Profi-Triathletin Kathrin Walther stellt ihre zweite Heimat vor. Die Deutsche kam vor sieben Jahren während eines Auslandsstudiums nach Stellenbosch. Heute lebt und trainiert die 31-Jährige mehrere Monate im Jahr in Südafrika und kennt die Kap-Region wie ihre Westentasche.
Wer beim Begriff „Südafrika“ an Steppe, Löwen und Antilopen denkt anstatt an Trainingslager, der liegt zwar nicht verkehrt, war aber vermutlich noch nie zu Besuch in der sportlich sehr aktiven und attraktiven Region rund um Stellenbosch. Von vielen Profi-Sportlern schon seit Jahren als Winterdomizil genutzt und geschätzt, gilt der Südzipfel Afrikas nach wie vor als Insidertipp, verlangt – fernab des jährlichen Camp-Pauschal-Trubels – jedoch ein gewisses Mehr an Eigeninitiative und Abenteuerlust. Die Wetter- und Trainingsbedingungen sind von Oktober bis März sehr stabil und ausgesprochen angenehm. Die Fülle an kulturellen und kulinarischen Angeboten abseits des Sports, gepaart mit hohen touristischen Standards und einem durchaus „europäischen“ Lebensgefühl, machen das Land und insbesondere das Western Cape zu einem sehr interessanten Domizil für einen spannenden Aktiv-Urlaub.
Im Fokus der Triathleten liegt das etwa 50 Kilometer von Kapstadt entfernt liegende kleine Studentenstädtchen Stellenbosch, die zweitälteste von Europäern gegründete Siedlung Südafrikas, eingebettet in Weinfeldern und Bergen. Dank seines historisch reizvollen Stadtkerns, einer lebhaften Restaurant- und Coffee-Shop-Szene und vielen Angeboten rund um Kunst, Bildung und Kultur lässt es sich in der für gute Weine bekannten Stadt prima aushalten.
Top Trainingsmöglichkeiten
Von den hervorragenden Trainingsstätten und -möglichkeiten in der Region sei allen voran das öffentlich zugängliche Sportzentrum „Coetzenburg“ der Universität genannt. Hier findet man alles, was das Sportlerherz begehrt: ausgedehnte Rasenflächen und Spielfelder, ein Leichtathletik-Stadion, ein top ausgestattetes Fitnessstudio und Recovery Center, ein 25-Meter-Hallenbad, ein 50-Meter-Freibad und vieles mehr. Zudem besteht eine Zusammenarbeit mit der Sportwissenschaftlichen Fakultät, sodass beispielsweise auch Leistungstests durchgeführt werden können. Das zweite und etwas exklusivere Sportzentrum ist die Stellenbosch Academy of Sport (SAS). Das SAS bietet neben den Trainingsmöglichkeiten auch noch Übernachtungs- und Verpflegungspakete an. Darüber hinaus gibt es noch eine Handvoll weiterer Fitness-Center, die auch Tageskarten anbieten, wie zum Beispiel das Virgin Active Gym im Ortskern – ein modern ausgestattetes Studio mit Sauna und einem 25-Meter-Pool.
Schwimmen im Pool oder im Meer
Neben den Schwimmbecken, die meist recht leer sind und auch gerne von Profis wie Javier Gomez oder Flora Duffy genutzt werden, kann man rund um Kapstadt auch ganz gut im Meer schwimmen. Aber Obacht, die Wassertemperaturen können trotz Sommerhitze empfindlich kalt sein. Je nachdem, an welchem Badestrand man sich ins Wasser wagt, liegen die Temperaturen zwischen 10 Grad Celsius (westlich des Kaps) und bis zu 20 Grad Celsius (östlich des Kaps). Den Neoprenanzug einzupacken, lohnt sich auf jeden Fall. Es bietet sich auch an, sein Freiwasser-Training als Teil eines organisierten „Swims“ durchzuführen. Die Open-Water-Swimming-Szene am Kap ist aktiv, gut organisiert und bietet zum Beispiel jeden Sonntagmorgen ein Schwimmtraining mit Gleichgesinnten am Camps Bay Beach.
