Sechs bis elf Watt schneller als alle anderen Super-Triathlonbikes, 30 Sekunden Zeitvorteil in einem 40-Kilometer-Zeitfahren, die beste Aerodynamik, die beste Kombination von Steifigkeit und Komfort, die ultimative Kraftübertragung und die besten Anpassungsmöglichkeiten. Mit diesen Attributen bewirbt Cervélo sein neuestes P5-Modell, das P5 Six. Entsprechend groß waren die Erwartungen und die Vorfreude des Testteams. Natürlich lassen sich einige der beworbenen Attribute, wie Watt-Einsparungen und Zeitvorteile nicht wirklich nachprüfen, da dies aus unserer Sicht nur unter Laborbedingungen möglich wäre. Uns interessierten vielmehr die praxisnahen Eindrücke und Erfahrungen, die jeder Triathlet auch selbst nachvollziehen kann.
Die eigens für Cervélo entwickelte Magura R8 TT Hydraulikbremse findet sich nun in einer vollverkleideten Variante wieder und 3T hat mit dem Aduro einen eigens für das P5 entwickelten Zeitfahrlenker spendiert. Die Schaltzentrale basiert im neuen P5 Six auf der brandneuen Shimano Di2 (11-fach). Die erste Ausfahrt fand leider mit etwas Verzögerung statt und offenbarte einen Nachteil der Vollintegration von Lenker, Vorbau und Rahmen. Die banale Absicht, den Lenker durch das Entfernen der Spacer tieferzulegen, mündete im Besuch beim Cervélo-Mechaniker, da sämtliche Bremsleitungen durch genau diese Spacer laufen und somit eine vorherige Demontage in jedem Fall notwendig ist. Allerdings lassen sich jedoch die Länge der Extensions und die Breite der Armpads vielfältig und einfach einstellen. Einzig die Höhendifferenz von Basislenker zu Armauflagen ist fix. In jeder dann anschließend stattfindenden Probefahrt wurde eins deutlich: Dieses Rad ist superschnell! In leichten Bergabpassagen, in denen Mitfahrer noch tretend unterwegs waren, rollten wir ohne jede Tretbewegung einfach vorbei. Darüber hinaus erschienen Tempointervalle deutlich einfacher und leichter. Hier zeigt sich wohl das Investment von Cervélo in zahlreiche Windkanaltests und detailverliebte Optimierungen. Gerade auf längeren Ausfahrten wurde das ausgewogene Verhältnis von Steifigkeit und Komfort bemerkbar. Jeder Krafteinsatz und jeder Tritt wird beim insgesamt sehr wuchtig wirkenden P5 Six gefühlt zu 100 Prozent in Vortrieb umgewandelt, das P5 fordert seinen Fahrer geradezu heraus, immer „getreten“ zu werden. Auch auf schlechten Wegstrecken bleibt das Rad äußerst komfortabel. Gerade auf bergigen Ausfahrten zeigte sich zudem die unglaublich präzise und verlässliche Bremsleistung der neuen Magura R8 TT. Durch den Hydraulikaufbau bleiben Bremsverluste aufgrund von engen Kabelverlegungen komplett aus. Diesen absolut nachvollziehbaren Vorteil muss man jedoch durch den Verzicht auf die Di2 üblichen Schaltmöglichkeiten am Basislenker (und damit im Wiegetritt) „bezahlen“. Ob einem Bremssicherheit oder zusätzlicher Schaltkomfort wichtiger ist, muss jeder Kunde letztlich selbst entscheiden. Sehr pfiffig empfanden wir die Lösung hinsichtlich des Öffnens der Bremsbacken beim Laufradwechsel. Durch Drücken eines kleinen Sperrschalters im Bremshebel öffnen sich die Bremsbacken und geben damit den Weg frei zum Wechsel des Laufrades. Nach erfolgtem Wechsel genügt ein Bremsvorgang und die Backen schließen sich von alleine. Die Gefahr, mit geöffneten Bremsbacken in eine gefährliche Situation zu kommen, ist damit ausgeschlossen. Auch wenn ein möglicher Batterietausch aufgrund seiner Integration im Tretlagerbereich Nerven kosten würde, erfolgt das Aufladen sehr einfach mittels USB über die Steuereinheit.
Das P5 Six gehört zweifellos zu den Top-Bikes. Wer die kompromisslose Umsetzung von Aerodynamik sucht, ist beim P5 absolut richtig. Auch wenn der Anschaffungspreis von 9.200 Euro (Frameset 5.900 Euro und die SRAM Red-Variante für 6.600 Euro) im ersten Moment sehr hoch erscheint, so erwirbt man im Gegenwert lebenslangen Fahrspaß und das Wissen, dass das Material kein Begrenzungsfaktor mehr sein wird. Und diese Gewissheit ist doch unbezahlbar.
Text: Andreas Gard | Michael Böhler | Florian Sickel
Foto: Cervélo
Internet: www.cervelo.com
Quelle: tritime (Ausgabe 5-2013)