Wie fängt man am besten mit dem Krauen an? Gute Frage! Trainer Sascha Wenzel stellt seine Methode vor, die eventuell etwas anders als üblich ist.
Das Schwimmen im Triathlon ist für viele Einsteiger die größte Herausforderung. Schwimmen ist technisch sehr anspruchsvoll und nur mit Kraft und Ausdauer kommt man im Wasser nicht weit. Zudem stellt das Freiwasserschwimmen für viele Triathloneinsteiger eine weitere Herausforderung dar.
Die Frage, die sich stellt lautet daher: Wie gehe ich als Nicht-Schwimmer das Projekt, im kommenden Sommer den ersten Triathlon zu absolvieren oder nach den ersten, bereits gesammelten Erfahrungen, besser durch die erste Disziplin zu kommen, an?
Die Atmung stellt beim Kraulen meist das Problem dar
Schwimmen ist eine Sportart, die in unseren Breitengraden sehr beliebt ist. Fast jeder Mensch lernt früh in seiner Kindheit schwimmen. Doch leider ist es in Deutschland häufig so, dass das Brustschwimmen die Lage ist, die die Kinder als erstes lernen und danach auch am häufigsten schwimmen.
Nur langsam findet ein Umdenken statt und man übernimmt aus anderen Ländern das Vorgehen, zuerst Rücken- und Kraulschwimmen zu schulen. Das ist meiner Meinung nach genau richtig.
Der Fehler liegt darin, dass man mit dem Brustschwimmen den Kindern eine der schwierigsten Lagen als erstes beibringt. Doch warum fängt man nicht beim Einfachsten an?
Lernt man in der Schule im Mathematikunterricht auch erst das 1 x 1 und dann das Addieren und Subtrahieren? Nein. Die einfache lerndidaktische Herangehensweise lautet: Vom Einfachen zum Schweren.
Nicht im Wasser wühlen, sondern schwimmen
Wenn wir zum Thema „Kraulschwimmen richtig erlernen“ zurückkehren, dann müssen wir darüber nachdenken, was beim Kraulen das Einfache und was das Schwere ist.
Bei gefühlten 99 Prozent der Schwimmern ist die Atmung das Schwere, das Komplexe und viele verzweifeln an Aussagen des Trainers wie „nur seitlich atmen“, „den Kopf nicht heben, sondern drehen“, „beim Atmen stabil bleiben“ usw.
Deshalb schlage ich vor, neue Wege zu gehen und das Kraulschwimmen von vorne zu beginnen und mit dem Einfachen anzufangen.
Wenn ich mich mit den allgemeinen Bewegungsaufgaben beim Kraulen auseinandersetze, sprich, die einfachen Dinge richtig ausführe und mich mit dem Medium Wasser vertraut mache, kann ich auch nach und nach die größeren Herausforderungen angehen.
Denn je besser ich schwimme, desto einfacher wird auch die Ausführung der Atmung. Habe ich so gut wie noch keine Dynamik und kein Tempo im Wasser, weil mich alles überfordert, dann ist der Prozess der Atmung extrem schwer und lässt mich eher im Wasser wühlen statt schwimmen.
Meine Vorgehensweise beim Kraulen
Ich lasse mir von meinen Schwimmschülern zeigen, wo sie stehen. Ganz schnell erhalte ich so einen Eindruck, was passt und was nicht. Und ja, meistens ist die Atmung das große Problem.
Aber das Problem rührt aus den Fehlern der Gesamtbewegung (Ursachen- und Folgenbetrachtung).
Das bedeutet: übe ich zunächst den doch relativ einfachen Beinschlag, das „Hinlegen“ im Wasser und die zeitliche Abfolge des Armzugs – sowohl an Land als auch im Wasser – dann kommt zumindest schon einmal ein Bewegungsfluss zu Stande.
Soweit ist alles nicht zwingend etwas Neues, wenn gleich ich häufige sehe, dass nicht immer so gearbeitet wird. Doch nun kommt der entscheidende und besondere Unterschied zu vielen Unterrichtsformen.
Kraulen lernen, ohne zu atmen
Ich lass bei den ersten Zügen und Übungen die Atmung einfach ganz weg! Das geht wie folgt: ich lasse den Schwimmer nur soweit schwimmen bis dieser Luft benötigt. Dann brechen wir ab und er kehrt zurück.
