das dieses Szenario garantiert zu verhindern weiß. Training, Gesundheit, Wettkampfernährung und allgemeiner Fitnessstand spielen ebenfalls ihre Rolle. Dennoch hätte eine Vielzahl der am Ende frustriert zum Marschieren gezwungenen Athleten wahrscheinlich einen anderen Rennverlauf erleben können, wenn sie sich genau überlegt hätten, wie sie das Rennen für sich tempomäßig am sinnvollsten gestalten, um mit ihren Energiereserven optimal hauszuhalten.

Im Ziel wird abgrechnet

Vielen Athleten scheint es aber emotional einfacher zu fallen, erst einmal die vorhandene Energie vollends auszuschöpfen und sich dann mit den harten Tatsachen auseinander zu setzen, anstatt erst einmal zu sparen, um die Früchte etwas später zu ernten, da wo es dann für andere Athleten nur noch halbfaules Fallobst oder gar nichts mehr zu holen gibt.

Es sei hier allerdings auch erwähnt, dass zu viel Zurückhaltung ebenfalls nicht Sinn der Sache sein kann. Das Gesamtergebnis wird unter einer zu langsamen Pacing-Strategie genauso leiden wie durch ein viel zu schnelles Herangehen. Denn, wenn wir zu spät auf unser optimales Durchschnittstempo anziehen, kann es gut sein, dass wir die verlorene Zeit nicht mehr aufholen können. „Running out of real estate“ nennt man das im Englischen. Es ist quasi nicht mehr genug Boden vorhanden, um unsere Leistung noch voll auszuschöpfen. Wer will schon nach einem Ironman mit dem Gefühl finishen, Reserven mit ins Ziel gebracht zu haben?

Takehome

Wir fassen zusammen: Eine optimale, gleichmäßige Pacing-Strategie ist die bestmögliche Balance zwischen antreibender und Widerstand überwindender Kraft. Die antreibende Kraft steht hierbei für die in jeden Armzug, jeden Pedaltritt und jeden Laufschritt investierte Energie, um Widerstände im Wasser und an Land zu überwinden. Und zwar von Anfang bis Ende des Rennens. Darauf begründet fördert ein gleichmäßiges Pacing die Gesamtperformance von Ausdauerevents auf unterschiedlichen Streckenlängen. Bei Kurzstreckenevents indem wir ein Stoffwechsel-Gleichgewicht in unserer Muskulatur bewahren, auf der Langstrecke indem wir mit unseren Energiereserven haushalten. Eine optimale Pacing-Strategie passt sich außerdem im Wettkampfverlauf an unvorhergesehene Bedingungen wie Strömungen und Gegenwind an. Die Renngestaltung von Elite- und Amateurathleten unterscheidet sich vor allen Dingen in den Schwerpunkten Taktik und Gleichmaß des Pacings. Was am Ende eines gut gepacten Wettkampfes noch geht, ist dann das Sahnehäubchen.

Tipps für die Praxis

1.) Einer realistischen Pacing Strategie liegt immer ein realistisches und zeitlich genau definiertes Ziel zugrunde. Dies gilt für das Gesamtergebnis sowie natürlich für jede einzelne Disziplin inklusive der Wechselzeiten. Daher, solltest Du konkrete Zeitziele formulieren die sich auf Deinem aktuellen Leistungslevel auch verwirklichen lassen, um diese in die jeweiligen Durchschnittsgeschwindigkeiten herunter zu brechen.

2.) Eine erfolgreiche Pacing-Strategie kann nur auf einer erfolgreichen Ernährungs-Strategie im Wettkampf aufbauen. Dies gilt insbesondere für die Langdistanz. Das heißt Ernährungs- und Pacing-Strategie gehen Hand in Hand. It is all about energy!

3.) Mache Dich mit der Wettkampfstrecke vertraut, um Deine Pacing-Strategie entsprechend anpassen zu können. Wo befinden sich zum Beispiel nennenswerte Anstiege, Abfahrten und Verpflegungsstellen. Know your territory!

4.) Entwickel ein Gefühl für Dein Tempo und Deine Leistung. Das Tempogefühl ist vor allem im Freiwasser wichtig, da wir dort keine andere Möglichkeit zur Kontrolle haben. An Land können wir Watt, Herzfrequenz und Geschwindigkeit nutzen, um nicht über unser Ziel hinaus zu schießen. Save your energy!

5.) Halte Dich im Wettkampf an Deine Pacing-Strategie. Lass Dich nicht von anderen ablenken und dazu verleiten, Deine hart verdienten Körner zu früh zu verschießen. Gerade wenn Du ein starker Radfahrer bist solltest Du Deine Radstärke nicht als „Waffe“ einsetzen. Bleib souverän!

In diesem Sinne: Train hard, race smart!

 

Celia Kuch ist Ex-Profi-Triathletin, Diplom-Sportwissenschaftlerin M. Sc., A-Trainerin (DTU/DOSB) für Triathlon-Langdistanz-Leistungssport sowie Personal Trainerin. 2013 wurde sie Vize-Europameisterin (Elite | Langdistanz) und ein Jahr später Deutsche Vizemeisterin im Duathlon, ebenfalls auf der Langdistanz. celiakuch.com

Literaturverzeichnis
– Abbiss CR; Laursen PB. Models to explain fatigue during prolonged endurance cycling. Sports Med. 35 (10): 865–898. 2005.

-Thiel C; Koning JJ; Foster C. Potenzielle Einflussfaktoren auf Pacing im ausdauersportlichen Wettkampf, Sportwissenschaft 8; 45 (4). 2015.
-Thompson KG. „Pacing: Individual Strategies for Optimal Performance“, Human Kinetics Verlag, USA, 2015.
-Tucker R., Lambert M. & Noakes T. „An analysis of pacing strategies during men’s world-record performances in track athletics“, Int J Sports Physiol Perform. 2006 Sep; 1(3): 233-45.
-Tucker R. The anticipatory regulation of performance: The physiological basis for pacing strategies and the development of a perception based model for exercise performance. Brittish Journal of Sports Medicine 43, 392-400. 2009.
-Wu SSX; Peiffer JJ; BrisswalterJ; Nosaka K; Abbiss CR. Factors influencing pacing in triathlon. Open Access Journal of Sports Medicine. 5, 223-234. 2014.
-Wu, SSX; Abiss CR; Pfeiffer JJ; Nosaka K. Understanding and improving pacing strategies during standard distance triathlons in age group athletes. 2014.

 

Text: Celia Kuch
Fotos: Armin Schirmaier