Andreas Niedrig: Zugseiltraining

Zugseiltraining_NiedrigDa es in unserem Sport beim Schwimmen weniger auf die Schnelligkeit ankommt, investiere ich mittlerweile mehr ins Kraftausdauer-Training. Warum, das erfahrt Ihr in meiner neuen tritime-Kolumne!

 

Jetzt kommt sicherlich der Einspruch: Schnelligkeit ist aber wichtig! Ich kann Euch sagen, bei jedem Triathlonrennen gibt es immer Sportler, die auf den ersten 200 Metern schneller anschwimmen als ich. Sie haben eine viel größere Grundschnelligkeit, aber glücklicherweise haben die Jungs bis jetzt das Zugseil noch nicht in ihrem Training integriert und liegen dann beim ersten Wechsel auch schon wieder hinter mir.

Zugseiltraining ist das effektivste, sportartspezifischste Kraftausdauer Training
Das Zugseiltraining ist für mich auch eine super Möglichkeit, die Technik zu trainieren. Im Wasser haben wir das Problem, dass bei Technikübungen die Beinbewegung, die Atmung und viele andere Dinge dazu kommen. Koordinativ ist das extrem herausfordernd, selbst für gute Schwimmer. Mit dem Zugseil kann ich mich ganz auf die Armbewegung konzentrieren. Und wenn die Übungen vor einem Spiegel durchgeführt werden, könnt Ihr den hohen Ellenbogen auch deutlich sehen. Kraft ist einfacher zu trainieren als Technik. Mit mehr Kraft fällt es mir dann später auch im Wasser leichter, die Technikübungen sauberer auszuführen.

Welches Zugseil ist für mich das richtige?
Bei den Zugseilen gibt es verschiedene Härtegrade! Geht ins Fachgeschäft und probiert aus, welches Zugseil für Euch das passende ist. Wenn Ihr das Seil im angespannten Zustand 30 mal ziehen könnt, es erst bei den letzten zehn Ausführungen schwieriger wird und ihr nach einer kurzen Pause die gleiche Serie wiederholen könnt, habt Ihr das für Euch richtige Seil gefunden. Es gibt Schlaufenzugseile oder so eines wie ich es habe, mit einem Paddel für die Hände. Dabei ist die Hand so gestellt wie beim Eintauchen und Ziehen im Wasser.

Wie ziehe ich das Zugseil?
Wenn Ihr mit dem Zugseiltraining beginnt, fangt langsam an und steigert das Training nicht zu schnell. Verletzungen kommen meist nicht sofort, es sind Belastungsreize, die sich wie auf einem Konto ansammeln. Kommt es zu einer Reizung habt Ihr nichts gewonnen und Ihr müsst eine Pause eingelegen. Achtet darauf, dass Ihr langsam und sauber zieht. Das Seil dabei nicht nach vorne schnellen lassen, das belastet die Schultern zu sehr. Ihr könnt den hohen Ellenbogen und den Zug am Wasser entlang optimal zu trainieren. Am Wasser entlang heißt, Ihr zieht Eure Hände so, als ob Ihr etwas greift und Euch daran nach vorne zieht. Was ihr dann durch das Wasser zieht und im besten Fall gleitet, ist Euer Körper!

Wann ziehe ich das Zugseil?
Die Kraft sollte wie die Ausdauer über das gesamte Jahr kontinuierlich trainiert werden: mindestens viermal in der Woche. Optimal sind zwei Tage Zugseiltraining, ein Tag Pause. Im Winter ziehe ich 6 x 30 und Richtung Wettkampf erhöhe ich auf 10 x 30 Wiederholungen. Die letzten drei Wochen vor einem Rennen ziehe ich fast täglich. In den Pausen mache ich entweder Dehn- oder Stabiübungen für Bauch und Rücken, so nutze ich die Zeit optimal. Wer nicht gerne in die Muckibude geht, kann das Zugseil auch für andere Übungen nutzen! Schulter, Rücken, hier sind viele Übungen möglich!

Aber Vorsicht: Fühlt in Euch hinein, und falls Ihr merkt, dass Eure Schultermuskulatur zu macht und Ihr Schmerzen bekommt, legt lieber eine Pause ein, bevor es zu einer Überlastungsverletzung kommt!

Auch bei meinen Wettkämpfen ist das Zugseil mein ständiger BegleiterVergleichbar mit dem Warmfahren der Radfahrer ziehe ich 30 Minuten vor dem Start das Seil, um warm zu werden, auch um im Wasser nicht gleich zu explodieren, wenn alle wieder einmal wie bescheuert nach dem Startschuss anschwimmen.

Wo kann ich das Zugseil ziehen?
Fürs Zugseiltraining gibt es absolut keine Ausrede. Es ist überall möglich. Wir benötigen keine Hallentrainingszeiten ,und vor allem: es ist schnell erledigt und extrem effektiv! Ich bin mir sicher, ohne Zugseiltraining schwimme ich die 3,8 Kilometer 2-3 Minuten langsamer!

Hängt Euch das Zugseil dorthin, wo Ihr es ständig seht. Das macht es einfacher ohne zu überlegen loszulegen. Vielleicht holt Ihr Euch direkt zwei Zugseile. Dann habt Ihr eins in Reserve, das überall mit hingenommen werden kann. Überall findet sich ein haken oder Treppengeländer, an dem Ihr zwischendurch trainieren könnt. Ihr seht, es geht eigentlich überall. Auch im Stau auf der Autobahn. Es hört sich zwar komplett bekloppt an, aber wenn im Stau gar nix mehr geht, hole ich mein Zugseil aus dem Kofferraum und dann wird trainiert. Und dabei habe ich auch eine Menge Menschen kennengelernt. Ich werde immer angesprochen was ich da eigentlich mache. Ich bin mir sicher, dass einige meiner Gesprächspartner sich nach dem Stau ein eigenes Zugseil gekauft haben und in ihrem Kofferraum liegen haben.

Und wie bei allen Trainingseinheiten lautet mein Motto des Tages: „TUT es!“

Wenn Ihr etwas tut, egal was es im Leben ist, seid mit dem Kopf genau bei dieser einen Sache. Konzentriert Euch auf die Übungen, also auf Euer Training. Versucht zu spüren, welche Muskeln Ihr zu welcher Bewegung benötigt. Je häufiger Ihr das tut, umso effektiver und fokussierter wird das Training, und auch das Verständnis für Euren Körper wächst!

Euer Andreas