Wer kennt sie nicht, die Fotografen, die bei Ausdauerwettkämpfen an exponierten Stellen jeden Teilnehmer fotografieren und der Athlet bereits einen Tag später „seine“ Fotos im Internet anschauen und bestellen kann.
Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen allerersten Marathon in New York. Damals erhielt ich ein paar Wochen später, gemeinsam mit dem Ergebnisheft, ein Bestellformular mit den von mir während des Events gemachten Fotos, alle in Daumengröße abgedruckt. Im Zeitalter des Internets und der digitalen Fotografie scheint dies alles erheblich einfacher und komfortabler zu sein, Grund genug, sich mit den Machern des Fotoanbieters Marathon-Photos.com, Harald Neu und Günter Karl zu unterhalten.
Erinnern Sie sich noch an die erste Veranstaltung, bei der Sie die Teilnehmer fotografiert haben? Bei wie vielen Wettkämpfen waren Sie seitdem persönlich vor Ort?
Unsere ersten Veranstaltungen als Eventfotografen waren Reitturniere, manchmal mit nicht einmal 70 Teilnehmern. Da waren wir schon ganz stolz, fünf oder sechs Filme belichtet zu haben. Das war im Jahr 1988, also schon eine Zeit lang her. In den ersten Jahren waren wir auf ungefähr zehn Veranstaltungen jährlich, heute haben wir mit Marathon-Photos.com insgesamt mehr als 450 Veranstaltungen pro Jahr. So über den Daumen gepeilt war jeder von uns sicher schon auf mehr als 800 Veranstaltungen. Heute kommt es vor, dass einer von uns bei einem Event mehr als 10.000 Fotos schießt.
Sicherlich werden Sie von vielen Menschen beneidet, an den schönsten Lokationen der Erde arbeiten zu dürfen. Die Realität sieht jedoch häufig anders aus, denn Sie sind ja dort, um zu arbeiten, und nicht im Urlaub. Wie sieht bei Ihnen eine ganz normale Dienstreise aus?
Oh ja, das hören wir häufig. Das ist ja gar keine Arbeit, ein bisschen fotografieren und durch die Welt fliegen. Bei europäischen rennen reisen wir meistens am Freitag Abend an, treffen am Samstag den Veranstalter, die lokalen Fotografen und die Zeitnehmer. Pflicht ist auch immer, die Strecken nach neuen, schönen Fotostellen abzusuchen, danach geht es früh ins Bett. An einem Wettkampftag stehen wir sehr früh auf, um noch vor den Streckensperrungen an unseren Fotostellen zu sein. Beim Startschuss um 7.00 Uhr morgens sind wir dann schon zwei Stunden auf den Beinen. Unser Team und wir selbst wechseln danach auch zu den Geschehnissen, damit wir von allen Teilnehmern in allen Disziplinen Fotos haben. Selbstverständlich ist es, bis zum Zielschluss an der Finishline zu fotografieren. Unmittelbar danach geht es ab ins Hotel, da der Rückflug am Tag danach häufig schon um 8.00 Uhr morgens startet. Das bedeutet, um vier Uhr aufstehen, zum Flughafen fahren, Mietwagen zurückgeben, ab ins Büro. Jetzt werden die Fotos auf den Server eingespielt und alle Weichen für die weitere Bearbeitung gestellt. Bei 60.000 Fotos dauert das natürlich eine Weile. Der ganze Prozess muss schnell vonstatten gehen, schließlich sollen die Fotos am nächsten Morgen, also Dienstag früh, online sein.
Aus wie vielen Fotografen besteht Ihr Team vor Ort?
Unser deutsches Team besteht aus einem Stamm von circa 20 Fotografen mit jahrelanger Erfahrung. Das sind echte Profis, die bei Wind und Wetter beste Arbeit abliefern. Dazu haben wir bei internationalen Events immer noch eine Anzahl von lokalen Fotografen. Es ist uns ganz wichtig, diese mit einzubinden. So können wir locker auf einen Pool von 80 Personen zurückgreifen. Da wir auch fair bezahlen und Wert auf Qualität legen, sind die allermeisten Kollegen auch langjährige Partner.
Was hat Sie überhaupt dazu bewegt, Marathon-Photos.com zu gründen? Und warum hat das Unternehmen seinen Sitz in Neuseeland?
Wir beide arbeiten nunmehr schon seit mehr als 25 Jahren zusammen, früher im „Foto Team“, später als „Live Sportphotos“ und jetzt als Marathon-Photos.com. Das ist eine Weiterentwicklung, die den Erfordernissen des Marktes entspricht. Waren wir vor 20 Jahren hauptsächlich in Deutschland und Österreich Partner bei Veranstaltungen, sind wir heute durch den Zusammenschluss zu Marathon-Photos.com eine der weltgrößten Fotoagenturen für Eventfotografie. Nur mit einem Team von Programmierern, Fotografen in jeder Ecke der Welt und einem breit aufgestellten Angebot sind wir konkurrenzfähig. Ein wichtiges Argument für Neuseeland war die Zeitverschiebung. Wenn wir die Fotos eingespielt haben und ins Bett gehen können, warten bereits unsere Kollegen in Neuseeland mit der weiteren Bearbeitung einer Veranstaltung. Bei einem großen Marathon kann es schon mal sein, dass gleichzeitig 100 Mitarbeiter die Bilder sichten und die Startnummern dazu eingeben. Wir waren schon mit 200.000 Fotos am nächsten Tag online. In einer globalisierten Welt ist auch der Standort einer Firma nicht mehr von großer Bedeutung.
