Anreise mit „Hindernissen“

Jedes Jahr im Oktober verabschiedet mich nach der kurzen Fahrt zum nahegelegenen Frankfurter Flughafen der Taxifahrer mit einem freundlichen „Viel Spaß im Urlaub und erholen Sie sich gut!“ Ich fühle mich wie im Filmklassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“, bedanke mich höflich und denke mir meinen Teil: „Wenn Sie wüssten!“

Urlaub! Glücklicherweise habe ich nicht gesagt, wohin die Reise geht. Urlaub? Erholsame Tage im Paradies sehen anders aus. Nichts da mit Hula-Girls und Bikini-Schönheiten am Strand flirten oder mit den einheimischen Beachboys bereits zum Sonnenaufgang beim Bodysurfen auf DIE Welle des Tages warten. Stattdessen ist Arbeiten angesagt! Glücklicherweise auf einer ungemein reizvollen Insel in der Südsee, und das ist doch allemal besser als im Büro.

Gauner, Betrüger, Großfamilien und ich!
Bis es jedoch soweit ist, steht mir die bekannte Anreise über Chicago und San Francisco bevor. Beim Anflug auf die Metropole am Lake Michigan sende ich ein kurzes Stoßgebet an das Universum, dass die Einreiseformalitäten in diesem Jahr schnell vonstatten gehen mögen. Pustekuchen. Als ob ich es bereits geahnt hätte! Folgsam ordne ich mich in die Reihe der Visainhaber und ESTA-Ersteinreisenden ein. Während die ESTA-Wiederholungsreisenden ruckzuck am Kofferband stehen, erwische ich anscheinend die ewig lange Schlange der Gauner, Betrüger und Großfamilien. Und ich mittendrin! Eine gefühlte Ewigkeit schaut der Beamte von der Heimatbehörde auf mein Pressevisum. Mit einem vielsagenden Blick auf meinen Fotorucksack stempelt er meinen Reisepass und die Zollerklärung ab, verpasst letzterer allerdings an irgendeiner Stelle einen dicken roten Strich. Das unübersehbare Zeichen lässt mich bereits erahnen, dass mir irgendetwas am Zoll bevorsteht. Dort lerne ich, dass man eine hochwertige Fotoausrüstung anzumelden hat, schließlich könne ich ja den Inhalt in den USA meistbietend verkaufen. Will ich aber gar nicht. Ich möchte auf Hawaii ja nur meine Arbeit machen: Schreiben und Fotografieren. Das Teufelchen jubelt ein siegessicheres und unüberhörbares „schlecht vorbereitet“, das Engelchen hingegen erwidert mit einem „man kann ja nicht alles wissen“. Der Zollbeamte hört diesmal auf das Engelchen! Es ist doch ein guter Tag. Während ich äußerst freundlich, kooperativ, geduldig und auskunftsfreudig seine Fragen beantworte, zeigt er für mich großes Verständnis. Ohne Papierkrieg und mit dem Versprechen, im kommenden Jahr eine vom deutschen Zoll unterschriebene Erklärung mitzubringen, breche ich mit einem Lächeln zu meinem Anschlussflug nach San Francisco auf.

Defekte Klimaanlage
Glücklicherweise ist der Stopover mit drei Stunden sehr großzügig bemessen, sodass ich auf den ersten Schock noch in aller Ruhe Zeit für einen doppelten Espresso habe. Hellwach betrete ich kurze Zeit später den Flieger, der – für amerikanische Verhältnisse – angenehm temperiert ist. Endlich geht es weiter, schließlich habe ich meinen Teil schon abbekommen. Es ist ein guter Tag. Denkste. Die Klimaanlage ist kaputt! Für die stets im sehr nahen Frostbereich fliegenden Amerikaner steht eine mittlere Katastrophe bevor. Meine Hoffnung auf einen Weiterflug ohne Schal und Mütze stirbt zuletzt. Keine 60 Minuten später ist das Malheur behoben und die Maintenance wird mit Applaus verabschiedet. Die 737 steigt mit glücklich unterkühlten Mitreisenden in den Himmel von Chicago. San Francisco here I come.

Hydraulikprobleme
Nach einer lauwarmen Hühnersuppe im Flughafen von San Francisco kann ich die letzte Flugetappe kaum erwarten. Die angekündigte verspätete Abflugzeit scheint niemanden der Wartenden zu stören. Mit einstündiger Verspätung beginnt das Boarding. Kaum habe ich meinen Sitzplatz eingenommen, wird der Kampf um den meisten Stauraum im Overheadcompartment auch schon wieder abgebrochen. Die Ansage des Kapitäns ist eindeutig: Hydraulikprobleme. Damit ist nicht zu spaßen, doch kein so guter Tag! Aber die Sicherheit geht vor, das verstehen alle. Ohne ein nervöses Augenzucken – schließlich habe ich gerade erneut mit allen Engelchen im Universum eine Telefonkonferenz abgehalten – verlasse auch ich brav das Flugzeug. In regelmäßigen Abständen informiert das Personal im Wartebereich die Reisenden, dass spätestens um 21.30 Uhr Ortszeit – mittlerweile bin ich gute 24 Stunden auf den Beinen – eine finale Entscheidung bekanntgegeben würde. Der Nebensatz „actually the flight has not been cancelled“ verspricht Hoffnung auf ein glückliches Ende in Kona und eine ungeplante Übernachtung in der Bayarea zugleich. Freud und Leid können so nah beieinander liegen. Ich vertraue erneut meinem Engelchen, und tatsächlich befinden wir uns nach einer gefühlten Ewigkeit in der Luft. Endlich. In zwei Decken eingewickelt schlafe ich sofort ein. Der Geruch von Penatencreme und das zeitweise Schreien der beiden einzigen Kleinkinder an Bord, die mit ihren Eltern in der Sitzreihe hinter mir Platz genommen haben, stört mich während der letzten fünf Stunden Reisezeit überhaupt nicht, im Gegenteil, sie wirken wie Balsam auf meiner Haut und gleichzeitig wie ein perfekt einstudiertes Streichkonzert für meine Ohren.

Süßer die Träume …
Im Hotel angekommen, mittlerweile ist es Ortszeit 1.00 Uhr in der Früh, falle ich nach einer sehr kurz ausgefallen Dusche direkt ins Bett. Endlich schlafen. Doch bevor mich das leise Rauschen der Klimaanlage sanft in das Reich der Träume verabschiedet, vernehme ich aus dem fernen Deutschland die Stimme meiner Mutter: Wenn Klausi eine Reise tut, dann wird er was erleben. Wie wahr!