Fragt man seinen Arzt oder seine Ärztin nach den gesündesten Sportarten, so werden Laufen, Radfahren und Schwimmen auf dieser Hitliste ganz oben erscheinen. Eine Kombination dieser drei Bewegungsformen könnte man dann getrost als Superhit bezeichnen.
Auch wenn man Triathlon primär fitness- beziehungsweise leistungsorientiert betreibt, bekommt man die positiven gesundheitlichen Wirkungen gratis „im Paket“ mitgeliefert. Bleibt man dieser Sportart dann treu oder beginnt man erst im reiferen Alter mit dem Triathlon, wird der gesundheitsfördernde Aspekt zunehmend interessant. Gesundheit steht schließlich auf der Wunschliste der meisten Menschen ganz oben.
Die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland hat in den letzten hundert Jahren um 20 bis 30 Jahre zugenommen. Da unsere genetische Beschaffenheit nahezu unverändert geblieben ist, sind bei längerer Lebensdauer zunehmende Verschleißprozesse, beispiels- weise am Herz-Kreislauf-System, Bewegungsapparat und Gehirn vorprogrammiert. Funktionseinbußen und Beschwerden mit Beeinträchtigung der Lebensqualität, insbesondere in der zweiten Lebenshälfte, sind die Folge.
Wie kann der Spagat zwischen „alt werden“ und „jung bleiben“ am besten gelingen?
Nicht wenige vertrauen auf die Entwicklungen der Medizin und die ärztliche Reparatur verschlissener Strukturen. Beim Ersatz von Hüft- oder Kniegelenken ist das ab einem gewissen Stadium auch eine gut funktionierende „Notlösung“. Bei komplexeren Organen, wie dem Herz-Gefäß-System oder gar dem Gehirn, wird es schon deutlich schwieriger. Eine vernünftige Strategie versucht, Verschleißerkrankungen aktiv vorzubeugen, um diese Reparatureingriffe möglichst lange hinauszuziehen. Auf dem immer längeren Lebensweg ist Ausdauer im weitesten Sinne gefragt. Beim Training der sportlichen Ausdauer kommt es darauf an, dass ein größerer Anteil der Gesamtmuskulatur über einen längeren Zeitraum mit einer bestimmten Intensität rhythmisch und dynamisch aktiviert wird. Diese Voraussetzun- gen werden beim Triathlon sehr gut abgearbeitet. Über die Trainings- und Gesundheitseffek- te liegt eine beeindruckende Zahl wissenschaftlicher Befunde vor. Mittlerweile gibt es kaum eine medizinische Fachgesellschaft, die – neben der Ernährung – die sportliche Bewegung nicht in den Mittelpunkt der präventiven Gesundheitsvorsorge stellt.
Warum ist Ausdauertraining nicht nur fitness-, sondern auch gesundheitsförderlich?
Am einfachsten lässt sich der physiologische Zusammenhang zwischen Fitness- und Gesundheitseffekten über die Sauerstoffaufnahmefähigkeit erklären. Beim Ausdauertraining wird die Energie im Wesentlichen aus der Verbrennung von Kohlenhydraten und Fetten gewonnen. Dabei werden Kohlenhydrate und Fette über eine Vielzahl von Einzelschritten zu Kohlendioxid, Wasser und Energie verbrannt: ein sehr eleganter und schadstofffreier Verbrennungsvorgang. Beim Sport wird über das Herz-Kreislauf-System vermehrt Sauerstoff in die aktive Muskulatur transportiert. Je besser die beteiligten Helfer ‒ vor allem Herz und Gefäße, Stoffwechsel, Muskulatur und Nervensystem trainiert und eingespielt sind ‒ desto mehr Sauerstoff können wir in unseren Körper hineinbringen. Der beste Weg, den Sog von Sauerstoff in die Zellen zu verbessern, ist ein regelmäßiges ausdauerbetontes Training. Mit diesem mehr an Sauerstoff in den menschlichen Zellen wird auch der positive Gesundheitseffekt verständlich, der mit regelmäßigem Ausdauertraining automatisch einhergeht. Eine bessere Fitness kann deshalb das Krankheitsrisiko für viele Organe deutlich reduzieren. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass Trainingseffekte im Ausdauerbereich von unserem Organismus in jedem Alter erzielbar sind und dankbar angenommen werden. Da alle unsere Organe von dem über das arterielle Blut zufließenden Sauerstoff leben, wirkt der Gesundheitssport als Multitalent gegen ein vorzeitiges Altern. Körperliches Training ist die beste, vielleicht sogar einzig erfolgreiche „Anti-Aging“-Strategie.
