Schwitzen: Wenn Muskeln arbeiten

Warum wir schwitzen, welche Vor- und Nachteile Schwitzen hat und warum gerade Ausdauersportler ihren Fokus nicht nur auf eine ausreichende Energieversorgung, sondern auch auf ein sinnvolles Ausgleichen des Flüssigkeits- und Salzdefizits lenken sollten, erläutert Triathlon-Coach Mario Schmidt-Wendling.

Das Schwitzen stellt eine evolutionäre Meisterleistung der Natur dar, die der Menschheit wohl das Überleben gesichert hat. Im Gegensatz zu Wildtieren verfügen wir – wenn es um das Thema Jagd geht – über keine ausgeprägte Höchstgeschwindigkeit. Unsere Vorfahren erkannten jedoch, dass sie zwar langsamer, dafür aber deutlich ausdauernder als konkurrierende Jagdtiere sind. Deshalb entwickelten sie Strategien, um ihre Beute mit andauerndem Nachdruck regelrecht zu Tode zu hetzen, ohne sie wirklich gefangen oder erlegt zu haben. Ein Grund ist die Fähigkeit, die durch starke körperliche Aktivität erhöhte Körperkerntemperatur durch Produktion von Schweiß und der damit verbundenen Verdunstungskühle zu regulieren. Im Gegensatz zu jagenden Tieren mit einem natürlichen Fellmantel verfügt der Mensch über eine deutlich größere Anzahl ekkriner Schweißdrüsen – rund 700 Stück auf einem Quadratzentimeter Haut – und somit eine effizientere Kühlung der Körpertemperatur. Die Kehrseite der Medaille bedeutet aber, dass die Menschen den durch Schwitzen entstandenen Flüssigkeitsverlust entsprechend großzügiger auffüllen müssen als die meisten Tiere.

Wie funktioniert Schwitzen?

Der Temperaturanstieg wird in einem bestimmten Hirnareal (Hypothalamus) registriert und führt zur Ausschüttung des Botenstoffes Acetylcholin, der wiederum eine Kaskade an Reaktionen hervorruft. Nachdem die richtigen Befehle „erteilt“ wurden, wird der Schweiß über bestimmte Drüsen auf der Haut zum Verdunsten gebracht. Aber woher kommt dieser Schweiß eigentlich? Der Mensch besteht zu cirka 65-70 Prozent aus Wasser, wobei sich davon wiederum ein Drittel außerhalb der Zellen befindet, bei Erwachsenen sind das alleine schon fünf Liter in Form von Blutplasma.

In dieser Flüssigkeit befinden sich eine ganze Menge unterschiedlicher Elektrolyte, wobei Natrium oder umgangssprachlich Salz den absolut größten Anteil innehat. Letzteres ist entscheidend für eine ganze Reihe an Stoffwechselprozessen, beispielsweise bei der Nahrungsaufnahme im Magen, beim Aufrechthalten kognitiver Funktionen und bei der Reizweiterleitung in den Nerven und über die sogenannte Natrium-/ Kalium-Pumpe bei der Muskelkontraktion. Die Hauptfunktion liegt aber in der Balance des Wasserhaushaltes, denn die Menge an außerhalb der Zellen befindlichen Flüssigkeit ist unmittelbar an die im Körper befindliche Natrium-Menge gekoppelt. Im Alltag verlieren wir durch Atmung und Urinausscheidung bis zu 1,5 Liter Flüssigkeit pro Tag. Der Hypothalamus kontrolliert permanent den Flüssigkeit- und Natriumstatus. Nimmt die Flüssigkeit zu stark ab oder steigt die Salzkonzentration an, wird über die Nieren wieder mehr Flüssigkeit in den Blutkreislauf zurückgeschleust, der Harndrang wird reduziert und verstärkt gleichzeitig das Durstgefühl. Flüssigkeitsverluste von einem halben Prozent der Gesamtmenge werden über diese „Negative feedback loop“ kompensiert.

Schweißverlust im Training und Wettkampf

Unter Belastung und starker körperlicher Aktivität verändert sich der Bedarf an Schweiß zusätzlich, insbesondere bei schwül-heißem Klima. Setzt man jetzt noch die Wettkampfdauer – insbesondere bei einer Mittel- und Langdistanz – in den Kontext mit dem Schweißverlust von 0,5 bis maximal gemessenen 3,5 Liter pro Stunde, wird der mögliche Flüssigkeits- und Salzverlust noch deutlicher. Diesen kann der Körper nicht mehr alleine regulieren, es muss also Flüssigkeit zugeführt werden. Doch wie hoch ist die angemessene Menge, die ein Ausdauersportler substituieren sollte? Die Vorgaben hierzu haben sich in den letzten Jahren massiv verändert: in der 1960er Jahren wurde noch ausgegeben, dass man möglichst wenig Flüssigkeit aufnehmen sollte. In den 80er-Jahren gab es dann die Empfehlung, möglichst 1,2 Liter pro Stunde zu trinken, um auf gar keinen Fall einen Flüssigkeitsverlust zu erleiden. Doch diese Empfehlung kann – wenn es sich dabei um Leitungswasser handelt – im schlimmsten Fall zu einer Hyponatriämie führen.

In den Jahren 2005–2013 wiesen über zehn Prozent aller Finisher des Ironman Frankfurt hyponatriämische Zustände aufwiesen.

New England Journal of Medicine

Hyponatriämie

Eine dauerhaft hohe Flüssigkeitsaufnahme setzt die Salzkonzentration im Körper sukzessive herab. Eine salzarme Lösung gleicht eine salzreiche aus. Im Körper passiert nun Folgendes: Trinkt man eine salzarme, also eine hypotone Wasserlösung oder gar reines Wasser, kommt es im Blut aufgrund des Salzmangels zu einer sogenannten Hyponatriämie: Die Flüssigkeit des Blutes strömt dann in die salzhaltigen Zellen, die daraufhin anschwellen. Bilden sich diese Wasseransammlungen (Ödeme) im Gehirn, so führen sie zu Symptomen von Kopfschmerzen über Schwindel bis hin zu Koma, im schlimmsten Fall auch zum Tod. Diese Tatsache wurde einem Teilnehmer der Hitzeschlacht beim Ironman Frankfurt 2015 zum Verhängnis, denn er versorgte sich im Rennen ausschließlich mit Leitungswasser. Die entstandene Hirnschwellung konnte nicht mehr gelindert werden, sodass er in der Nacht nach dem Rennen verstarb.

Salz und Schweiß

Die Zusammensetzung des Schweißes ist zu über 90 Prozent genetisch festgelegt und somit nicht durch besondere Ernährungsgewohnheiten oder den Trainingszustand beeinflussbar. Das Spektrum der bisher gemessenen Salzkonzentration im Schweiß von Sportlern erstreckt sich von 200–2.300 Milligramm pro Liter Schweiß, der Durchschnittswert im Triathlon liegt bei rund 950 Milligramm Natrium pro Liter Schweiß. Herkömmliche Sportgetränke weisen einen Wert von 400–600 Milligramm Natrium pro Liter Flüssigkeit auf. Ist ein Sportler nun ein sogenannter Salty Sweater, hat also einen sehr konzentrierten Schweiß, versorgt sich aber primär durch eine niedrigkonzentrierte Wettkampfernährung, so kann eine recht große Differenz zwischen Verlust und Bedarf entstehen. Betrachtet man jetzt noch den Schweißverlust pro Stunde im Kontext, so potenziert sich dieser (Salz-)Verlust immens. Genug getrunken zu haben, kann somit ein fataler Irrglaube sein, denn aufgrund des fehlenden Salzes kann die getrunkene Menge nicht dazu genutzt werden, um aus dem Magen-Darm-Trakt in die Blutbahn zu gelangen, um das Blutplasmavolumen aufrecht zu halten. Triathleten, die beispielsweise beim Verlassen der zweiten Wechselzone schon mal das Gefühl eines „Wasserbauchs“ und ein Gluckern der Flüssigkeit im Magen gehört haben, sollten definitiv ihre Salzaufnahme überdenken.

Salz sollte immer mit ausreichend Flüssigkeit aufgenommen werden. Eine entsprechend hohe Salzmenge in einem Sportgetränk oder Gel ist vorteilhaft, da dadurch auch die schnelle Kohlenhydratversorgung im Wettkampf gesichert ist. Ergänzend bieten sich auch geschmacksneutrale Salztabletten an. 

Sinn und Zweck einer optimalen Salzaufnahme

Ziel einer richtigen Salz-Strategie ist es also, das Blutplasmavolumen möglichst lange im Normalzustand zu belassen. Wird verstärkt geschwitzt und nicht adäquat Flüssigkeit mit Salz über den Magen-Darm-Trakt in die Blutbahn geschleust, so verdickt dieses das Blutplasma immer mehr. Durch die zunehmende Viskosität des Plasmas, verringert sich die Fließgeschwindigkeit innerhalb der Blutgefäße. Die im Blut befindlichen roten Blutkörperchen (Sauerstofftransporteure Erythrozyten) gelangen somit auch verlangsamt zu ihrem Einsatzort in der Muskulatur. Als Folge dieses dickeren Blutes muss das Herz schneller und kräftiger schlagen, um die Sauerstoffversorgung aufrecht zu halten. Schwellen jetzt noch die Zellen durch eine zu starke Einlagerung von Flüssigkeit zusätzlich an, steigt der arterielle Druck noch weiter. Die Folge ist ein deutlicher Leistungsrückgang. Darüber hinaus kann ein Eindicken des Blutes und ein Natriummangel einer von vielen Auslösern von Muskelkrämpfen sein.

