Karsten Pfeifer hat nach seinem Triathlon-Unfall und der Diagnose Querschnittslähmung keine einfache Zeit hinter sich. Doch jetzt geht es aufwärts. Der 44-Jährige ist zurück – zurück im Wasser.
Acht Monate nach seinem Unfall war es im Dezember endlich soweit, Karsten bekam die ärztliche Freigabe, an der Schwimmtherapie teilzunehmen. Seine Eindrücke schildert er in diesem Bericht.
Tropical Murnau
Beim Reinrollen in den Poolbereich des BGU Murnau verschlägt es mir den Atem. Die Luft steht. Es herrschen tropische Bedingungen. Das Wasser des circa zehn Meter langen Therapiebeckens ist auf 33° erwärmt, damit die Querschnittpatienten nicht sofort auskühlen.
Der Einstieg
Wie komme ich ins Becken hinein? Diese Frage wird schnell beantwortet. Es gibt zwei Transportmöglichkeiten, den Hebekran und die absenkbare Liege. Da meine Kraft noch nicht für den Solotransfer auf die Liege ausreicht, mache ich Bekanntschaft mit dem Deckenkran. Ein greifzangenartiger Bügel wird mir unter die Achseln geschoben, um mich vom Rollstuhl ins Wasser zu heben. Beim Anheben bleibt mir die Luft weg und der „Kreislaufkönig“ hat mal wieder seinen Auftritt. Bevor es mich völlig wegbeamt taucht mein Körper ins Wasser ein und ich bin wieder da.
Toter Mann
Ausgestattet mit einer aufblasbaren Nackenkrause und einer Schwimmnudel unter meinen Kniekehlen lege ich mich flach auf den Rücken, schaue zur Decke und entspanne. Das gelingt mir ganz gut, auch wenn es sehr seltsam ist, den Körper und das Wasser unterhalb der Achseln nicht zu spüren. Ein Therapeut zieht mich an den Schultern langsam durch den Pool.
Senioren paddeln
Nun soll ich vorsichtig die ersten kleinen Armbewegungen machen, um mich alleine von der Stelle zu bewegen. Unweigerlich muss ich dabei an Senioren denken, die sich im Schwimmbad auf dem Rücken gemächlich durchs Wasser treiben lassen, die Bahn blockieren und dabei die ganze Zeit quasseln. Die Freunde eines jeden Schwimmers, der trainieren möchte. Shame on me, nun bin ich selbst so ein „Objekt“.
Die Kunst der bewegungssynchronen Atmung
Mit Erhöhung der Paddelfrequenz nimmt nicht nur der Wellengang zu, sondern der Kopf beginnt zunehmend im Wasser zu wippen. Ich trage keine Schwimmbrille und habe auch wenig Lust, mich in dieser Position zu verschlucken. Also übe ich mich fortan darin, meine Atmung mit den Paddelbewegungen zu synchronisieren. Einatmen während ich die Arme am Kopf vorbei ausstrecke und Ausatmen in der Druckphase. So gelingt es, den Kopf relativ ruhig im Wasser liegen zu lassen.
Die Tankerwende
Das Wenden in Rückenlage erfordert einiges an Geschick, ich möchte ja nicht mit dem Kopf oder den Füßen an den Beckenrand schlagen. Mit einer Hand paddelnd und den Kopf in die andere Richtung streckend wende ich wie ein schwerer Tanker auf der Stelle.
Karussell am Beckenrand
Kaum habe ich mich an all diese Manöver gewöhnt, werden mir die Auftriebshilfen abgenommen. Und siehe da, es geht ganz schnell auch ohne Hilfsmittel. Ich soll mich am Beckenrand festhalten und mich in die Senkrechte bringen. Schwups wird mir wieder schwindelig. Das muss ich wohl noch öfters üben, damit der Körper damit umzugehen lernt.
Das sportliche Flämmchen ist gezündet
Nach der ersten 30-minütigen Therapiesession ist mein Ehrgeiz geweckt. Bei der zweiten Session zähle ich die Bahnen und die Paddelzüge bei den Wenden. Ersteres werde ich steigern und Zweiteres reduzieren. In der dritten Session verzichte ich auf jegliche Pausen. Mit Schwimmen hat das zwar noch alles nix zu tun, aber es ist ein Anfang. Mein Traum ist es irgendwann irgendwie einen Weg zu finden, wieder kraulen zu können, trotz meiner kompletten Lähmung ab dem ersten Brustwirbel.
Keep on burning
Euer Karsten