Auch ist es ganz wichtig, dass der Schwimmer überhaupt erst einmal das Liegen und Gleiten im Wasser versteht und umsetzt. Deshalb findet jede Aufgabe mit ganz besonders schwungvollem Abstoßen vom Beckenrand statt. Denn jeder weiß, nach dem Abstoßen haben wir auf der Bahn die höchste Geschwindigkeit.
Und mit Geschwindigkeit und Dynamik fallen uns die Aufgaben im Wasser leichter. Mittlerweile hat sich auch ein Hilfsmittel, der Schwimmschnorchel, durchgesetzt.
Mit diesen kann man natürlich länger am Stück eine Übung ausführen und gerade auch für geübte oder fortgeschrittene Schwimmer ist es eines der besten Hilfsmittel, um an der Technik zu arbeiten.
Der Effekt – von immer nur kurzen Abschnitten – sollte allerdings nicht unterschätzt werden.
Es kommt zu einer höheren Widerholungszahl, die Korrektur und der Einfluss des Trainers ist größer und der Schwimmer fängt jedes Mal hoch konzentriert an.
Bevor ich zum Thema Atmung im Kraulschwimmen gehe, müssen die Grundausführungen gut durchgeführt werden und zumeist schaffen die Schwimmer/innen bereits 25 Meter ohne Atmung, bevor wir das Thema Atmung konkreter angehen.
Können die Schwimmer/innen solide die Bewegungsabläufe rhythmisch und dynamisch ausführen, dann unterbricht oder zerstört der Atmungsprozess das Grundsystem Kraulschwimmen auch nicht mehr so stark und die Tipps des Trainers können besser verstanden und umgesetzt werden.
Immer auf eine Aufgabe konzentrieren
Dieser ganze Lernprozess benötigt insgesamt natürlich einiges an Zeit, Durchhaltevermögen und Geduld. Und sollte langfristig angegangen werden.
Manche Athleten lernen im Medium Wasser schneller und manche benötigen mehr Zeit. Meine Empfehlung ist es, immer nur kleine Aufgaben und Übungen auszuwählen und sich ausschließlich darauf zu konzentrieren – ein Thema möglichst immer und immer wieder anzugehen und die Distanz nur so kurz zu halten, dass man die Übung auch korrekt ausführen kann.
Und nach einem qualitativ hochwertigen Techniktraining gilt immer, das Geübte in die gesamte Lage umzusetzen.
Auch hier gilt wieder – nur kurze Distanzen schwimmen, damit die Technik sauber umgesetzt wird und sich einschleift.
Meter sind nicht gleich Meter.
Die Technik ist der entscheidende Faktor, um gut durch die erste Disziplin zu kommen!
Dies gilt auch für fortgeschrittene Schwimmer, die sich auf ihre Schwächen konzentrieren wollen. Deshalb nehmt euch die Zeit und probiert, an eurer Technik zu arbeiten! Noch ist Winter und es bleibt genügend Zeit, den einen oder anderen Fehler auszumerzen.
Atmen im Wasser
Nun fragen sich sicher einige, wie man am besten das Atmen in den Lernprozess einbauen soll, damit dieser wirklich von Beginn an ein „flüssiger“ Bestandtteil des Kraulschwimmens wird?
Es gibt viele Möglichkeiten sich Hilfen und Rat zu holen. Egal ob mit Videos, im Buchhandel oder auch auf diversen Internetplattformen. Allerdings fällt auf, dass die Beiträge in den Videos meistens von absoluten Könnern ausgeführt werden.
Die Literatur bedient sich häufig den komplett theoretischen bewegungswissenschaftlichen Ansätzen, was für Anfänger relativ schwer verständlich ist.
Und die Tipps auf den diversen Internetplattformen fangen für mich auch meist sehr fortgeschritten an. Kurz zusammen gefasst bedeutet das: Die Theorie ist meist weit entfernt von der Praxis.
Schrittweise zur richtigen Atmung
Ich möchte euch einen Weg zeigen, der natürlich auch in der Praxis umgesetzt werden muss. Allerdings geht es dabei nach dem „Step by Step“-Prinzip um die richtige Atmung. Und das ist nicht nur für Newcomer etwas.