Der Schweißverlust (Menge in Litern pro Stunde) beim Ausdauersport hängt im Training und Wettkampf von der Belastungsdauer und -intensität, den äußeren Rahmenbedingungen wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit, ob während der Belastung gleichzeitig Kohlenhydrate aufgenommen werden oder nicht und vom Regenerationsstatus ab. Der Salzverlust (Salzgehalt pro Liter Schweiß) hingegen
ist genetisch bedingt.
Bestimmung Salzkonzentration/ Schweißzusammensetzung

Bestimmung der Salzkonzentration und Schweißmenge

Um eine Strategie zur optimalen Flüssigkeits- und Salzversorgung zu entwickeln, braucht es zwei Tests.

Schweißflussrate

Mithilfe der Messung der Schweißflussrate – die jeder Sportler selbst durchführen kann – wird festgestellt, wie viel Schweiß pro Zeiteinheit „verloren“ geht. Die Schweißflussrate ist abhängig von der Umgebungstemperatur, der Trainingsintensität, des jeweiligen Trainingszustands und der Ernährung an den Tagen vor dem nachfolgend beschriebenen Test.

  1. Vor Testaufnahme urinieren.
  2. Messen des Körpergewichtes in nacktem Zustand.
  3. Wiegen der während des Tests zu konsumierenden Getränkemenge.
  4. Während des Tests nicht urinieren.
  5. Nach dem Test im entkleideten Zustand das Körpergewicht wiegen.
  6. Das übriggebliebene Gewicht des Getränks ebenfalls wiegen, um die wirkliche Menge an verlorenem Schweiß zu erhalten.

Um einen detaillierten Überblick über das Schwitzverhalten – also eine Art „persönliches Schwitzprofil“ – zu erhalten, sollte der Test auch bei unterschiedlichen Bedingungen durchgeführt werden.

Triathlonprofi Markus Fachbach unterzog sich zu Zeiten des
Commerzbank Triathlon Teams in Belgien einem Klimakammertest inklusive
Schweißuntersuchung. Dabei stellte sich heraus, dass er zwar viel schwitzt,
dabei aber gar kein Salz abgibt. In seinem Fall war die Aufnahme von
Salztabletten im Wettkampf kontraproduktiv und führte bei Fachbach zu plötzlich
auftretenden Muskelkrämpfen.

Schweißzusammensetzung

Der zweite Test ist etwas aufwändiger, denn hierbei wird die Menge an Salz pro Liter Schweiß gemessen. Einige Anbieter solcher Tests offerieren auch eine abgespeckte Online-Version dieses Tests, bei dem Fragen zum jeweils individuellen Schwitzen beantwortet werden. Das Resultat ist zumindest ein grober Richtwert. Um jedoch einen validen und fixen Wert der Salzmenge in Milligramm pro Liter Schweiß zu erhalten, ist eine entsprechende Analyse in einem Institut notwendig. Durch die sehr hohe genetische Festlegung dieses Werts, braucht man diesen Test jedoch nur einmal in einem Athletenleben durchzuführen, denn der Wert gilt nahezu in Stein gemeißelt.

Kennt man nun also seine Schwitzmenge und die Konzentration, kann der Sportler diese Werte in Einklang mit seiner bestehenden Ernährungsstrategie bringen und bekommt Aufschluss darüber, wie viel Salz gegebenenfalls zusätzlich zur in den Gels, Riegeln und Getränken vorhandenen Menge an Natrium substituiert werden sollte, um nicht nur den Leistungsverlust, sondern auch eine verlängerte Regenerationszeit einzudämmen.

Text: Mario Schmidt-Wendling
(Gründer und Head Coach von sisu-training.de. Der 42-jährige Frankfurter bereitete seine Athleten auf über 800 Langdistanz-Triathlons erfolgreich vor und erzielte dabei mehr als 20 internationale Titel, u.a. Ironman TriClub World Champion. Als ehemaliger Radprofi gewann er selbst 30 Triathlons und nahm an 28 Wettkämpfen über die Langdistanz teil. )