Erwin Rose: Leidenschaft, Herzblut und Qualität!

Bei Erwin Rose dreht sich alles ums Rad, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Er sagt über sich, es vergehe keine Minute, in der er nicht an seine Passion, seinen Beruf und sein Unternehmen denke. Erwin Rose ist ein Mensch, der sein Umfeld in seinen Bann zieht und begeistert: freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Er möchte Vorbild sein, packt an und ist sich nicht zu schade, auch mal einen Besen zum Saubermachen in die Hand zu nehmen. Für seine Mitarbeiter, die er auf dem Flur oder in der Biketown trifft, nimmt er sich die notwendige Zeit für einen kurzen Gedankenaustausch. Erwin Rose, dem nach eigener Aussage Neid, Missgunst und Machtspiele fremd sind und der sich nur sehr ungern fotografieren lässt, – O-Ton: „Lass mal lieber andere da vorne stehen!“ – ist sein persönliches Image sehr wichtig, auch wenn er kein Politiker ist, der zur Wiederwahl ansteht. Anerkennung für guten Service und qualitativ hochwertige Produkte sind sein Ansporn, unternehmerischer Erfolg seine Motivation für die Zukunft. Sich auf früheren Lorbeeren auszuruhen, kommt für ihn, der zu Beginn seiner Erfolgsgeschichte in den Wintermonaten Nähmaschinen vorgeführt und verkauft hat, nicht infrage.

Arendt: Herr Rose, derzeit stecken Sie inmitten der Katalogerstellung für das kommende Jahr. So manch großes Versandhaus musste in der jüngeren Vergangenheit Insolvenz anmelden, weil sie es nicht geschafft hatten, Versandhandel und Internet unter einen Hut zu kriegen. Dem Rose Versand scheint, auch mit der Biketown in Bocholt, der Spagat zwischen den unterschiedlichen Kundengruppen gelungen zu sein.
Rose: Das ist wahr, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir im Managementteam regelmäßig und teilweise auch kontroverse Diskussionen führen, welcher Weg denn nun der richtige sei. Es gab Zeiten, da wollten sich alle nur noch auf das Internet stürzen, um die immensen Grafik-, Papier- und Druckkosten unseres knapp 1.000-seitigen Werkes zu minimieren. Allerdings kommen wir als Versandhändler doch gar nicht drum herum, einen Katalog zu produzieren, in dem der Kunde, sei es online oder auf der Couch, in aller Ruhe blättern kann. Letztendlich wird doch der Kaufreiz durch Stöbern im Gedruckten gefördert, ähnlich wie beim Schlendern durch die Auslagen eines Ladengeschäftes.

Arendt: Wie viele Exemplare verlassen dann die Bocholter Zentrale?
Rose: Knapp zwei Drittel unserer jährlichen Druckauflage von rund 800.000 Exemplaren versenden wir an unsere Kunden der vergangenen zwei Jahre. Glücklicherweise sind jedoch die Zeiten vorbei, an denen wir an den Tagen danach alle drei bis vier Stunden neues Faxpapier einlegen mussten und bis zu 35 Fachkräfte im Callcenter die glühenden Telefonleitungen bedienten. Denn im Zeitalter des Internet hat sich auch das Bestellverhalten verändert. Während sich der Großteil unserer Kunden heute immer noch im Katalog informiert, erfolgt die Bestellung, gegebenenfalls unterstützt durch einen hinzugeschalteten Berater, mittlerweile zu 80 Prozent über unsere Homepage.

Arendt: Und wie passt in dieses Konzept die 2005 eröffnete Biketown?
Rose: Wie beim Kauf eines Fernsehers oder eines Kleidungsstückes gehört für viele Menschen auch beim Kauf eines neuen Fahrrades das besondere Kauferlebnis einfach dazu. Mit der Biketown habe ich mir, da bin ich ganz ehrlich, einen Lebenstraum erfüllt, denn die Biketown ist mehr als nur ein Fachgeschäft für Fahrräder und dazugehörige Bekleidung. Ich bezeichne es gerne als unsere Fahrrad-Erlebniswelt, in der es auf mehreren Etagen und über 6.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche sehr viel zu entdecken gibt. Besonders stolz bin ich auf unser Ersatzteillager, in dem Radsportenthusiasten auch noch ihren fehlenden Umwerfer aus den Neunzigern finden.

Arendt: Ein Blick auf den Parkplatz und in die wirklich beeindruckende Biketown bestätigt diesen Erfolg. Planen Sie in absehbarer Zeit die Eröffnung weiterer Niederlassungen in Deutschland?
Rose: Definitiv nicht, denn die Nähe zur Zentrale und dem Logistik- und Montagezentrum in Bocholt ist essenziell, damit alle Mitarbeiter den aus meiner Sicht wichtigen Stallgeruch haben. Und genau dies können wir bei weiteren Biketowns, auch wenn es aus betriebswirtschaftlicher Brille betrachtet sicherlich möglich wäre, unseren Kunden nicht garantieren. Unser Anspruch ist es, dass im persönlichen Beratungsgespräch neben der Rose-Kompetenz auch die Freude am Radsport und unseren Produkten auf den Käufer übertragen wird. Wo Rose draufsteht, muss auch Rose drin sein, der Kunde muss diesen Rose-Geist spüren.

Arendt: Und das gilt dann wahrscheinlich auch für das Ausland?
Rose: Ganz genau, jedoch werden wir an den wichtigsten internationalen Lokationen zunehmend Showrooms einrichten, in denen nicht nur die Räder der aktuellen Saison ausgestellt werden, sondern auch Events stattfinden, um neben den Endkunden auch den lokalen und überregionalen Medien einen Einblick in unsere Welt zu geben.

Arendt: Vor knapp zwei Jahren haben Sie sich von Ihrem bisherigen Markenlabel „Red Bull“ getrennt. Seitdem prangt Ihr Name auf den Rahmen. Gab es rechtliche Auseinandersetzungen mit dem Energiegetränkehersteller, die zu dieser Entscheidung führten?
Rose: Keinesfalls, Herrn Mateschitz und mich verband mehr als nur der gleiche Markenname. Jedoch haben wir im Rahmen unserer internationalen Expansion festgestellt, dass wir viel zu viel Energie und somit auch Geld in die Vermarktung unserer Fahrräder verwenden mussten, um dem Kunden zu erklären, dass wir mit dem Salzburger Unternehmen nichts zu tun hatten.

Arendt: Und wie reagierten Ihre deutschen Kunden auf diesen Schnitt?
Rose: Noch heute bin ich überrascht, wie schnell und vor allem unkompliziert dieser Umbruch, den wir im Rahmen unseres 100-jährigen Firmenjubiläums bekanntgegeben haben, vollzogen wurde. Mir persönlich ist keine Kritik zu Ohren gekommen, weder von Kundenseite noch von unseren Lieferanten.

Arendt: Damals hatten Sie in diversen deutschsprachigen Fachmagazinen ganzseitige Anzeigen geschaltet, auf denen hochmoderne Carbonräder in historische Aufnahmen hineinprojiziert wurden. Welche Rolle spielt in Ihrem Unternehmen die Tradition?
Rose: Auch wenn viele Menschen Tradition auf dem ersten Blick mit Spießigkeit, mangelnder Flexibilität und Stillstand verbinden, bedeutet Tradition für mich in der heute so schnelllebigen Gesellschaft sehr viel mehr: soziale Verantwortung und Wahrung der Unternehmenswerte. Wenn es um den kurzfristigen Profit gehen würde, hätte ich sicherlich schon über das eine oder andere wirklich lukrative Übernahmeangebot ernsthaft nachgedacht. Aber was soll ich mit all den Millionen? Ich brauche zum Glücklichsein kein Schloss, ich habe genug zu essen und erfreue mich bester Gesundheit. Wenn ich dann noch, um die Natur zu genießen, zwischen zwei Fahrrädern, einem Oldtimer oder einer Vespa wählen kann, was will ich mehr?

Arendt: Aber Geld wollen Sie mit Ihrem Unternehmen schon verdienen?
Rose: Keine Frage, natürlich! Aber nicht um jeden Preis und schon gar nicht auf Kosten meiner Mitarbeiter und der Qualität unserer Produkte. Nicht umsonst investieren wir im Rahmen unserer Internationalisierung in die Ausbildung unserer Mitarbeiter. Ständig werden Sprachkurse in holländisch, englisch, französisch, spanisch und italienisch angeboten. Beim Rose Versand sind auch die Unternehmensbereiche inhouse, die bei einer Übernahme sofort ausgegliedert würden: Callcenter, Grafik, Layout und die IT sind nur einige Beispiele. Ganz wichtig ist jedoch die Montage in Bocholt. Auch wenn wir unsere Rahmen mit den entsprechenden Komponenten in Asien sicherlich kostengünstiger vorkonfigurieren könnten, entspricht dies nicht unserem Anspruch, alle Aufträge unserer Kunden nach einheitlichen Prozessen und Standards zu bearbeiten. Natürlich hat all dies seinen Preis, aber so können wir auf Veränderungen des Marktes weitaus flexibler und schneller reagieren, von der Qualität ganz zu schweigen.

Arendt: Einheitliche Prozesse und Standards können aber auch der größte Feind der Innovationskraft und Reaktionsfähigkeit einer Organisation sein.
Rose: Das ist richtig. Aussagen wie „das haben wir immer schon so gemacht“ bringen mich auf die Palme, trotzdem sind – bis zu einem gewissen Grade – standardisierte Prozesse eine Grundvoraussetzung für unseren Qualitätsanspruch. Darüber hinaus ist es für jedes Unternehmen eminent wichtig, sich immer wieder neu zu erfinden, sein Tun und Handeln regelmäßig zu hinterfragen, auch vor dem Hintergrund der betriebs- und volkswirtschaftlichen Gesamtsituation. Und aus diesem Grund werden in unseren Managementsitzungen alle Anregungen ernst genommen. Es wäre nicht das erste Mal, dass scheinbar unsinnige Vorschläge am Ende des Tages nicht nur Zeit und Kosten eingespart haben, sondern auch der Qualitätssteigerung dienlich waren.

