Welche Faktoren beeinflussen mein Training und das Erreichen meiner sportlichen Ziele und wie gehe ich damit um, wenn ich meine Ziele nicht erreiche. Ein Artikel von Jörg Schneider.
Nach den Grundlagen im ersten Kapitel dieser Mental-Serie möchte ich mich in diesem Artikel den sogenannten neurologischen oder auch Dilts’schen Ebenen – benannt nach Robert Dilts – zuwenden. Sie sind angeordnet in Pyramidenform, bauen also analog der Maslow’schen Bedürfnispyramide aufeinander auf. Es gibt sechs Ebenen, die sich in zwei Blöcke teilen: Heute geht es um die Ebenen Kontext, Verhalten und Fähigkeiten.
Warum sollte mich das interessieren? Weil ich – siehe „Die mentale Komponente im Triathlon – Teil 1“ – alternativ unbewusst inkompetent bleiben darf – ich verstehe einfach nicht, warum ich mit meinem (rein körperlichen!) Training keine Fortschritte mache und habe keinen blassen Schimmer, warum das wohl so ist. Oder ich lerne, werde kompetenter… Also, legen wir los.
Die erste Ebene: Kontext/Umfeld
Unser Umfeld prägt uns sehr, ermöglicht uns auf der einen Seite vieles (z.B. überhaupt unseren Sport ausüben zu können), schränkt uns jedoch auf der anderen Seite ein (z.B. nicht in dem Ausmaß trainieren zu können, wir wir das gerne täten bzw. bräuchten, um unsere Ziele zu erreichen). Kontext ist ergo extrem wichtig. Deshalb sind gewisse fundamentale Entscheidungen (z.B. dem Standard-Modell einer angepassten kapitalistischen Gesellschaft zu folgen und ein Haus zu bauen, eine Familie zu gründen und einem Angestelltendasein nachzugehen) von solch weitreichender Tragweite.
Wichtig: Das ist keine Bewertung in irgendeiner Art und Weise. Es gibt auch hier kein definitives Richtig oder Falsch. Aber unsere Lebensentscheidungen machen bestimmte Dinge einfacher oder schwerer. Selbstverständlich gibt es jede Menge Athleten, die sich trotz Job, Familie und Haus für Kona qualifizieren. Es ist halt nur schwerer als ohne. Ähnlich wichtige Kontext-Variablen sind die Trainingsbedingungen (Schwimmbad, Rad- und Laufstrecken, Triathlon-Verein, etc.). All das ist Kontext und beeinflusst, wie schwer wir es uns machen durch weitreichende Entscheidungen unseres Trainingsumfelds.
Die zweite Ebene: Verhalten
Auf der Verhaltensebene ist in diesem Kontext logischerweise wichtig, was wir tun? Was kann ein unbeteiligter Dritter von außen beobachten? Wie diszipliniert ist beispielsweise ein Athlet? Schlägt er sich drei Mal pro Woche die Nächte auf Partys um die Ohren? Hat er Phasen von hohen Trainingsumfängen, die sich mit Phasen von süßem Nichtstun abwechseln? Übertreibt er es im Trainingslager regelmäßig dermaßen, dass er zuhause angekommen gleich für drei Wochen krank wird und so den erzielten Trainingseffekt wieder auf Null zurücksetzt (ein immer wieder gern gemachter Fehler)? Nebenbei beeinflussen sich die Ebenen natürlich. Unser Umfeld kann sehr prägend auf unser Verhalten sein (z.B. erscheint es für die meisten Triathleten in meinem Umfeld als völlig „normal“, zehn, zwölf oder mehr Stunden pro Woche netto in das Training zu stecken – erzähl’ das mal „normalen“ Menschen). Anders herum prägt unser Verhalten auch unser Umfeld, in dem wir dieses auswählen oder nach unseren Vorstellungen verändern.
