Sobald die Tage im Frühling wärmer werden und die Sonne die Natur zum Wachsen animiert, sind sie wieder unterwegs – die Pollen, die manchem Sportler das Leben schwer machen.
Niesreiz, tränende Augen, Hautschwellungen, Ausschlag, Juckreiz und eine laufende Nase können Anzeichen einer Allergie sein. Es gibt vielfältige Ursachen. Gräser-, Blumen- und Baumpollen, Katzenhaare, Duftstoffe, Staub und Insektengifte, aber auch bestimmte Nahrungsmittel können die Lebensqualität zum Teil erheblich einschränken. Welchen Einfluss insbesondere der Pollenflug im Frühjahr und Sommer auf die vielen Freizeitsportler hat, erläutert der Freiburger Facharzt Dr. Kurt Johannes Schmieg im Interview.
Herr Dr. Schmieg, wodurch wird eine Allergie denn genau ausgelöst?
Vereinfacht gesagt, gelangen während der körperlichen Belastung beim tiefen Einatmen die Pollen bis in die kleinsten Atemwege. Dabei wird die an sich harmlose Polle vom Organismus als bedrohlicher Eindringling wahrgenommen und kann bei prädisponierten Sportlern einen akuten Asthmaanfall auslösen. Das körpereigene Abwehrsystem wird irrtümlich auf den Plan gerufen und bekämpft die Polle mit schweren Geschützen, als würde es sich dabei um einen todbringenden Gegner handeln. Hierbei handelt es sich um Abwehrmechanismen auf zellulärer Ebene, die darin münden, dass sich bei einem Asthmaanfall die Bronchien verengen und die Atmung mit der möglichen Folge eines Atemwegversagens erschweren. Kurzum, die Allergiesymptome sind eine Folge der körpereigenen Abwehr.
Klingt bedrohlich. Sollten betroffene Personen in Phasen des Pollenfluges generell auf Ausdauersport im Freien verzichten oder nur dann draußen trainieren, wenn es regnet?
Regen bringt bekanntlich Segen! Sicherlich hat für Pollenallergiker ein Regenschauer eine gewisse reinigende Wirkung, da sich danach weniger Pollen in der Luft befinden, aber generell nur bei Regenwetter zu trainieren, halte ich dann auch nicht für sinnvoll. Diese Entscheidung hängt maßgeblich von der Schwere der Erkrankung und der Pollenbelastung in der Luft ab und sollte deshalb im Einzelfall – auch in Absprache mit dem behandelnden Arzt – vorgenommen werden. Definitiv ist es bei starkem Pollenflug sinnvoller, in der Halle oder dem Fitness-Studio zu trainieren!
Und welche Vorsichtsmaßnahmen empfehlen Sie, wenn ich mich unbedingt in der freien Natur sportlich betätigen möchte?
In erster Linie sollte man sich im Freien weniger intensiv belasten als sonst. Dabei gilt: Je höher die körperliche Belastung, umso größer ist auch die Pollenbelastung der Atemwege. Asthmatiker sollten sich nicht nur gut aufwärmen, sondern auch der Nasenatmung den Vorzug geben. Durch die Anwärmung und die Filterwirkung der Nase wird die Belastung der tiefer gelegenen Atemwege vermindert! Des Weiteren sind in den frühen Morgen- und späten Abendstunden weniger Pollen unterwegs. Noch ein Tipp: Wer die Möglichkeit hat, sollte in der Höhe oder am Meer trainieren! Dort ist die Pollenkonzentration in aller Regel geringer bis gar nicht vorhanden.
Welchen Stellenwert nehmen in diesem Umfeld medikamentöse Therapien ein?
Einen hohen! Es gibt eine Vielzahl von Allergie- und Asthmamedikamenten in Spray- Tabletten- und Tropfenform. Die Symptome können häufig gut gemildert werden und ein nahezu normales Leben ermöglichen. Leider können die unterschiedlichen Substanzen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen, wie beispielsweise Herzrhythmusstörungen, führen. Aus diesem Grund gehört deren Anwendung auch in die Hände erfahrener Ärzte. Nicht zuletzt stehen auch viele der Stoffe auf der Dopingliste! Auch wenn einige Hersteller es anders sehen mögen ‒ nebenwirkungsfreie „Wundermedikamente“ gibt es meines Wissens nach definitiv nicht!
Und homöopathische Mittel?
Wer heilt, hat recht. Plausible Erklärungen für die Wirkung von Hahnemanns Lehre gibt es keine. Ein Vorteil besteht sicherlich darin, dass keine Nebenwirkungen auftreten. Auf jeden Fall sollten Allergiker/Asthmatiker immer ihre Notfallsets dabei haben!
Können Impfungen helfen?
Bei Impfungen spricht man auch von Desensibilisierungen. Die oft jahrelang dauernde Behandlung birgt aber auch Nachteile, und zwar in der Form, dass der Körper überreagieren kann. Angefangen von harmlosen Rötungen der Einstichstelle bis hin zu Kreislaufproblemen mit Atemnot und allergischem Schock mit entsprechender notfallmedizinischer Behandlung. Deshalb sollte eine Desensibilisierung nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Und Akupunktur?
Von Fall zu Fall sicherlich, wie ich aus eigener Erfahrung mit Sportlern in meiner Praxis bestätigen kann, aber der Erfolg hängt auch von der Schwere der Allergie ab.
Symptome des allergischen Schocks:
- Quaddelbildung mit starkem Juckreiz
- Kratzen/Schluckbeschwerden im Hals
- Übelkeit, Erbrechen
- Juckreiz, Rötung von Haut und Schleimhaut
- Atemnot, Asthmaanfall
- Unruhe, Angst
- Bewusstseinverlust
- beschleunigter oder verlangsamter Puls
- Krampfanfälle
- Harn- und Stuhlabgang
- Bewusstlosigkeit und Atemstillstand
Therapie/ Notfallset:
- Antihistaminikum
- Kortison-Trinkampulle
- Adrenalinspritze
- NOTARZT verständigen
- NOTAUFNAHME aufsuchen
Dr. med. Kurt Johannes Schmieg ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie mit dem Schwerpunkt Sportkardiologie. Der in Freiburg im Breisgau niedergelassene Facharzt und ambitionierte Triathlet ist Autor umfangreicher Fachpublikationen und ein gefragter Interviewpartner.
Interview: Klaus Arendt
Foto: fotolia/pololia