Arendt: Sie beschreiben gerade mit wenigen Worten die Grundregeln für eine funktionierende „lernende Organisation“. Welche Rolle spielen Sie darin, der in jüngster Zeit zunehmend Verantwortung an seine Tochter und den Schwiegersohn übergeben hat?
Rose: Es stimmt, ich nehme mich immer mehr zurück und konzentriere mich auf das, was mir Spaß bereitet. Wie zum Beispiel im Entwicklungsbereich. Dort versuche ich mich nicht nur als Kreativkopf, sondern auch als Devils Advocat. Solange ich der Überzeugung bin, dem Unternehmen notwendige Impulse geben zu können und ich das Gefühl habe, auch aufgrund meiner langjährigen Erfahrung noch gebraucht zu werden, bringe ich mich ein.

Arendt: Wie würden Sie Ihren bisherigen Führungsstil beschreiben?
Rose: Ich war noch nie ein klassischer Patriarch oder ein Chef, der seinen Dickkopf durchsetzen musste, nur um das letzte Wort zu haben oder um Dinge zu beschleunigen oder die eigene Idee zu verwirklichen. Das wäre destruktiv und für die Marke Rose sicherlich nicht dienlich gewesen. Entscheidungen wurden und werden heute mehr denn je im Team getroffen und von allen gemeinsam getragen. Rückblickend hat sich dieser, unser Weg als richtig bewahrheitet. Wenn wir auf jeden Zug aufgesprungen wären, den die Managementgelehrten für der Weisheit letzten Schluss gehalten haben, würden wir nicht da stehen, wo wir heute sind. Wir hätten uns sicherlich mehr als einmal vergaloppiert. Und das Rad der Zeit dreht sich bekanntlich immer schneller: Trends kommen und gehen, da ist es schon wichtig, dass wir unsere Entscheidungen nachvollziehbar, besonnen und step by step treffen.

Arendt: Worin sehen Sie Ihre persönlichen Stärken?
Rose: Im Erkennen von Kleinigkeiten, denn bekanntlich steckt der Teufel meist im Detail. Wenn ich diese dann auch nicht gradlinig ansprechen könnte beziehungsweise wir im Managementteam keine gute Diskussionskultur und Kritikfähigkeit lebten, würden sich sukzessive Fehler einschleichen, was wiederum bei meinem ärgsten Feind enden würde: schlechter Qualität.

Arendt: Und Ihre Schwächen?
Rose: Ganz eindeutig, meine Ungeduld. Wenn Abläufe und Entscheidungsprozesse zu lange dauern und ich mir fadenscheinige Ausreden anhören muss. Mit Verzögerungen kann ich nur dann leben, wenn diese der Qualitätsoptimierung dienlich sind.

Arendt: Wo Sie erneut bei Ihrem Lieblingsthema sind: Das Wort Qualität zieht sich wie ein roter Faden durch unser ganzes Gespräch.
Rose: Nichts ist schlimmer als in einem Test auf Mängel hingewiesen zu werden. Egal ob im Service oder beim Material. Natürlich helfen uns solche Aussagen dabei, besser zu werden. Sie sind Ansporn für die Zukunft. Aber wie heißt es so schön: The second winner is always the first looser. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als wir nach dem großen Erdbeben im japanischen Kobe unsere Rahmenproduktion nach Taiwan verlagert haben und dort das Qualitätsdenken in den Köpfen unserer Partner verankern mussten: Klasse statt Masse. Das war sehr herausfordernd, für beide Seiten. Aufgrund meiner hohen Erwartungshaltung war ich selten wirklich zufrieden. Heute, mehr als fünfzehn Jahre später bin ich stolz auf das, was wir in diesem Zeitraum gemeinsam erreicht haben und schaue zufriedener denn je in die Zukunft.

Arendt: Mittlerweile sind Sie 68 Jahre jung, ein Lebensalter, in dem viele Ihrer Altersgenossen den wohlverdienten Ruhestand genießen. Wann ist es denn bei Ihnen so weit?
Rose: Das kann noch dauern. Wie bereits gesagt nehme ich mich ein wenig aus der Schusslinie, aber ganz aufhören geht nicht. Dann würde mir etwas fehlen, ich brauche diesen für mich positiven Stress des sich immer weiter drehenden Rades. Ansonsten würde ich wahrscheinlich (lacht) trainingsverrückt oder (lacht noch mehr) zehn Kilogramm schwerer.

Arendt: Letzte Frage, haben Sie vor irgendetwas Angst?
Rose: Nein, nicht wirklich, lediglich bei meinen Zahnarztbesuchen.

Arendt: Herr Rose, ich danke Ihnen für das sehr informative Gespräch.

Text: Klaus Arendt
Fotos: Klaus Arendt | Rose Versand Bocholt