Präsident Prof. Dr. Engelhardt zur Olympianominierung

Prof Dr Martin EngelhardtDie Deutsche Triathlon Union steht im Jahr der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro vor einer noch nie dagewesenen Situation. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat mit Anne Haug (Saarbrücken) nur eine Athletin für das olympische Triathlon-Rennen nominiert.

 

Haug erbrachte als einzige Triathletin die sportliche Qualifikation gemäß den nationalen Nominierungskriterien der DTU und des DOSB. Die DTU hatte zunächst vier weitere Athleten zur Nominierung vorgeschlagen: bei den Damen aus teamtaktischen Gründen, Anne Haug zu unterstützen, und bei den Herren aus verbandspolitischen Gründen, da die Sportler in jahrelangen harten Qualifikationsrennen fünf olympische Quotenplätze erkämpft hatten. DTU-Präsident Prof. Dr. Martin Engelhardt äußert sich zur aktuell schwierigen Situation.

Herr Prof. Dr. Engelhardt, nur eine Triathletin wird bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro die DTU-Farben vertreten. Wie beurteilen Sie die Entscheidung des DOSB?
Die Nominierungsentscheidung enttäuscht uns natürlich, weil wir auf der weltgrößten Sportbühne nun nicht wie geplant mit fünf Sportlern vertreten sind. Es ist schade, dass der DOSB unserer sportfachlichen Einschätzung, aus teamtaktischen und sportartpolitischen Beweggründen alle Plätze zu besetzen, nicht gefolgt ist.

Was bedeutet das für die Sportart?
Für unsere junge Sportart und speziell die olympische Kurzdistanz ist das in Deutschland ein großer Schaden. Auch der Weltverband hat sich erschüttert gezeigt, dass Deutschland, das über den heutigen IOC-Präsidenten Dr. Thomas Bach maßgeblich dazu beitrug, dass Triathlon in das olympische Programm aufgenommen wurde und als eine der führenden Nationen in unserem Sport gilt, vier Quotenplätze zurückgeben will und damit die Chance zur Präsentation auf der größten Bühne des Sports ungenutzt lässt. Mit Blick auf die Auswirkung und die Motivation unserer jungen Athleten, die jahrelang Entbehrungen auf sich nehmen sollen, um für den Traum von Olympia zu kämpfen, ist eine solche Situation nicht förderlich. Letztlich schädigt sie nicht nur die betroffenen Athleten, sondern das positive Gesamtanliegen des Sports innerhalb der Gesellschaft.

Einen Tag vor der Nominierungsrunde durch den Vorstand des DOSB erwirkte die nicht vorgeschlagene Kader-Athletin Rebecca Robisch per erfolgreicher Klage, dass auch sie von der DTU zur Olympianominierung benannt werden muss. Sehen Sie da einen Zusammenhang mit der DOSB-Entscheidung?
Inwieweit ein Zusammenhang zwischen dem Schiedsspruch der für den Sport zuständigen Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit und der Entscheidung durch den DOSB besteht, ist spekulativ, aber wahrscheinlich. Die offizielle Begründung ist die fehlende Normerfüllung der Athletinnen und Athleten.

Aufkeimende Kritik besagt, dass die DTU mit dem letztlichen Nominierungsvorschlag von vier Frauen für zwei Plätze zu der negativen Entscheidung beigetragen hat…
Diese Kritik greift eindeutig zu kurz und zeugt – Entschuldigung, dass ich das so deutlich sagen muss – von fehlender Kenntnis der gesamten Prozesse, vor allem vor dem Hintergrund einer kurzfristigen gerichtlichen Anweisung. Fakt eins ist: Die DTU musste aufgrund der Unterwerfung und Anerkennung der Sportgerichtsbarkeit das Urteil des Gerichtes befolgen und daher Frau Robisch benennen. Fakt zwei ist: Unsere sportfachliche Einschätzung hat sich durch die Klage natürlich nicht verändert. Fakt drei ist: Dieses Urteil fiel einen Tag vor der Nominierungssitzung. Also blieb der DTU nichts anderes übrig als die Vorschlagsliste zu erweitern. Ein weiterer Aspekt ist, dass die DTU den Vertraulichkeitsregularien der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit folgt und daher äußern wir uns zu keinen Details der juristischen Auseinandersetzung mit der Athletin.

Waren die Nominierungskriterien vielleicht zu anspruchsvoll?
Auch hier greift eine derartige Argumentation nicht weit genug. In unserer Zielvereinbarung mit dem DOSB hatten wir 2013 festgehalten, eine Medaille und eine Top Acht-Platzierung erreichen zu wollen. An diesem Ziel haben sich die Kriterien orientiert, mit der Voraussicht, dass in 2016 nicht alle Topathleten an den Startlinien der WM-Rennen stehen, wie es dann auch der Fall war. Dass die Athleten das Potenzial dazu haben, haben sie in den vergangenen drei Jahren punktuell unter Beweis gestellt. Wichtig zu bedenken ist auch, dass die Nominierungskriterien aus unserer Sicht ein Anrecht auf persönliche Nominierung eines Athleten darstellen. Daher wird ein an der Zielstellung angemessener Leistungsnachweis eingefordert. Werden diese Kriterien nicht erfüllt, bedeutet das aus Sicht des Verbandes gleichwohl nicht, dass die erkämpften Quotenplätze für Deutschland an andere Nationen zu vergeben sind. Diese Entscheidung ist für das Ansehen des Sports in der Gesellschaft schlecht. Wie sollen wir junge Menschen denn so für den Sport begeistern? Für diesen Fall der Fälle haben wir auch extra die Möglichkeit der Nominierung aus teamtaktischen Gründen aufgenommen. Aber diese hat der Schiedsspruch überraschenderweise als unzulässig erklärt.

Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Bezogen auf Olympia hoffen wir noch auf eine Nachnominierung von Laura Lindemann, die als zweifache Junioren-Weltmeisterin und Deutschlands Juniorsportler des Jahres 2015 tolle Resultate auch im Elitebereich abgeliefert hat und das größte deutsche Triathlon-Talent ist. Natürlich unterstützen wir Anne Haug bestmöglich, um ein gutes Resultat in Rio erzielen zu können. Darüber hinaus müssen wir sehen, was nicht wie erhofft verlaufen ist, und die nötigen Schritte einleiten. Nicht zu vergessen ist die große Aufgabe, junge Menschen an den Sport und an die Sportart Triathlon heranzuführen. Diese ist durch die Nicht-Nominierungen nicht einfacher geworden, aber wir stellen uns den Aufgaben.

Text | Foto: Pressemitteilung Deutsche Triathlon Union e.V.