Radfahren in der Kap-Region macht stark
Von Oktober bis März bläst der starke South-Easter-Wind, die Straßenbeläge sind meist rau und selbst die flacheren Streckenoptionen sind mit einigen Höhenmetern gespickt. Wer noch intensiver an seiner Kraftausdauer arbeiten möchte, findet einige schöne Bergpässe in der Gegend, die zwar in Länge und Anspruch nicht mit den Alpen zu vergleichen sind, aber trotzdem alle Radler mit einzigartigen Ausblicken belohnen.
Von Stellenbosch aus gibt es ein Dutzend verschiedener schöner Radrouten, je nach Anspruch und Gusto. Wer flach radeln möchte, wird sich mehr in Richtung Wellington orientieren. Wer viel frische Meeresluft schnuppern möchte, fährt an der atemberaubend schönen Küstenstraße von Gordon’s Bay Richtung Kleinmond und zurück. Wer es idyllisch und ruhig mit einigen Höhenmetern bevorzugt, sollte in Richtung des einst französischen Bergstädtchen Franschhoek fahren und womöglich auch den bekannten Franschhoek-Pass bezwingen. Wer noch mehr Höhenmeter braucht, der kann die Vier-Pässe-Tour unter die Räder nehmen – einen Rundkurs von rund 150 Kilometern. Fast noch besser sind die Trainingsbedingungen für begeisterte Mountainbiker. Das Kap und insbesondere die Gegend um Stellenbosch verfügen über ein sehr gepflegtes Streckennetz von Offroad-Wegen und Singletrails. Als Beispiel sei hier das Naturreservat Jonkershoek oder das Mountainbike-Gebiet rund um den Simonsberg genannt.
Auch wer Wettkampfluft schnuppern möchte, wird in der Region schnell fündig. So findet jedes Jahr im März die Cape Town Cycle Tour statt, das teilnehmerstärkste Radrennen der Welt oder das berüchtigte Cape Epic, ein achttägiges MTB-Etappen-Rennen für Zweier-Teams. Aber auch kleinere Radrennen für jedermann werden regelmäßig organisiert und können in entsprechenden Online-Verzeichnissen ausfindig gemacht werden. Einen gut organisierten und umfangreichen Fahrradverleih, wie man ihn zum Beispiel von Trainingslagern auf den Balearen oder Kanaren gewohnt ist, gibt es bis jetzt in Südafrika noch nicht. Daher sollte am besten das eigene Rad mitgebracht werden.
Laufen auf jedem Terrain
An abwechslungsreichen Laufstrecken mangelt es in Stellenbosch ebenfalls nicht. Wer weichen Untergrund sucht, kann seine Laufeinheiten auf den großen Rasenflächen des Sportgeländes der Universität absolvieren oder auf Schotter- und Trampelpfaden vom Ortskern aus den Fluss entlangjoggen. Wer mehr Höhenmeter mag, erklimmt hinter dem Maties Gym den Stellenbosch Mountain. Auch das rund acht Kilometer entfernt gelegene Naturreservat Jonkershoek bietet nicht nur für Mountainbiker großartige Strecken, sondern ist auch ein wahres Trailrunning-Paradies. Wer es schnell und knackig möchte, kann seine Runden im Leichtathletik-Stadion der Universität drehen. Allerdings wird der Zutritt hier über das Büro des Leichtathletik-Vereins geregelt. Hier sollte man sich zu Beginn des Trainingsaufenthaltes individuell erkundigen. Und wer seine Laufform testen möchte, der findet in der näheren Umgebung in der Regel jedes Wochenende Wettkämpfe über verschiedene Distanzen.