Von den Allgemeinplätzen zum persönlichen Erfolgsweg
Sport ist hochwirksam, muss aber individuell angepasst dosiert werden. Wenn die Belastungsintensität – also beispielsweise beim Dauerlauf die Laufgeschwindigkeit – ein vom persönlichen Trainingszustand abhängiges Maß überschreitet, reicht der Sauerstoffnachschub für den aeroben Abbau nicht mehr aus. Notgedrungen wird dann ein zweiter zur Verfügung stehender Weg, die anaerobe Energiegewinnung, zunehmend mitgenutzt. Dabei entsteht allerdings als Abfallprodukt Laktat (Milchsäure), wodurch die Muskulatur zunehmend übersäuert. Habe ich mir angewöhnt, oft zu intensiv zu trainieren, werden sowohl die Fitness als auch die Gesundheit ausgebremst. Umgekehrt führt natürlich auch eine zu geringe Anstrengung zu keinem ausreichenden Sauerstoffsog in die Zellen. Weder die Ausdauer noch die Gesundheit kommen richtig in Schwung. Die „Kunst“ besteht also darin, die relativ gut nachvollziehbaren allgemeinen Empfehlungen auf meine individuelle Situation zu übertragen. Wo liegen meine Stärken und Schwächen? Welche Fehler, die andere vielleicht ganz gut wegstecken, können mich aus der Bahn werfen? Welche Trainingsmittel sind bei mir vielleicht besonders gut wirksam? Brauche ich weniger Grundlagenausdauertraining oder vielleicht mehr?
Vom Hochleistungssport lernen
Der Freizeitsportler kann von den Erfahrungen und aus Untersuchungen der „Extremvariante“ Hochleistungssport profitieren. Beim Hochleistungssportler hat die individuelle Analyse und die daraus aufbauende langjährige Planung eine besondere Relevanz. Aus der kontinuierlichen, längerfristigen Betreuung, die phasenweise dann auch sehr intensiv mit dokumentierten Daten, zum Beispiel in Trainingslagern, stattfinden kann, lassen sich die sportlichen Eigenheiten des Athleten erkennen. Neben der Förderung der Stärken gilt es, die Frage zu beantworten: Welche Faktoren führen an welche Strukturen bei dem betreffenden Sportler zu Überlastungsproblemen? Dahinter steht die Erkenntnis, dass die meisten Probleme durch individuell falsches Training entstehen. An dieser Stelle können typische Fallstricke genannt werden, die individuelle Lösung erfordert natürlich die persönliche Betrachtung. Es gibt Sportler, die neigen eher zu „orthopädischen“, andere mehr zu „internistischen“ Überlastungen. Insbesondere Letztere können dann in ein sogenanntes Übergangstrainingssyndrom hineinrutschen, was oft erst relativ spät auftritt, aber auch relativ lange anhalten kann. Die Ersteren werden durch ihren Bewegungsapparat oft schon vorher abgebremst. Beide „Typen“ brauchen ein ergänzendes koordinatives, gymnastisches oder kräftigendes Training. Bei Ersteren sollte es gezielter auf die Probleme ausgerichtet sein. Beim letzteren Typ muss man unter anderem beim spezifischen Training auf ausreichende Regenerationsreize achten.