Da ich selbst viel mit Kindern im Schwimmsport arbeite, kann ich viele der einfachen Übungen mit ins Erwachsenentraining adaptieren. Warum nicht von den Kleinen lernen? Womit sollte man also starten, wenn man die richtige Atemtechnik lernen möchte?
Ein- und ausatmen im Wasser
Beginnen sollte man mit dem Ein- und Ausatmen im Wasser – es klingt banal und ist doch etwas Besonderes im Medium Wasser. Wir haben beim Kraulen nur ein gewisses Zeitfenster zum Atmen. Deshalb sollte bereits an Land verinnerlicht werden, was das heißt: Im Wasser ausatmen und über Wasser einatmen. Am effektivsten und gängigsten ist es, wenn man lernt, dass man durch die Nase ausatmet und mit dem Mund einatmet.
Hier eine Übung aus der Schwimmschule, die man zu Beginn gerne machen darf:
Wir stellen uns in flaches Wasser, halten den Zeigefinger vor die Nase und tauchen mit dem Kopf ins Wasser ab. Wir atmen über Wasser tief und zügig über den Mund ein und pusten gleichmässig und ruhig die Luft über die Nase wieder aus. Durch den Finger vor der Nase haben wir Kontrolle darüber, ob wir auch wirklich über die Nase ausatmen.
Dies machen wir mehrmals hintereinander, um den Rhythmus zu finden. Wenn dies gut klappt, dann führen wir diese Atemaufgabe auch in Bewegung aus. Nun nehmen wir den Finger von der Nase und gehen in die Streamline-Position (Pfeilposition), die man zu Beginn beim Abstossen grundsätzlich einnehmen sollte.
Gleicher Ablauf:
Über Wasser durch den Mund einatmen, dann abstossen und gleiten. Beim gleiten gleichmässig und ruhig ausatmen bis keine Luft mehr im Brustkob ist.
Wer beim Kraulen fortgeschritten ist und die Atmung „nur noch“ verbessern und nicht neu erlernen muss, der kann diese Übung sehr gut mit dem Schwimmschnorchel als Hilfsmittel ausführen und so in den Schwimmzug wechseln. Dabei sollte die Atmung immer im Mittelpunkt stehen. Bei dieser grundsätzlich simplen Aufgabe haben wir zugleich den Übungseffekt für die Wasserlage und das Wassergefühl.
Wir haben bisher nur ein- und ausgeatmet, aber noch gar nicht betrachtet, zu welchem Zeitpunkt die Atembewegung käme, geschweige denn, wie die Atmung im Bewegungsprozess abläuft.
Deshalb, um das Thema Ein-Ausatmen abzuschliessen. Achtet darauf, dass ihr euch ein ruhiges und kontinuierliches Ausatmen antrainiert und das Ausatmen aktiv und zügig durchführt. Damit erleichtert ihr es euch später, den Prozess im gesamten Bewegungsablauf einzubauen.
Übrigens rate ich von der üblichen Übung des Ein- und Ausatmens mit seitlicher Kopfdrehung im Stehen ab. Dabei gewöhnt ihr euch nur an, dass man den Kopf leicht anheben muss, damit man sich nicht verschluckt und Luft bekommt. Das ist später in der Bewegung falsch. Damit kommen wir zum nächsten Schritt.
Das Atmen in der Bewegung
Hier gehen viele zu schnell in den Gesamtkraulstil über und wollen direkt Kopfhaltung, Drehbewegung, Zeitpunkt etc. von Beginn an koordinieren.
Die allgemeinen Dinge wie „der Kopf liegt im Wasser“, „der Blick geht leicht voraus“, „bei der Atmung dreht sich nur der Kopf“ (was nicht ganz stimmt), „das Atmen findet statt, wenn ein Arm in der Überwasserphase ist“ etc. sind bekannt und können überall nachgelesen werden.
