Stephan Vuckovic erklärt, wie man sich seiner Meinung nach in einer Woche Schwimmseminar um zehn Sekunden auf 100 Meter Kraul verbessern kann.
Wie heißt es so schön: Der Winter ist die Jahreszeit, in der die Triathleten an ihrer Schwimmtechnik arbeiten sollten. Jein! Ich würde es eher etwas anders formulieren: Im Winter sollten Triathleten noch mehr als im Sommer an ihrer Schwimmtechnik feilen. Selbst im Sommer sollte meiner Meinung nach der Großteil der Triathleten immer wieder Technikübungen in ihr Training einfügen. Im Winter hat man allerding eher die Möglichkeit, intensiv über die Schwimmtechnik nachzudenken und diese auch mal radikal zu ändern. Das ist auch der Grund, warum ich seit einigen Jahren im Winter Schwimmseminare und Schwimmtrainingslager anbiete, in denen ich Athleten meine Erfahrung aus über 25 Jahren Leistungssport weitergeben.
Es gibt viele Ansichten und Philosophien zum perfekten Kraulstil
Bevor ich überhaupt mit technischen Inhalten beginne, kläre ich mit den Athleten Grundsätzliches. Es gibt unzählige Meinungen, Ansichten, Philosophien und Theorien über das optimale Kraulschwimmen auf dem Markt, daher sage ich meinen Athleten vorab, dass ich das lehre, was in der Weltspitze im Becken in den Finals geschwommen wird. Außerdem bitte ich die Athleten mir auch mitzuteilen, wenn sie womöglich bei einem anderen Seminar oder Coach etwas anderes gelehrt bekommen haben. In solchen Fällen versuche ich den Athleten zu erklären, warum ich anderer Meinung bin und meinem Empfinden nach zum Beispiel der Armzug in dieser Form oder die Atmung auf diese Weise ablaufen sollte. Meine Athleten sollen diese verschiedenen Theorien selbst im Wasser ausprobieren, sich Videos von Langstreckenschwimmern bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen anschauen und danach selbst entscheiden, was sie für richtig halten.
„Kilometer fressen“ Fehlanzeige
Wer bei mir „Kilometer schrubben“ will, hat sich den falschen Coach ausgesucht. Die meisten Triathleten haben solche Defizite bei der Schwimmtechnik, dass fast jeder Meter in Technikübungen investiert werden sollte. Und selbst bei den Athleten, die schon einen (fast) perfekten Schwimmstil haben, empfehle ich eine Kombination aus Kraft- und Technikprogrammen. Dabei sind mir Übungen wichtig, die zwei Ziele verfolgen:
• Die Effektivität des Armzugs soll verbessert werden
• Der Wasserwiderstand soll verringert werden
Hierzu habe ich Technikprogramme entwickelt, die jeweils aus acht verschiedenen Technikübungen bestehen, wobei jedes Technikprogramm eine andere Zielstellung verfolgt und je nach Leistungsniveau circa eine Stunde dauert. Einige dieser Programme dienen beispielsweise dazu, die Gleitphase zu optimieren, andere wiederum verbessern die Wasserlage oder arbeiten jeden einzelnen Abschnitt des „optimalen“ Armzugs ab. Damit sich die Athleten auch bewusst sind, warum eine bestimmte Übung gemacht werden soll, erkläre ich, warum wir uns gerade auf diesen kleinen Teilabschnitt des Armzugs konzentrieren, warum die Hand, der Ellbogen oder der Kopf in dieser Position sein soll, was diese Position beim Schwimmen bewirkt bzw. eine andere Position für Fehler oder sogar Fehlerketten hervorruft.
Tipps für die nächste Schwimmeinheit
Kleine, einfach umsetzbare Beispiele kann jeder selbst im nächsten Training ausprobieren und umsetzen:
Probiert selbst mal aus, wie wichtig die Position des Kopfes beim Schwimmen ist indem ihr einmal eine Bahn das Kinn auf die Brust nehmt und darauf achtet, was mit dem Rest vom Körper beim Schwimmen passiert. Auf der nächsten Bahn sollte der Kopf in den Nacken genommen werden, sodass die Augen noch unter Wasser sind und nach vorne geschaut wird. Auch hier ist es interessant zu beobachten, welche Auswirkungen die veränderte Kopfhaltung auf den Rest vom Körper hat. Solche extremen Kopfhaltungen hat natürlich fast kein Triathlet, aber sie können einem verdeutlichen, welche negativen Effekte selbst eine kleine Abweichung von der optimalen Position des Kopfes haben kann.
Dass man einen effektiveren, längeren Armzug erlangen kann, indem man versucht am Ende des Armzugs „Wasser rausspritzen“ zu lassen, ist allseits bekannt. Hier ist aber die Richtung entscheidend, in die das Wasser rausgespritzt wird. Immer wieder sehe ich Athleten diese Übung machen, aber wenn die Hand das Wasser verlässt, spritzt das Wasser nach oben, was bewirkt, dass man sich eher unter Wasser als nach vorne drückt. Daher sollte man bei dieser Übung unbedingt darauf achten, dass das Wasser nicht nach oben, sondern nach hinten weg rausgespritzt wird.
Um eine bessere Wasserlage zu spüren und langfristig zu erreichen, hilft folgende Übung. Die erste Hälfte der Bahn wird Rücken geschwommen, auch wenn man meint, das nicht zu können. In der Mitte der Bahn dreht man sich in Bauchlage und schwimmt Kraul weiter. Genau nach dieser Drehung in Bauchlage soll man auf den ersten fünf Kraulmetern achten und spüren, wie sich die Wasserlage zum Positiven ändert.
Es gibt unzählige weitere Übungen, um die Schwimmtechnik zu verbessern, und ich empfehle wirklich jedem Athleten, sich ein paar Gedanken mehr über die richtigen Abläufe im Wasser zu machen. Meine Erfahrungen zeigen, dass sich Athleten innerhalb einer Woche eines Schwimmcamps um bis zu 10 Sekunden auf 100 Meter verbessern. Nicht, weil sich ihr Herz-Kreislauf-System in einer Woche so enorm entwickelt hat, sondern weil sie verstanden haben, worauf es im Wasser ankommt.