Fritz Buchstaller, Jürgen Schulz und Jens Machacek durfte ich in den vergangenen Jahren bereits über die Schulter schauen, wenn sie ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der Radergonomie an Triathleten weitergaben. Ich selbst hatte mich diesbezüglich in den vergangenen 20 Jahren noch nie beraten lassen.
Hinsichtlich der für mich idealen Kombination aus „perfekter Sitzposition“ und „optimaler Radperformance“ vertraute ich immer meinem subjektiven Körpergefühl. Sobald ich mich unwohl fühlte, verzog es mich in den Radkeller und ich nahm kleinere Veränderungen an Vorbau, Auflegern, Lenkerhöhe und Sattelhöhe vor. Mitte des Jahres feierte auch ich eine Vermessungspremiere. Mit meinem 2009er-Redaktions-Zeitfahrrad, Helm, Rad-/Laufschuhen und Triathlonhosen im Gepäck fuhr ich nach Essen, um mir vom Diplom Sportlehrer Holger Röthig die für mich ideale Sitzposition „verpassen“ zu lassen. Der Ausdauersportler, Triathlet und Race Across America-Solo-Finisher nahm sich dafür in seinem Institute of Speed-Studio gut vier Stunden Zeit und gab mir währenddessen auch einen Einblick in seine interessante Tätigkeit und ausdauersportlichen Hintergrund.
Basics
Alles begann mit einer Körpervermessung – basierend auf Körpergröße, Schulter- und Beckenstellung – inklusive Untersuchung des Bewegungsapparates. Glücklicherweise habe ich keine orthopädischen Fehlstellungen, die bei der weiteren Arbeit zu berücksichtigen waren, ganz im Gegensatz zum Bewegungsapparat. Die Ermittlung der Dehnfähigkeit von Oberkörper, Rumpf und Beine zeigte eindrucksvoll das auf, was ich im Vorfeld schon erahnt hatte: Da ist noch viel Luft nach oben! „Die Sitzposition wird allerdings auf Dich und Deine aktuelle Beweglichkeit ausgerichtet! Wenn ich Dich auf die technisch mögliche Position Deines Zeitfahrrades setzen würde, könntest Du diese definitiv noch nicht lange Raddistanz halten“, beruhigte mich Holger Röthig und fuhr fort: „Bike-Fitting ist ein fortlaufender Prozess. Mit jedem Trainingsjahr und den damit einhergehenden besseren Radleistungen und der Beweglichkeit verändert sich zwangsläufig auch die Sitzposition. Und letzte dann auch regelmäßig angepasst werden.“
Füße, Beine, Gesäß und Oberkörper
Nach diesem etwas ernüchternden Einstieg durfte ich endlich ein paar Minuten pedalieren. Mit der dreidimensionalen Retül-Bewegungsanalyse erzeugte Röthig ein dynamisches Abbild meiner Fahrweise inklusive Körperhaltung. Dabei lieferten die Mess- und Druckpunkte an den Füßen, Knien, Hüfte, Gesäß, Schulter, Ellbogen und Handgelenk wichtige Informationen für die anschließende Analyse am Computer. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk auf die Positionierung der Cleats und des Sattels, die Höhe der Sattelstütze und des Zeitfahrlenkers sowie der Armpads inklusive Vorbaulänge gelegt. Die Kombination aus der Erfahrung von hunderten von Fittings und den im weltweiten System hinterlegten Vergleichs- und Referenzdaten ermöglicht es Röthig, die sinnvollen Umbaumaßnahmen zu bestimmen. Darüber hinaus offenbart ein Laserstrahl zwischen Fußspitze, Knie und unterem Oberschenkel, ob der Athlet eine gerade oder ausweichende Trittbewegung hat, die sich ebenfalls auf die Performance auswirken kann.
Umbaumaßnahmen
In meinem Fall beschränkten sich diese – sehr zu meiner Freude – lediglich auf die Einstellung der Cleats und der Sattelposition sowie einer Verkürzung der Aufleger. Der 46–Jährige haderte lediglich damit, dass die Sattelstütze keinen einzigen weiteren Zentimeter mehr hergab. Die neue Sitzposition überprüfte Holger Röthig erneut mit der 3D- Bewegungsanalyse, sodass er mich am Ende dennoch zufrieden verabschiedete.
Text: Klaus Arendt