Brett Sutton: Wie wichtig ist Erholung im Triathlon?

Brett Sutton: Schwimmtraining in St. MoritzBrett Sutton wichtigste Prinzipien im Triathlonsport lauten: Erholung und Regeneration. Der Erfolgcoach äußert sich zu dieser Thematik im Gastbeitrag.

 

Über die Jahre hinweg wurde ich von vielen Experten missverstanden. Etliche nahmen sich noch nicht einmal die Zeit, seine Trainingscamps zu besuchen, um einen persönlichen Eindruck von meiner Arbeit zu bekommen. Andere wiederum sind sehr neugierig und fragen sich, warum sind meine  Athleten so erfolgreich?

Die Antwort ist simpel: Erholung und Regeneration!  Das wird allerdings vom überwiegenden Teil der Triathleten und Experten lächerlich gemacht. Lassen Sie mich mit den Grundregeln meines Trainings beginnen, die ich schon vor mehr als 45 Jahren von meinem Vater eingetrichtert bekam:

BELASTUNG + REGENERATION = ANPASSUNG = HÖCHSTLEISTUNG

BELASTUNG + BELASTUNG = ÜBERTRAINING = SCHLECHTE LEISTUNG

Die Ausgangsfrage lautet: Was willst du für deine Athleten? Und dies, liebe Leser, ist eine sehr einfache „Wissenschaft“: ohne Erholung, kein Fortschritt!

Im Triathlonsport jedoch ist dies ein sehr kompliziertes Unterfangen. Man MUSS den Sport kennen:

Kann Regeneration/ Erholung in einem Bereich stattfinden, während an einem anderen hart gearbeitet wird? Eindeutig JA!

Kann man regenerieren/erholen, wenn man müde ist? Eindeutig JA!

Des Pudels Kern

Die Lösung steckt bekanntlich im Detail, wie bei einem Puzzle, bei dem jeder eine andere Herangehensweise beim Zusammensetzen der Teile hat. Als Trainer muss ich erstens für jeden einzelnen Athleten erarbeiten, wie viel Belastung ausreichend ist, um die Leistung zu steigern, undzweitens, die Menge an Ruhe, die dafür benötigt wird. Und genau da beginnt die Herausforderung, denn das hängt von folgenden drei Dingen ab:

  1. Fitness des Athleten
  2. Alter des Athleten
  3. geistige Leistungsfähigkeit des Sportlers

Wird eines der drei Bereich falsch „angesprochen“, behindert man die Fähigkeit, die Leistung auf dem höchsten Niveau abzurufen. Als Coach muss ich mich also individuell auf jeden Einzelnen einstellen, und regelmäßig anpassen. Letzteres kann bedeuten, dass ein Athlet, der am besten mit einer geringeren Belastung trainiert hat, beispielsweise nach drei  Jahren eine zusätzliche Belastung benötigt, um ein höheres Niveau zu erreichen. Ein guter Trainer erkennt diese Entwicklung, dass der Athlet mit zunehmendem Alter besser wird, und indem man die Belastung anpasst, muss auch wieder weniger trainiert werden.

Widerspruch und Herausforderung zugleich

Wenn man das liest, kann man den Eindruck gewinnen, ich versuche Sie zu verwirren, aber es ist tatsächlich so kompliziert. Tatsache ist, dass jeder Sportler einen anderen Stresslevel hat, und dieser schwankt auch noch. Leider gibt es in einem Meer von Mittelmäßigkeit auch nur wenige Meistertrainer, die all dies erkennen. Letztere erkennen dies und „manipulieren“ durch den Trainingsplan ihre Athleten. Die Erholung ist dabei das „Kontrollwerkzeug“. Was körperlich für einen Athleten am Besten ist, stimmt vielleicht überhaupt nicht mit seinen psychologischen Fähigkeiten / Anforderungen überein. Ich habe viele Sportler gesehen, die quasi zu ihren großen Erfolgen „getreten und geschrien“ wurden. Nicht, indem man sie härter trainieren lässt, sondern indem man sie zur Erholung zwingt, die sie nicht wollen, um sie vor sich selbst zu schützen.

Eines meiner größten Herausforderungen ist es, dass Sportler – trotz großartiger leistungen – ihre Belastungsschwellenwerte gar nicht kennen. Ihre Angst besteht darin, dass das „viel hilft viel“ Syndrom extrem in ihren Köpfen verankert ist, und es braucht nur ein Wort oder ein Resultat eines Konkurrenten, um ihre Alarmglocken läuten zu lassen: ich muss so viel mehr tun. Und gerade deshalb bauen wir bei trisutto jeden Tag etwas Erholung in unser Training ein.

Brett Sutton: Regeneratives Schwimmtraining in St. Moritz

 

Regenerative Trainingsbeispiele von Brett Sutton

Wenige Minuten bevor ich diesen Gastbeitrag erstellte, habe ich angehängte  Trainingsprogramme an die Seriensieger in meinem Team geschickt :

  1. Ich möchte, dass du zum Schwimmbad fährst, dort 20 Minuten läufst, anschließend 200 Meter schwimmst und danach 15 Minuten in den Spa gehst.
  2. Ich möchte, dass du mit deinem Citybike zum Pool fährst. Wenn du dich langweilst, fahre noch 20 Minuten extra und gehe ganz locker 400 Meter schwimmen. Anschließend erhole dich noch etwas im Spa und fahre anschließend nach Hause.

Dies sind echte trisutto-Trainingseinheiten und helfen dabei, sich zu verbessern.

Erholung ist alles

Als Sportler müssen Sie die Erholung einbeziehen. Die Aufgabe des Trainers ist es herauszufinden, wie viel Erholung. Häufig werde ich mit folgender Aussage konfrontiert: „Coach, es macht mich verrückt! Einmal Training am Tag ist nichts für mich.“ Als Meister der Tarnung „verordne“ ich Erholung, während sie glauben, dass sie trainieren. Beispiel gefällig? „Ok, dann gehe dreimal laufen!“ 20 Minuten vor dem Frühstück, maximal 20 Minuten vor dem Mittagessen, und wenn du dann immer noch das Bedürfnis hast, etwas zu tun, dann nochmal 20 Minuten vor dem Abendessen.

Belastung: Suche nach der weißen Linie

Bei den Diskussionen rund um die Belastung hingegen, tendieren die Menschen dazu, nach der roten Linie zu suchen. Wir nicht. Die rote Linie ist für anaerobe Ereignisse. Triathlon ist – ausgenommen ist das neuen Team-Format – ab dem Start aerob. Also suchen wir nach der weißen Linie. Und das ist für mich B.A.P. – Best Aerobic Pace. Wir machen viel B.A.P., wenn unser Körper dafür bereit ist. Die Erholung, die wir uns vorher gegönnt haben, ermöglicht uns dies.

Schlusswort

Der Schmerz ist kein Schmerz, es ist anhaltendes Unbehagen. Wenn das Training richtig gemacht wird, also ohne Schmerzen, kannst du viel gewinnen. Der Schlüssel ist Beständigkeit. Nicht, wie hart du trainierst, ist entscheidend. letzteres wird – insbesondere auf der Langdistanz – deine mögliche Leistung sehr begrenzen.

Und bitte vergessen Sie nicht:

BELASTUNG + REGENERATION = ANPASSUNG = HÖCHSTLEISTUNG

BELASTUNG + BELASTUNG = ÜBERTRAINING = SCHLECHTE LEISTUNG

Text: Brett Sutton
Fotos: trisutto.com