Ein weiteres Beispiel ist die Ernährung. Natürlich muss jeder Triathlet gewisse Ernährungsgrundzüge beherzigen. Es gibt aber durchaus Typen, die können auf diesem Gebiet relativ großzügig agieren, während andere hier sehr akribisch sein müssen. Bei einem hohen Energieverbrauch spielt neben der kalorischen Versorgung auch die Aufnahme der Mikronährstoffe eine große Rolle. Ihre Resorption kann individuell sehr stark variieren, sodass im Einzelfall gezielt über die Ernährung – und in seltenen Fällen auch über Nahrungsergänzungsmittel – nachgebessert werden muss. Die Eisensubstitution ist insbesondere bei Athletinnen auch bei guter Ernährung ein häufig notwendiger „Eingriff“. Bei allen Maßnahmen muss stets die individuelle Indikation kritisch überprüft werden. Würde man „pseudoprophylaktisch“ sehr großzügig nach dem Gießkannenprinzip substituieren, könnte man ein „an sich“ funktionierendes System durcheinanderbringen und negative Effekte erzeugen.
Wirkungen …
Wichtige, insbesondere durch den Ausdauersport ausgelöste positive Anpassungen in verschiedenen Organsystemen sind in der Tabelle zusammengefasst:
In den letzten Jahrzehnten hat die sportmedizinische Wissenschaft eine Vielzahl durch Sport ausgelöster gesundheitsfördernden Mechanismen in unserem Organismus untersucht und nachgewiesen. Diese einzelnen Mosaiksteine (vergleiche Tabelle) ergänzen sich zu dem seit Jahrtausenden beschriebenen Bild des gesunden Sports. Regelmäßig betriebenes Ausdauertraining bietet weit mehr als nur den Schutz unserer Blutgefäße vor frühzeitiger Verkalkung. Auch die Schutzwirkungen gegen Verschleißerkrankungen reichen weit über das Herz-Kreislauf-System und den Bewegungsapparat hinaus. Nach neueren Erkenntnissen profitiert sogar unsere geistige Fitness. Wissenschaftlich wurde nachgewiesen, dass der Substanzverlust des Gehirns, der normalerweise mit dem Alter einhergeht, bei sportlich aktiven Personen geringer ist. Körperliches Training regt die Neubildung von Nervenzellen und Nervenverbindungen an. Was in der Kindheit den Aufbau fördern kann, erweist sich im Alter als Schutz vor Abbauprozessen. Das Risiko für das Auftreten der Parkinson- und Alzheimer-Erkrankung ist geringer.
Triathlon bietet neben den allgemeinen positiven Wirkungen noch einige spezifische, aus gesundheitspräventiver Sicht wünschenswerte Vorteile. Durch die Verteilung der Belastungselemente auf verschiedene Sportarten und die damit verbundene Vielseitigkeit ist das Überlastungsrisiko geringer. Gleichzeitig werden zum Beispiel durch das Schwimmen auch Muskelgruppen trainiert, die beim „reinen“ Läufer eher verkümmern. Wenn im Laufe des Lebens der Gesundheitsaspekt mehr in den Vordergrund rückt und möglicherweise auch – trotz Sport – gesundheitliche Probleme auftreten, kann man im Triathlon die Schwerpunkte im Training entsprechend anpassen. Das verschafft den Spielraum, um den Triathlonsport mit modifizierter Akzentuierung in der Regel auch bis ins hohe Alter betreiben zu können.
… und Nebenwirkungen!
Über das Positive könnte man noch lange schreiben. Man sollte aber dabei nicht vergessen, dass gerade auch ein potentes „Medikament“ mehr oder weniger schädliche Nebenwirkungen haben kann. Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen beim Sport sind Unfälle und Verletzungen. Das Risiko lässt sich durch entsprechende Vorkehrungen reduzieren, aber nicht wegschieben. Das Verletzungspotenzial wird neben individuellen Fehlverhaltungen im Wesentlichen durch die Sportart beziehungsweise der Belastungsform bestimmt. Ein Problem beim Radfahren liegt in der nicht sicher kalkulierbaren Unfallgefahr, insbesondere auf öffentlichen Straßen. Triathleten legen normalerweise einen hohen Wert auf ihre Ausrüstung. Aber auch bei regelmäßigem Radcheck und Tragen eines Helms bleiben Restrisiken. Manchmal aber gibt es auch vermeidbare individuelle Alltagsfehler, die zu schwerwiegenden Unfällen führen. Man sollte den Tacho nicht mehr im Auge haben als den Straßenverkehr. Manch einer hat schon versucht, am Schluss der Radeinheit im dichter werdenden Verkehr vor der eigenen Haustür den Kilometerschnitt zu „halten“ und dadurch einen Unfall provoziert. Auch bei akuten, insbesondere viralen Infekten wird häufiger versucht, den Trainingsplan noch krampfhaft „abzuarbeiten“. Das ist nicht nur aus leistungsphysiologischer Sicht häufig unsinnig, es birgt auch schwerwiegende gesundheitliche Gefährdungen. Normalerweise eher harmlose Viren nutzen solches Fehlverhalten gerne aus, um sich beispielsweise am Herzmuskel „festzubeißen“ und gefährliche Herzmuskelentzündungen auszulösen.
