Gut zu wissen: Hilfsmittel Neoprenanzug

Hilfsmittel Neoprenanzug: Auftrieb (Foto: orca.com)
Hilfsmittel Neoprenanzug: Auftrieb (Foto: orca.com)

Das Schwimmen im Freigewässer ist anders als das Kachelzählen im Hallen- oder Freibad. Es ist verbunden mit einem besonderen Freiheitsgefühl, insbesondere in warmen, klaren Gewässern mit einer tollen Unterwasserwelt. Nicht umsonst pilgern in der Rennwoche vor den Ironman-Weltmeisterschaften auf Hawaii Hunderte Triathleten tagtäglich zum Pier, um im Pazifik zwischen Korallenbänken und bunten Fischen zu trainieren. Niemand beklagt sich, dass das Hilfsmittel Neoprenanzug verboten ist, sogar die schwächeren Schwimmer haben ein Lächeln auf dem Gesicht.

Im Baggersee, Fluss oder der Talsperre daheim sieht es jedoch meist ganz anders aus. Kalte Wassertemperaturen und eine schlechtere Orientierung unter Wasser führen dazu, dass viele Triathleten vor der Auftaktdisziplin einen Heidenrespekt haben. Wenn dann noch aufgrund eines schlecht sitzenden Kälteschutzanzuges Atemnot ins Spiel kommt oder zu viel Energie für den Vortrieb aufgewendet werden muss, ist Unwohlsein vorprogrammiert. Um Ihnen bei der Auswahl des für Sie passenden Neoprenanzuges zu helfen, haben wir uns mit den Herstellern über die verwendeten Materialien, deren Verarbeitung und Funktionen unterhalten.

Materialien

Neopren
Die Qualität des verwendeten Neoprens ist ausschlaggebend für die lange Haltbarkeit des neu gekauften Kälteschutzanzuges und die Bewegungsfreiheit des Athleten beim Schwimmen.

Oberfläche
Je hochwertiger die Oberflächenbeschichtung ist, desto geringer ist auch der Reibungswiderstand im Wasser – Stichwort Haifischhaut –, und das führt somit bei gleichem Krafteinsatz zu einer höheren Geschwindigkeit. Eine schlechtere Qualität der Oberflächenbeschichtung wirkt sich auch auf das Strömungsverhalten aus, da der Wasserwiderstand hierdurch größer wird.

Innenmaterial
Das verwendete Innenmaterial trägt nicht nur dazu bei, dass das Außenmaterial nicht reißt, es ist das Nonplusultra für die Beweglichkeit eines Neoprenanzuges. Ein noch so dehnbares Neopren wird durch ein unflexibleres Innenmaterial limitiert. Darüber hinaus unterscheiden sich die verwendeten Innenmaterialen in der Wasseraufnahme, was wiederum das Gewicht des Anzugs im nassen Zustand sowie das schnelle Ausziehen in der Wechselzone beeinflusst. Das Innenmaterial trägt wesentlich für ein angenehmes Tragegefühl und die einwandfreie Passform des Anzugs auf der Haut bei.

Eigenschaften

Auftrieb
Ein starker Auftrieb ist der wichtigste Faktor für einen schnelleren Rennauftakt im Wasser. Intelligent platzierte Auftriebskörper in unterschiedlichen Neoprenstärken im Rumpf- und Beinbereich heben den Körper an und bringen ihn in eine effiziente Schwimmposition. Die verbesserte stabile Wasserlage sorgt für weniger Widerstand beim Vortrieb und zu einer Entlastung der Beine aufgrund des ausreichenden Schleppbeinschlages. Darüber hinaus bietet ein guter Auftrieb auch Sicherheit beim Freiwasserschwimmen.

Hilfsmittel Neoprenanzug
Hilfsmittel Neoprenanzug

Flexibilität
Ultradünne Materialien im Arm-/Schulterbereich tragen durch ihre Flexibilität dazu bei, dass die Muskulatur durch den geringeren Kraftaufwand bei der Überwindung des „Neoprenwiderstandes“ nicht so schnell ermüdet. Die Folge ist ein schnelleres und entspannteres Schwimmen. Auch nach dem Schwimmausstieg ermöglicht ein flexibler Anzug durch das einfache Ausziehen kürzere Wechselzeiten. Auch im Rumpfbereich sollte eine gewisse Flexibilität vorhanden sein, um bei der Belastung durch eine vollständige Ausdehnung der Lunge befreit atmen zu können.

Schnitt | Größe
Die Wahl der richtigen Größe ist das wichtigste Kriterium beim Kauf eines Neoprenanzugs: Ein Anzug, der sich bei der Trockenanprobe einen Hauch zu eng anfühlt, liegt im Wasser in aller Regel wie eine zweite Haut an. Der Neo muss eng, aber angenehm sitzen, und der Athlet sollte sich darin wohlfühlen. Jeder überflüssige Hohlraum füllt sich mit Wasser und wirkt sich verlangsamend auf die Schwimmzeit aus. Bestanden die Anzüge früher im Wesentlichen aus circa zehn unterschiedlichen Paneelen für Brust, Rücken, Arme, Beine und Schulter, werden heute bis zu 30 ergonomisch angepasste Paneele verarbeitet, Modelle für Triathletinnen inklusive. Wenn der Hersteller die Schnittführung speziell auf die Schwimmbewegungen abgestimmt hat, um im Achsel-, Brust- und Schulterbereich eine optimale Bewegungsfreiheit zu garantieren, führt diese bessere Passform zwangsläufig zu einem angenehmeren, nicht einengenden Sitz, ganz ohne Scheuerstellen.

