Am 17.09.2019 verkündete die Ironman Group per Presseaussendung die Partnerschaft mit dem Schmerzmittel Aleve, eine Marke der zum Bayer-Konzern gehörigen Bayer Vital GmbH. Die Reaktionen der deutschen Triathlongemeinde ließ nicht lange auf sich warten. Wut, Unverständnis und Fassungslosigkeit bestimmte die zahlreichen Kommentare in den sozialen Netzen. Verständnis für den Veranstalter oder Sponsor? Fehlanzeige.
Ethisch nicht vertretbar
Die von einem Arzt verordnete Einnahme von Schmerzmitteln durch einen kranken Menschen ist das eine, das „Bewerben einer Schmerzmitteleinnahme im Sport“ überschreitet eine Linie, die – für mich – ethisch nicht vertretbar ist.
Warum? Ganz einfach, Sport ist für mich die schönste Nebensache und gesündeste Freizeitbeschäftigung der Welt. Es gibt nichts Schöneres als nach einem langen Arbeitstag die Laufschuhe zu schnüren oder auf das Fahrrad zu steigen, um die kleinen und großen Sorgen des Tages aus dem Gemüt zu verdammen. Natürlich ist das Erreichen persönlicher Ziele das berühmte Salz in der Suppe, beim ersten kleinen Wehwehchen schon aufzugeben, ist bei einem kurzen hochintensiven Trainingsintervall oder in einem Wettkampf nicht wirklich zielführend und erfolgversprechend. Schmerzen und Verletzungen für den Erfolg bewusst zu ignorieren, dadurch die Gesundheit aufs Spiel zu setzen und bleibende Schäden billigend in Kauf zu nehmen, ist definitiv keine Option.
Ursachenforschung statt Schmerzmittel
Wenn ich beim Sport oder danach Schmerzen verspüre, höre ich in meinen Körper hinein und hinterfrage meine letzten Trainingseinheiten oder meine Rennstrategie. Auf die Idee, Schmerzmittel zu nehmen, kam ich kein einziges Mal. Im Gegenteil, ich wollte der Ursache auf den Grund gehen, hielt für ein paar Tage die Füße still, verordnete mir die notwendige Ruhe und suchte – wenn es nicht besser wurde – das Gespräch mit meinem Physiotherapeuthen, Arzt und Trainer. Sicherlich auch ein Grund, dass ich in den vergangenen 25 Jahren Ausdauersport – abgesehen von kleineren Muskelverhärtungen in der Wade – von schwerwiegenden Verletzungen verschont blieb. Aber auch bei meiner Wettkampfplanung nahm ich mir bis zum ersten Marathon und der ersten Langdistanz zwei beziehungsweise vier Jahre Zeit, um meinen Körper an die zunehmenden Belastungen zu gewöhnen. Ganz im Gegensatz zu der Tendenz vieler Sportler, die das „once in a lifetime“ Projekt Triathlon möglichst schnell auf ihrer Bucketliste durchstreichen möchten, um sich dann neuen Herausforderungen zu stellen.
Letztendlich muss jeder Sportler für sich selbst entscheiden, wie er die Signale seines Körpers interpretiert und darauf reagiert. Vor diesem Hintergrund finde ich die in der Pressemitteilung gewählte Formulierung mehr als unglücklich, denn sie impliziert, dass Athleten durch die Einnahme von Aleve dabei unterstützt werden, ihre sportlichen Ziele zu erreichen, und zwar nicht nur im Rahmen der Regeneration danach, sondern auch während des Trainings oder Wettkampfs.
Auszug Pressemitteilung vom 17.09.2019
(vollständige Pressemitteilung: https://www.prnewswire.com/news-releases/aleve-joins-ironman-ohana-as-partner-at-the-2019-vega-ironman-world-championship-300919782.html)
Whether during training or after the big event, these athletes need safe and effective solutions that allow them to address the muscle aches and joint pain that could hold them back from being their best. … It lasts longer than other OTC pain relievers, which is really important when you consider the pain associated with training and racing often lasts longer than a few hours.
Beipackzettel Aleve
Ein genauer Blick in den Beipackzettel mit den umfassenden Informationen für den Anwender sollte – meiner Meinung nach – einen gesunden Menschen davon abhalten, Schmerzmittel im Sport einzunehmen, geschweige denn ohne Rücksprache mit seinem Arzt oder Apotheker.
Anwendungs- und Warnhinweise
Aleve wird angewendet zur symptomatischen Behandlung von leichten bis mäßig starken Kopf-, Zahn- und Regelschmerzen, bekannter Arthrose (Gelenkverschleiß) und bei Fieber. Neben den Hinweisen, wann Aleve nicht eingenommen werden darf und was vor der Einnahme grundsätzlich zu beachten ist, wird bei den Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen als allererstes darauf hingewiesen, vor der Einnahme von Aleve mit einem Arzt oder Apotheker zu sprechen.
Nebenwirkungen
Bei den möglichen unerwünschten Nebenwirkungen, die dosisabhängig und von Patient zu Patient unterschiedlich auftreten können, möchte ich den Verdauungstrakt aufzählen, der am häufigsten betroffen ist. Im Beipackzettel ist unter anderen von Blutungen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Blähungen die Rede. Aber auch Ödeme, Bluthochdruck und Herzinsuffizienz wurden im Zusammenhang mit einer NSAR-Behandlung (nicht-steroidales Antirheumatika) festgestellt.
Bei 10 Prozent der Behandelten können Kopfschmerzen, Schwindel und Ohnmachtsgefühle auftreten, der gleiche Prozentsatz kann zu Nebenwirkungen des Gastrointestinaltrakts führen, also zu Magen-Darm-Beschwerden wie Dyspepsie (Reizmagen), Übelkeit, Sodbrennen und Magenschmerzen.
Bei einem Prozent der Behandelten können Verstopfung, Durchfall, Erbrechen und Geschwüre des Magen-Darmtraktes auftreten, unter Umständen mit Blutungen.
In den vergangenen Tagen unterhielten uns zu dieser Thematik mit Vertretern aus Industrie, Politik, Medizin, Verbänden und diversen Institutionen, unter ihnen der Molekularbiologe Prof. Dr. Dr. Simon, Dagmar Freitag (Bundestagsabgeordnete Vorsitzende Sportauschuss Deutscher Bundestag), die DTU und die NADA. Aber auch die Bayer Vital GmbH gab eine Stellungnahme ab.
Alle Reaktionen und Stellungnahmen finden Sie auf der zweiten Seite.