Aus der Betreuung von erfolgreichen professionellen Athleten bis hin zum Weltmeister oder Olympiasieger wissen wir, dass man sich für solche Spitzenleistungen während einer längeren Vorbereitungsperiode vor dem entscheidenden Wettkampf durchaus einige „asoziale“ Züge antrainieren muss. Will man auf diesem Niveau ganz oben stehen, so beherrscht zwangsläufig das Training in den letzten Monaten vor dem großen Wettkampf fast den gesamten Lebensrhythmus. Freizeitsportler sollten sich bei allem Ehrgeiz eher davor hüten, den Triathlon auf Dauer zum Zentrum ihres Lebensinhalts zu machen.
Ein weiterer, insbesondere auch im Freizeitsportbereich negativer Aspekt ist sicherlich der Missbrauch von Medikamenten bis hin zum Doping. Der unreflektierte und von manchen leider schon gewohnheitsmäßig praktizierte Einsatz von Schmerzmitteln in intensiven Trainingsphasen oder in Wettkämpfen ist aus medizinischer Sicht nicht vertretbar. Dass Doping nicht nur im Leistungssport, sondern auch im Freizeitsport aus ethischen, aber auch gesundheitlichen Gründen ein Tabu sein sollte, ist selbstverständlich. Der Effekt von kommerziellen Nahrungsergänzungsmitteln, die gerade auch bei Jüngeren den Weg in den Medikamentenmissbrauch und das Doping bahnen können, wird häufig maßlos überschätzt. Die erfolgreichsten Triathleten achten sehr stark auf ihre Ernährung. Dieser Aspekt hat einen viel höheren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit als die Nahrungsergänzungsmittel, deren Wirksamkeit oft nur von der Werbung behauptet wird. Übrigens sind die aus leistungsphysiologischer Sicht sinnvollen Ernährungsstrategien im Unterschied zu manchen Nahrungsergänzungsmitteln auch gesundheitlich sehr zuträglich.
Regelmäßiger Gesundheitscheck
Auch wenn man alles richtig macht, ist man nicht vor Krankheiten gefeit. Deshalb sollte man sich auch unabhängig von Beschwerden regelmäßig ärztlich untersuchen lassen. Das gilt insbesondere für über 40-Jährige. Neben der ärztlichen Anamnese und Untersuchung sollte beim sportlich Aktiven nicht nur das Ruhe-EKG, sondern auch das Belastungs-EKG ein Inhalt der Untersuchung sein. Beim Belastungs-EKG, das natürlich auch bis zur körperlichen Ausbelastung durchgeführt werden sollte, wird die sportliche Situation unter kontrollierten Bedingungen simuliert, und mögliche Gefährdungen können oft frühzeitig erkannt werden. In Abhängigkeit von der individuellen Situation können dann weitere Maßnahmen, wie beispielsweise die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiografie). sinnvoll ergänzt werden.
Text: Prof. Dr. med. Lothar Schwarz
Prof. Dr. med. Lothar Schwarz arbeitet am Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes. 2011 wurde er von der Gesellschaft für orthopädisch-traumatologische Sportmedizin (GOTS) zum Sportarzt des Jahres in Deutschland, Österreich und der Schweiz gewählt.
Auswahl von Tätigkeiten und ehrenamtliche Funktionen:
- Leitender Verbandsarzt der Deutschen Triathlon Union und seit mehr als zehn Jahren Mannschaftsarzt der Nationalmannschaft Olympischer Triathlon
- 2008 und 2012 vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als Olympiaarzt für Peking und London nominiert
- Mitglied der medizinischen und Anti-Doping Kommission des Welt-Triathlon-Verbandes (ITU)