Als Trainer werde ich immer wieder zum Jahresende gefragt, ob im Herbst eine Saisonpause unbedingt erforderlich ist. Während die einen die positive Energie erfolgreich absolvierter Wettkämpfe „mitnehmen“ möchten, zweifeln andere wiederum an ihrer Leistungsfähigkeit und wollen mit noch mehr Einsatz das nächste Trainingsjahr vorzeitig einläuten. Diese Fragen und Wünsche sind pauschal unmöglich mit einem eindeutigen „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten.
Wenn Sie die Saisonplanung einmal mit der Natur vergleichen, stellen Sie sehr schnell Überschneidungen fest. Während Sportler und Trainer das Jahr in Ruhe-, Aufbau-, Vollgas- und Übergangsphasen aufteilen, haben die Pflanzen sich den Jahreszeiten angepasst. Ein Baum benötigt in unseren Breitengraden den Winter, um sich von Krankheiten, Parasiten und Käfern zu befreien. Ist es nicht kalt genug, überleben beispielsweise die Borkenkäfer, die sich im Folgejahr weiter vermehren und noch mehr Schaden anrichten. Und in vergleichbarer Weise sollten auch Sportler ihrem Körper eine Ruhephase gönnen, insbesondere dann, wenn sie sich schon länger mit kleineren Zipperlein herumschlagen oder bereits körperlich beziehungsweise mental angeschlagen sind. Insofern bieten sich die Wochen nach dem letzten Wettkampf idealerweise dazu an, Körper, Geist und Seele wieder in Einklang zu bringen, ebenso wie zum „Auffüllen“ der Motivation- und Gelassenheitsreservoirs.
Skeptiker meiner „Naturthese“ werden jetzt den Einwand mit den immergrünen Regionen bringen. Sicherlich haben sich die Pflanzen in den feuchtheißen Klimazonen den äußeren Bedingungen angepasst und eigene Schutz- und Regenerationsmechanismen angeeignet. Sie und ich hingegen leben, arbeiten und trainieren rund 50 Wochen im Jahr in Deutschland, nicht in Südeuropa und auch nicht in den Tropen. Während wir im Sommer mit Genuss 100 Kilometer und mehr Rad fahren, gibt es nur wenige, die dies mit der gleichen Begeisterung zwischen November und Februar machen. Die dunklen Wintermonate „verbieten“ es von Haus aus schon, in Deutschland zwölf Monate lang Triathlontraining draußen und im gewünschten Umfang zu absolvieren. Für den in Vollzeit arbeitenden Altersklassenathleten hat dies eine (logische) Anpassung seines Trainings zur Folge.
Persönliche Zielsetzung
Eine Trainingsweisheit besagt, dass ein Sportler genauso viel Zeit benötigt, außer Form zu kommen, wie es dauert, seine Form aufzubauen. Ein Freizeittriathlet, der bis zu fünf Stunden in der Woche Sport treibt und das Training in erster Linie als eine Möglichkeit ansieht, körperlich fit und gesund zu bleiben sowie sein Gewicht zu halten, muss nicht zwingend eine Pause einlegen. Je höher jedoch der eigene Leistungsanspruch ist und je näher am Limit trainiert wird, umso wichtiger wird aus den eingangs beschriebenen Gründen eine Saisonpause. Dieser Zeitraum bietet darüber hinaus auch Raum und Zeit, für sich alleine und im Kreis der Familie und Freunde darüber im Klaren zu werden, was man letztendlich in Zukunft erreichen möchte und welche Opfer man bereit ist, hierfür in den kommenden Monaten einzugehen, ohne die Work-Life-Sport-Balance auszuhebeln. Erst wenn hierüber Einigkeit besteht, kann frei von Gewissensfragen und Zweifeln das nächste sportliche Ziel angegangen werden, und das ist für den Kopf genauso wichtig wie für den Körper eine Entlastungswoche während der Trainingsperiode.
Ruhejahr
Triathleten, die zehn und mehr Trainings- und Wettkampfjahre hinter sich haben, sollten auch einmal ernsthaft darüber nachdenken, nicht nur eine deutlich längere Saisonpause, sondern eventuell sogar ein komplettes Ruhejahr einzulegen! Dies soll jedoch nicht darauf hinauslaufen, zwölf Monate überhaupt keinen Sport zu machen, sondern sich eher andere, weniger kompetitive Bewegungsmöglichkeiten zu suchen, beispielsweise eine Alpenüberquerung mit dem Mountainbike oder eine mehrtägige Hüttenwanderung. Sonja Tajsich beispielsweise feierte nach ihrer gut 20-monatigen Pause (Ermüdungsbruch und Geburt ihrer zweiten Tochter) vor einigen Jahren ein mehr als überzeugendes Comeback und wurde direkt mit der Hawaii-Qualifikation belohnt. Ob dies allein auf eine bessere körperliche Fitness oder die Gelassenheit einer erfahrenen Profitriathletin zurückzuführen ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten, wahrscheinlich ist es eine Kombination von beidem!
Nachhaltigkeit
Ausdauer entwickelt sich über einen längeren Zeitraum. Gut und gerne 8–15 Jahre sollte man einplanen, um die persönliche Ausdauerhöchstleistung zu erreichen. Diejenigen, die diese „Kerze“ bereits in sechs Jahren abbrennen (möchten), werden ihr maximales Potenzial selten erreichen. Ganz zu schweigen von denjenigen, die ihren Körper – ohne großen ausdauersportlichen Hintergrund – binnen eines Jahres von 0 auf 226 Kilometer „herausfordern“. In diesen Fällen sind langfristige Schädigungen des Bewegungsapparates nicht auszuschließen. Letztendlich möchten doch alle auch noch im hohen Alter gesund und mit viel Freude schwimmen, Rad fahren und laufen.
Ausdauertraining ist anstrengend, es ist herausfordernd und häufig auch hart zugleich! Wer sich jedoch nur rund sechs Monate auf seinen Hauptwettkampf vorbereitet und den Rest des Jahres larifari trainiert, wird sich kaum verbessern. Auf der anderen Seite reicht hartes Training alleine aber auch nicht aus, um Leistungssteigerungen zu erzielen! Richtig gut und erfolgreich kann nur derjenige werden, der seine Jahresplanung nicht nur mit Köpfchen angeht, sondern sich auch genug Ruhe gönnt!
Text: Bennie Lindberg
Foto: Armin Schirmaier