Während in den Anfangsjahren die Entwicklung von klassischen Filmrollen an der Tagesordnung war, brachten der Einzug der Digitalfotografie und das Internet viele Vorteile. Wie erlebten Sie diese Entwicklung und wo sehen Sie in der Zukunft die Eventfotografie?
Die Anfangszeit der Sport-Eventfotografie war für uns ohne Konkurrenzdruck. Die Fotografie stand im Vordergrund, wir hatten ein ausgeklügeltes System, wie wir die Filme entwickelt, gescannt und die Fotos ins Internet gestellt haben. Die Veranstalter kamen auf uns zu und sahen den Fotoservice als eine Aufwertung ihrer Veranstaltung. Durch die digitale Fotografie wurde das Fotografieren leichter und es entstanden viele neue Agenturen. Die Datenverarbeitung wurde ein wichtiger Faktor. Insgesamt war es aber einfacher, Fotos anzubieten. Plötzlich bekamen Veranstalter eine Vielzahl an Angeboten von anderen, neuen Mitbewerbern. Dadurch haben sich die „Lizenzgebühren“, die wir bei jeder Veranstaltung zu entrichten haben, enorm erhöht. Wir werden aber unserem Konzept, professionelle Qualität abzuliefern, treu bleiben. Wir sehen gelassen in die Zukunft, da wir unser Angebot auch immer weiter entwickeln und ein offenes Ohr für die Wünsche der Kunden haben.
Viele Teilnehmer bemängeln die teilweise hohen Preise für Print- und/oder Digitalabzüge. Ist diese Kritik gerechtfertigt? Was sind in Ihrem Unternehmen die Kostentreiber?
Wir arbeiten mit erfahrenen, professionellen Fotografen zusammen, die ihren Preis haben. Eine Zusammenarbeit mit Amateuren würde sich in der Qualität unserer Fotos niederschlagen. Ein großer Kostenfaktor sind natürlich auch die Lizenzgebühren und auch die Hardwarekosten sind im Vergleich zu früher deutlich gestiegen: Server, Speicherkapazitäten, Webseiten. Wenn wir Kunden am Telefon haben, müssen wir uns das Preisargument gelegentlich schon anhören, aber die meisten Anrufer bedanken sich dafür, dass wir mit solch professionellen Fotos Momente ihres sportlichen Erfolges für immer eingefangen haben.
Hängen die Preise auch von der Art der Veranstaltung (Marathon, Triathlon) und/oder der Teilnehmerzahl ab?
Je nach Veranstaltung und dem Umfang unseres Bildangebotes versuchen wir, die Preise niedrig zu halten. Da die Gebühren, die wir für exklusive Rechte an den Veranstalter bezahlen, mitunter stark variieren, können die Preise für die Fotos durchaus unterschiedlich sein.
Auf den diversen Social-media-Plattformen und privaten Homepages veröffentlichen Athleten immer wieder niedrig aufgelöste Veranstalterfotos mit Wasserzeichen. Auch die Medien erhalten häufig Fotos mit dem Hinweis „die habe ich gekauft“. Vor dem Hintergrund der illegalen Verbreitung und Nutzung Ihrer Fotos darf sich Ihre Rechtsabteilung sicherlich nicht über mangelnde Arbeit beklagen. Welche Maßnahmen unternehmen Sie in solchen Fällen? Und in welchem Umfeld dürfen Ihre Kunden die gekauften Digitalfotos verwenden?
Wir erstellen professionelle Fotos, die die Teilnehmer für alle privaten Zwecke nutzen können. Dazu gehören Facebook und die privaten Webseiten. Nach Absprache sind die Fotos auch zur Berichterstattung in den jeweiligen lokalen Medien freigegeben. Da sind wir sehr großzügig und überlassen, wie gesagt nach Absprache, die Fotos honorarfrei, aber mit der Quellenangabe Marathon-Photos.com. Damit umgehen wir in den beschriebenen Situationen juristische Probleme. Für eine gewerbliche Nutzung, beispielsweise für Firmenwerbung, Prospekte oder Firmenwebseiten, fallen jedoch Honorare an. Glücklicherweise sind da die meisten Firmen und Sportler fair. Auf Marathonmessen finden wir immer einen Flyer oder ein Plakat mit einem unserer Fotos. Wir suchen immer eine einvernehmliche Lösung, pochen aber, falls erforderlich, natürlich auch auf unser Urheberrecht.
Bei Ihren Fotos stehen immer die Athleten im Vordergrund. Verständlich, denn die Teilnehmer möchten ihre persönlichen Finisherfotos im Familien- und Freundeskreis zeigen. Mir jedoch fehlen die allgemeinen Imageaufnahmen von dem Event, also Wettkampfimpressionen, die die Schönheit der Landschaft zeigen und Sportler dazu anregen, bei diesem Rennen in Zukunft zu starten. Gibt es Gründe, warum diese Art von Aufnahmen in Ihrem Portfolio fehlen?
Wir bieten immer wieder mit den Bildpaketen und den persönlichen Fotos Motive vom Start und Ziel mit an, aber nicht immer. Zudem haben viele Athleten auch Freunde und Familienangehörige mit der Kamera an der Strecke, die Stimmungsfotos machen, oft auch in hervorragender Qualität. Es ist also keine bewusste Entscheidung, diese Fotos nicht zu machen, sondern mehr das Ergebnis aus der Kommunikation mit unseren Kunden. Da hören wir immer wieder, dass beispielsweise ein Fotobuch für jemanden erstellt wird und unsere teilnehmerorientierten Actionfotos die privat gemachten Fotos ergänzen. Aber Danke für Ihre Anregung.
Meine Herren, ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen.