Was ist, wenn zwar die Nährstoffversorgung stimmt, mit den Lebensmitteln aber gleichzeitig unnötige, potenziell die Leistung beeinträchtigende oder sogar schädliche Inhaltsstoffe wie Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker oder Pestizide aufgenommen werden? Immer mehr Aktive greifen daher nicht nur zu Wurzeln, sondern gleich zu Bio-Wurzeln. Die Bezeichnungen „Bio“ und „Öko“ sind in der EG-Öko-Verordnung geregelt und gesetzlich geschützt. Unter den derzeit fast 60.000 Produkten, die das sechseckige, grün umrandete deutsche Bio-Siegel tragen, sind inzwischen fast genauso viele ernährungsphysiologisch fragwürdige Produkte wie bei den konventionellen. Und seitdem im Juli 2010 das neue, EU-einheitliche Bio-Siegel „euro-leaf“, ein aus weißen Sternen auf grünem Grund nachempfundenes Blatt, eingeführt wurde, hat die Zahl der Bio-Produkte weiter zugenommen. Für das EU-Siegel gelten dieselben Anforderungen wie für das deutsche Bio-Siegel. Die Zutaten müssen zu mindestens 95 Prozent aus ökologischem Anbau stammen und dürfen nur eine definierte Anzahl an Zusatzstoffen enthalten. Von diesen sind einige aber bei Verbraucherschutzorganisationen umstritten. Viele Öko-Verbände mit eigenen Siegeln wie Demeter oder Bioland legen Maßstäbe an, die deutlich über den EU-Mindeststandard hinausgehen.
Wieder entscheidet die Lebensmittelauswahl
Stammten noch vor wenigen Jahren überwiegend Gemüse, Obst und Fleisch aus der Bio-Produktion, decken Bio-Produkte inzwischen nahezu die gesamte Lebensmittelpalette ab. Wer damals überwiegend zu „Bio“ griff, hatte deshalb fast automatisch eine empfehlenswerte Lebensmittelauswahl. Heute ist es ein Leichtes, sich zwar komplett „Bio“, aber dennoch „fehl“ zu ernähren. Mit der Nationalen Verzehrsstudie II konnte dokumentiert werden, dass sich die Verwender von Bio-Lebensmitteln ernährungsphysiologisch hochwertiger versorgen als Nicht-Biokäufer. Bio-Käufer verzehren im Durchschnitt mehr Obst und Gemüse, aber weniger Fleisch, Wurstwaren, Süßigkeiten und Limonaden als Nicht-Bio-Käufer. Dies aber nicht, weil sie „Bio“ kaufen, sondern weil ihre grundsätzliche Lebensmittelauswahl besser ist als die der Nicht-Bio-Käufer. Werden objektiv messbare Kriterien angelegt, schneiden Bio-Produkte hinsichtlich ihres Vitamin- und Mineralstoffgehaltes in den meisten Untersuchungen grundsätzlich nicht besser ab als konventionelle. Die Sorte, die Saisonalität und der Anbauort entscheiden über den Nährstoffgehalt. Ein konventioneller Apfel der Sorte Boskop enthält mehr Vitamine als ein Granny Smith aus Bioanbau. Selbst einen höheren Gehalt an bioaktiven Substanzen können Bio-Produkte zumeist nicht aufweisen.
Weniger ist mehr, deshalb Bio!
Als klarer Punktsieger gehen Bio-Produkte beim Vergleich der Schadstoffbelastung hervor. Obst und Gemüse aus biologischem Anbau enthalten deutlich weniger Pestizide oder andere Giftstoffe. Aber auch 90 Prozent der Lebensmittel aus konventionellem Anbau liegen unter den gesetzlichen Grenzwerten und stellen zumindest nach offizieller Lesart kein Gesundheitsrisiko dar. Rückstände in Lebensmitteln sind nach der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln unvermeidbar. Hier stellt sich die Frage, wie Mehrfachrückstände toxikologisch zu bewerten sind. Bio-Produkte schneiden auch hier deutlich besser ab. Dafür sind Öko-Produkte oft mit etwas mehr Keimen belastet, kommen aber auch mit weniger Konservierungsstoffen aus. „Bio“ gibt Sicherheit beim Fleisch, da von einer artgerechten Haltung und Schlachtung der Tiere ausgegangen werden kann. Artgerecht gehaltenes Vieh gilt als weniger stressanfällig und erkrankt seltener. Wildfische dürfen nicht als „Bio“ gekennzeichnet werden. Bio-Fisch gibt es daher nur aus der biologischen Aquakultur. Bio-Lebensmittel sind nicht automatisch besser oder gar gesünder. Auch bei ihnen müssen die Auswahl und Menge den individuellen und triathlonspezifischen Erfordernissen entsprechen. Wer bereit ist, im Schnitt 30 bis 50 Prozent mehr für Bio-Lebensmittel auszugeben, kann gerade als Triathlet profitieren. Zwar wird zumindest nach wissenschaftlichen Kriterien der Anteil wertgebender Inhaltsstoffe nicht größer sein als bei herkömmlichen Lebensmitteln. Wer aber sich und seinen Körper regelmäßig intensiven Belastungen aussetzt, sollte auf alles verzichten, was eine zusätzliche, meist chemische Belastung verheißt. Weniger Schadstoffe sind daher ein Argument, das für Ausdauersportler Priorität haben sollte.
Text: Uwe Schröder
Foto: Andreas Schur
Uwe Schröder studierte Oecotrophologie sowie Erziehungs- und Sportwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Giessen und arbeitete im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Rijksuniversiteit Limburg, Maastricht/Niederlande. Uwe Schröder ist als Ernährungswissenschaftler am Institut für Sporternährung e. V., Bad Nauheim, angestellt. Zu seinen Aufgaben zählen die Durchführung wissenschaftlicher Studien sowie die Ernährungsberatung bei Freizeit- und Leistungssportlern sowohl im Erwachsenen- / Profibereich als auch bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Patienten der Sportklinik Bad Nauheim. Seit über zehn Jahren ist Uwe Schröder Lehrbeauftragter für Sporternährung an der Hochschule Fulda, Fachbereich Oecotrophologie.