Doch ich empfehle diese einzelnen Elemente noch einmal aufzuteilen, denn wir dürfen nicht vergessen, dass das Kraulschwimmen entweder gerade neu erlernt wird oder noch sehr unsicher ist. Gerade beim Thema Atmung gibt es fast immer Verbesserungsbedarf und diese Basisübungen können selbst jeden besseren Schwimmer vorwärts bringen. Deshalb nehmt euch Zeit und kombiniert nun euer erlerntes Ein- und Ausatmen mit Bewegung in der Wasserlag.
Legt euch in die sogenannte „Superman-Position“ (in Bauchlage, einen Arm eng am Kopf vorbei ausstrecken). Dazu führt ihr einen Kraulbeinschlag (für Ungeübte gerne mit Kurzflossen) und eure Atmung aus. Wenn ihr gleichmässig ruhig ausgeatmet habt, dann dreht ihr euch auf die Rückenlage und holt Luft.
Zu Beginn dürft ihr auf dem Rücken kurz verweilen, bevor ihr euch wieder zurückdreht. Je besser es klappt, desto weniger dürft ihr in der Rückenlage innehalten. Ziel sollte es sein, im Ein- und Ausatmerhythmen die Drehungen zu vollziehen und später sogar die Rückenlage wegzulassen und nur noch seitlich einzuatmen.
Worauf ihr bei dieser Übung achten solltet?
– der Arm bleibt immer eng am Kopf, besonders wichtig ist das beim Drehen
– Beim Drehen muss die Körperspannung besonders hoch gehalten werden damit man nicht unter die Wasseroberfläche absinkt
– Der Beinschlag darf nie unterbrochen werden
– Der Blick geht im Wasser leicht nach oben und über Wasser leicht nach hinten
– Je ruhiger und kontrollierte dieser Ablauf funktioniert, um so besser liegt man im Wasser
Diese Übung wird durch die Hinzunahme eines Pullboys erweitert. Legt diesen zwischen Kopf und ausgestreckten Arm. Dort darf der Pullboy nicht verrutschen oder gar verloren gehen.
So erreicht ihr, dass ihr die Atmung aus der Drehung erzielt und nicht aus dem Heben des Kopfes!
Wer noch ein kleines Schaumstoffhilfsmittel wie beispielsweise. eine halb durchgeschnittene Schwimmnudel hat, darf es auch gerne damit versuchen. Die letzte Stufe der Übung ist es, einarmig zu schwimmen. Wir behalten den einen Arm vorne und der andere Arm fängt mit dem Kraularmzug an.
Damit diese Übung auch gelingt arbeite ich gerne mit einem Bild.
Wenn der Arm im Wasser ist, dann ist das „Fenster“ zu. Mit der Endphase der Druckphase öffne ich langsam das „Fenster“ und ich drehe mich zum Luft holen leicht auf. Kaum ist der Arm aus dem Wasser hole ich kurz und energisch Luft, um möglichst schnell das „Fenster“ wieder zu schließen.
Wenn das Fenster zu ist, gleite ich am besten durchs Wasser, bringe keine Unruhe in meine Bewegungen und kann mich in Ruhe auf einen effektiven Armzug konzentrieren. Ich weiß, dass diese Übung sehr intensiv ist und viele Wiederholungen benötigt bis alles dynamisch und flüssig funktioniert.
Bis die Abläufe auf beiden Seiten gleich gut funktionieren, dauert es wahrscheinlich noch mal etwas länger, aber es ist sehr wichtig, immer beide Seiten zu trainieren.
Wenn dieser Bewegungsablauf klappt, habt ihr schon fast alles, was ihr für die Atmung benötigt. Denn ihr wisst, wie ihr ein- und ausatmet, ihr liegt bereits möglichst waagerecht im Wasser, ihr habt gelernt aus einer Drehbewegung den Atmungsprozess durchzuführen und ihr habt einen Rhythmus gefunden.
Nun müssen wir „nur noch“ alles in unsere „Kraultechnik ohne Atmung“ einbauen. Und das bedeutet: üben, üben, üben und nochmals üben. Versucht dabei, immer nur kurze Strecken am Stück durchzuführen und diese dafür möglichst präzise auszuführen. Konzentriert euch immer wieder neu auf die Bewegungsabfolgen. Hilfsmittel sind am Anfang erlaubt, wenn sie bewußt eingesetzt werden.
Text: Sascha Wenzel
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