Innovative Gimmicks wie Stabilitätspaneele
Ein- und Aufsätze, Flexkerben und Stabilitätspaneele sollen dabei helfen, eine möglichst stabile Wasserlage und somit auch eine gute Schwimmposition zu erreichen. Sie unterstützen die Schwimmtechnik und helfen schlechteren Schwimmern, Technikdefizite zu kaschieren, und guten Schwimmern, ihre Schwimmtechnik effizient ins Wasser zu übertragen.

Kälteschutz
Auch wenn der Kälteschutz als Verkaufsargument immer mehr in den Hintergrund gestellt wird, wurden Neoprenanzüge ursprünglich als Schutz des Athleten vor dem Auskühlen entwickelt. Die Dicke eines Neoprenanzuges ist dabei nicht dafür entscheidend, wie warm ein Neoprenanzug ist, da der Wasserfilm zwischen Haut und Anzug durch die eigene Körperwärme erhitzt. Erst bei einer Neoprendicke unter zwei Millimetern spielt die Außentemperatur des Wassers eine größere Rolle. Für das Schwimmen im Sommer und in heimischen Gewässern ist der Kälteschutz bei der Wahl des Anzugs in der Regel vernachlässigbar.

Verarbeitung

Nähte
Gut verarbeitete Flachnähte sollten ein Muss sein. Die meisten Anzüge sind geklebt und auf der Innenseite vernäht. An Nahtkreuzungen schützen zusätzlich aufgebrachte Patches die Haut vor Reibung und unangenehmen Scheuerstellen. An den Arm- und Beinabschlüssen sollte darauf geachtet werden, dass die Nähte zusätzlich verschweißt sind, damit man defektes Material abschneiden kann, ohne dass der Anzug sich auftrennt.

Klettverschluss
Klettverschlüsse sollten im Nackenbereich so positioniert werden, dass sie in keinem Fall mit der Haut in Berührung kommen können. Nach jedem Schwimmen sollten sie regelmäßig mit einer kleinen Bürste gereinigt werden. Verfangene Haare und Schmutzpartikelchen verringern die Haltbarkeit.

Hilfsmittel Neoprenanzug: Klettverschluss (Foto: orca.com)
Hilfsmittel Neoprenanzug: Klettverschluss (Foto: orca.com)

Reißverschluss
Ob die Reißverschlüsse sich von oben nach unten oder umgekehrt öffnen lassen, spielt letztendlich eine zu vernachlässigende Rolle. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile, viel wichtiger ist jedoch, dass sie robust, leichtgängig, langlebig und fast unzerstörbar sind. Hochwertige Reißverschlüsse von YKK gehören beispielsweise in diese Kategorie.

Kaufberatung

Worauf sollten gute Schwimmer im Vergleich zu schwächeren Schwimmern bei der Auswahl eines Neoprenanzuges achten?
Der Neoprenanzug sollte den natürlichen Schwimmstil des Triathleten unterstützen. Je schlechter er schwimmt, desto mehr Auftrieb im Bein- und Oberkörperbereich wird benötigt. Guten Schwimmern hingegen reicht ein zusätzlicher Auftrieb im Beinbereich. Von flexibleren Materialien im Arm-/Schulterbereich profitieren alle Schwimmer, die Anfänger hierbei sogar überproportional, da jene ihnen ermöglichen, sich stärker auf die Schwimmtechnik zu konzentrieren, ohne „gegen den Anzug“ arbeiten zu müssen.

Macht es einen Unterschied bei der Auswahl des Modells, ob ein Neo ausschließlich bei kürzeren oder längeren Distanzen zum Einsatz kommt?
Grundsätzlich nein, allerdings ist insbesondere beim Einsatz auf den längeren Distanzen die Investition in flexiblere und auftriebsstärkere Materialien sinnvoll, um der schnelleren Ermüdung vorzubeugen.

Welche Bedeutung hat eine qualifizierte persönliche Beratung – auch in Verbindung mit einem Neoprentestschwimmen – durch den Fachhandel?
Eine kompetente Beratung ist notwendig und hilft, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Anzügen zu verstehen, um bei der Modellauswahl den zum eigenen Schwimmstil passenden Anzug in der richtige Größe und dem richtigen Schnitt zu finden. Ein Testschwimmen bietet eine sehr gute Möglichkeit, mehrere Modelle verschiedener Hersteller miteinander zu vergleichen. Beratung und Test reduzieren die Möglichkeit einer Fehlinvestition auf ein Minimum.

Text: Klaus Arendt
Fotos: orca.com