Die dritte Ebene: Fähigkeiten
Auf der Ebene der Fähigkeiten schauen wir uns an, wie wir etwas machen. Wie führen wir eine bestimmte Tätigkeit aus, wie trainieren wir? Folgen wir einem Programm, zielgerichteten Prozessen, einer Strategie? Hier können wir wieder mit dem Beitrag von letzter Woche vergleichen: Habe ich überhaupt eine Strategie und wenn ja, welche? Führt diese mich planvoll von A nach B (z.B. nach Kona)? Bin ich in der Lage (Fähigkeit!), zu erkennen, wenn etwas nicht funktioniert und meine Strategie bzw. mein Verhalten oder Umfeld entsprechend anzupassen? Wenn ich mir hier wieder kritisch die Triathleten-Landschaft anschaue: Offenbar trifft das für eher Wenige zu. Da wird – analog zum Rest des Lebens – gern nach der Strategie verfahren: Mehr vom Gleichen. Die Strategie funktioniert zwar nicht, aber wenn wir nun statt 12 lieber 15 Trainingsstunden pro Woche absolvieren, wird das Wunder wirken. Na klar – und den Osterhasen gibt’s auch. Statt mehr von dem zu tun, was ohnehin nur suboptimal fruchtet, wäre eine fabelhafte Strategie, einmal kurz inne zu halten und das eigene Tun zu hinterfragen. Wenn du einen Coach hast, kannst du bei dieser Gelegenheit gleich mal testen, wie gut der Junge oder das Mädchen wirklich drauf ist – wenn er/sie rumzickt, ist das ein gutes Signal, sich freundlich zu verabschieden und nach einem kompetenteren Partner umzusehen.
Auch hier gilt: Unsere Fähigkeiten wirken auf unser Verhalten.Logisch: Ich kann nur das tun, was ich beherrsche – ich kann nur das Verhalten an den Tag legen, zu dem ich fähig bin. Anders herum ist es fast noch zwingender: Um bestimmte Fähigkeiten zu erlangen, muss ich ein entsprechendes Verhalten an den Tag legen. Zum Beispiel Zeit in meine Bikehandling-Skills investieren, weil es mich zum zweiten Mal auf die Nase gelegt hat oder weil ich merke, wie ich in jeder Kurve entscheidende fünf Meter auf andere verliere.
Fazit
Es mag dem einen oder anderen Triathleten helfen, sich einmal – gerade jetzt in der für die meisten angebrochenen Off-Season – für ein paar Stunden zurückzuziehen und sich Gedanken über die oben angesprochenen Punkte zu machen.
- Wie sieht es mit meinem Umfeld aus? Was genau könnte ich daran optimieren, um meine Zielerreichung zu verbessern?
- Wie sieht es mit meinem Verhalten aus? Was kann ich in diesem Zusammenhang optimieren?
- Wie sieht es mit meinen Fähigkeiten, Prozessen, Strategien aus? Möchte ich auch in Zukunft unreflektiert das gleiche Verhalten wie in der Vergangenheit an den Tag legen oder reflektieren und entsprechende Änderungen vornehmen?
Ein Klassiker ist das Vereinstraining. Ich möchte (und kann) gar nichts dagegen sagen. Ich glaube tatsächlich, dass sich viele gute Übungsleiter wahrlich bemühen, ein regelmäßiges und für die meisten Vereinsmitglieder passendes Training anzubieten. Wenn du aber ambitioniert bist und selbstgesteckte Ziele erreichen willst, ist die Frage, wie individuell dieses Training sein kann und ergo wie effektiv es dich bei deiner Zielerreichung unterstützt. Aber selbst Athleten mit einem (angeblich) individuellen Trainingsplan dürfen sich die Frage nach der Zielgerichtetheit, nach der dahinter liegenden Strategie und nach der Effektivität und Effizienz ihres Plans stellen.
Im Leistungssport gilt hier die Maxime, das eben genau diese Leistung, die schon im Wort steckt, gut gemessen werden kann (Ergebnisse) und als Gradmesser dienen sollte. Hier sollte aber auch neben der reinen Platzziffer oder Zeit für uns Amateure das ökonomische Prinzip als Massstab angelegt werden: Welches Ergebnis wurde mit welchem Aufwand erreicht? Hier können wir getrost unsere Kurzdistanz-Elite als warnendes Negativ-Beispiel heranziehen: Wer mit so viel Aufwand so schlechte Ergebnisse erzielt, muss einfach etwas falsch machen. Was uns direkt zum folgenden Artikel in der kommenden Woche führt. Denn die ersten drei Ebenen aus Umfeld, Verhalten und Fähigkeiten können (zumindest aus der Entfernung betrachtet) bei unserem DTU-Kader kaum verbessert werden. Aber es kommen ja noch die drei „höheren“ Ebenen, wo meistens der Hase im Pfeffer liegt und der Unterschied zwischen wahren Champions und der Masse des Hauptfeldes zu finden ist.
Teil 3 der Serie folgt nächste Woche.
Text: Jörg Schneider
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