Auch am Ruhetag gibt es viel zu entdecken
Die kulturell bunte Kap-Region hat auch abseits des Sports viel zu bieten. Sicherlich interessant ist es, einen Einblick in die für uns ungewohnten und nachdenklich machenden afrikanischen Lebenswelten zu wagen, zum Beispiel im Rahmen einer Township-Führung. Aber auch Kapstadt mit seinen Museen, Stränden, dem Tafelberg oder den unzähligen Shopping-Möglichkeiten begeistert die Besucher. Und auch Stellenbosch selbst lebt von viel Kunst und Kultur, und nicht zuletzt durch die Universität finden regelmäßig interessante Veranstaltungen und Festivals statt. Zudem bietet die Kap-Region herausragende kulinarische Highlights zu sehr günstigen Preisen, von Kap-malayisch bis hin zu mediterraner Kost gibt es sehr viele leckere Gerichte. Essen und Trinken wird in der Weinregion Stellenbosch sehr groß geschrieben. Das Anbaugebiet rund um Stellenbosch ist nicht nur die berühmteste Weinregion Afrikas, sondern produziert auch für Weltstandards bekannte und qualitativ hochrangige Produkte. Am besten lässt sich die Gegend – mit Weinfeldern links und rechts – per Rad erkunden oder im Rahmen einer touristisch organisierten Wine-Tasting-Tour. Als Beispiel für ein authentisches Familienunternehmen gilt das Weingut De Meye meines Lebenspartners Philips,das gleichzeitig auch mein südafrikanischer Wohnsitz ist. Dieser kleinere Privatbetrieb mit 110 Hektar ist seit vielen Generationen im Besitz der Familie Myburgh, die im Jahre 1665 aus der Ortschaft De Meije in Holland nach Südafrika auswanderte. Da klein auch fein und insbesondere interessant sein kann, darf man uns auch gerne jederzeit für eine Weinprobe besuchen oder im mehrfach ausgezeichneten Restaurant „The Table at De Meye“ speisen.
Augen auf in Afrika
Zu guter Letzt ist Südafrika auch ein Land der Gegensätze. Neben den luxuriösen Weingütern mit europäischem Flair und Urlaubs-Feeling bestehen im Land kulturell und ökonomisch gesehen große Unterschiede. Insbesondere unter den einheimischen afrikanischen Bevölkerungsgruppen herrscht teils bittere Armut und ein schlechtes Bildungsniveau.
Vieles ist toll in Kapstadt und Stellenbosch, und die Region gilt als eine der sichersten in Südafrika, wenn allerdings verschiedene Welten aufeinanderprallen – und dies passiert immer wieder –, sind unangenehme Folgen vorprogrammiert. Hier hilft es oftmals schon, ein waches Bewusstsein zu haben, mit offenen Augen durch den Tag zu gehen, die Geldbörse und den Laptop nie unbeaufsichtigt zu lassen und auch keine Wertgegenstände im Auto einzuschließen. Viele der Südafrikaner sind auf den ersten Blick freundlich und hilfsbereit – aber nicht alle meinen es gut.
Das gilt auch für das Fahrradfahren auf den Straßen Südafrikas. Wer sein Fahrrad als Wertgegenstand begreift, dürfte automatisch bestimmte Gegenden, wie zum Beispiel die Nähe der Townships, meiden. Auch ist es sicherlich nicht verkehrt, generell lieber zu zweit oder in der Gruppe aufs Rad zu steigen, um auf Nummer sicher zu gehen. Auch das Timing der Radausfahrt sollte aus Gründen der Verkehrssicherheit gut gewählt sein, denn leider herrschen bei Weitem keine deutschen Standards in Südafrika. Insbesondere die Feierabendzeiten sollte man als Radler auf der Straße lieber meiden. Zu viel Angst muss man allerdings auch nicht haben, denn wie bei allem gilt auch in Südafrika: Bewusstsein minimiert das Risiko.
Text: Kathrin Walther
Fotos: Privat