Nur drei Faktoren sind wichtig beim Schwimmen: Die Wasserlage, die Atmung und der Vortrieb. Annette Gasper verrät, auf was es beim Schwimmen ankommt.
Wasserlage
Je mehr wir beim Kraulen den Blick zum Boden richten, desto eher merken wir, wie wir auf dem Wasser schweben, und nur so können wir die Eigenschaft des Wassers, den Auftrieb, optimal nutzen. Oft höre ich das Argument, „dann sehe ich ja nicht mehr, wo ich hinschwimme“. Stimmt, aber das macht nichts. Es ist natürlich erlaubt, zwei bis drei Meter nach vorne zu schauen, so kann man immer noch reagieren, aber man muss den Kopf nicht in den Nacken ziehen. Und wer im Sommer in einem See schwimmt oder bei einem Triathlon startet, der kann sich gleich daran gewöhnen, dass die meisten Seen recht trüb sind und man daher eh nicht viel sehen kann.
Ganz einfach lässt sich die Wasserlage üben, wenn wir auf dem Rücken schwimmen und Richtung Hallendecke schauen. In dieser Position fällt auch das Atmen leicht. Außerdem gewöhnt man sich daran, dass man nicht sieht, wo man hin schwimmt. Mit dieser Erfahrung und diesem Vertrauen heißt es dann, sich umzudrehen und in Bauchlage das gleiche zu üben. Hier kann ein Schnorchel helfen. Alles worauf ihr achten solltet, heißt schweben, gleiten und Blickrichtung zum Boden halten. Gerne kann man dazu Kraulbeinschlag machen oder einfach nur gleiten.
Je wohler man sich im Wasser fühlt, umso mehr Auftrieb, den uns das Wasser gibt, spüren und nutzen wir, und um so mehr wird man zum Schwimmer.
Eine weitere Übung, die ihr mal ausprobieren solltet, ist die von Steven Shaw. Beim Gleiten lässt er seine Athleten den führenden Arm umdrehen. Die Handinnenfläche zeigt zur Wasseroberfläche. Warum – So kann man doch gar keinen richtigen Armzug machen?! Genau das gleiche habe ich im ersten Moment auch gedacht, aber Steven Shaw hat erkannt, dass diese Bewegung uns hilft den Rücken zu entspannen. Die Rotation in der Hüfte kommt dann von alleine und wir können entspannter gleiten.
Einfach weiter atmen
Ein weiterer Faktor, der den Triathleten das Leben schwer macht, ist das Atmen. Aus meiner Erfahrung aus 22 Jahren als Schwimmtrainerin kann ich sagen, viele Triathleten atmen unter Wasser nicht richtig aus. Atmen ist ein ganz natürlicher Reflex und daher muss man lernen, dass es kein Problem ist, gegen den Widerstand des Wassers entspannt auszuatmen und sich nach wie vor im Wasser wohlzufühlen. Nur so haben wir Platz in den Lungen und das Einatmen kann ganz einfach vonstatten gehen. Dabei gilt im Wasser das Gleiche wie an Land: Wir können permanent atmen und müssen weder extrem viel ein- noch ausatmen. Eine „ganz normale“ flache Atmung reicht aus und schon fällt es nicht mehr so schwer, am Stück durchzukraulen.
Vortrieb: Wie werde ich schneller
Fangen wir mit dem Lieblingsthema der Triathleten an, dem Beinschlag. Der Beinschlag beginnt in der Hüfte und ist eine lockere Kickbewegung. Die Betonung liegt auf locker und aus der Hüfte. Man kann den Beinschlag gut direkt nach dem Abstoß vom Beckenrand üben. Bei jeder Bahn einfach 5 bis 10 Meter nur Beinschlag schwimmen. Optimal finde ich auch, den Einsatz von Kurzflossen. Man wird automatisch schneller und es macht mehr Spaß. Zudem kräftigt man die Beinmuskulatur und spürt den Wasserwiderstand besser. Achtung, wenn man anfängt, mit Flossen zu trainieren, sollte man es nicht übertreiben, es reichen schon 200 bis 400 Meter. Sehr schön ist es auch, wenn man mit einem Schnorchel und Flossen schwimmt. So kann man sich optimal auf die Beinarbeit konzentrieren und das Atmen ist kein Problem. Ich empfehle eine Bahn Beinarbeit, eine Bahn Abschlagschwimmen, eine Bahn Kraul und eine Bahn zügig Kraul. Diese Serie kann man beliebig oft wiederholen.
Aber warum ist die Beinarbeit so wichtig?
„Ich brauche doch meine Beine noch zum Radfahren und Laufen und wenn ich einen Neo anhabe …“ Wie oft ich diesen Satz als Coach schon gehört habe, kann ich gar nicht sagen. Man muss nicht viel Beinschlag machen, aber mit einer gezielten Beinarbeit, verbraucht man kaum Energie, gewinnt aber Vortrieb. Dabei sollen die Beine in der Stromlinie des Körpers bleiben. Das bedeutet, man führt nur eine kleine Amplitude aus. Der Beinschlag kommt ganz locker aus der Hüfte. Das reicht schon aus. Eine sinnvolle Beinarbeit stabilisiert den Körper und sorgt für eine gute Wasserlage. Und ja, es stimmt, ein Neo macht das auch, aber das Geschrei ist immer groß, wenn doch mal ohne Neo geschwommen werden muss.
Eine schöne Übung für Beinschlag und Körperrotation ist folgende: Gut von der Wand abstoßen, die Hände am Körper anlegen und dann mit Kraulbeinschlag beginnen. Nach 2-3 Metern zuerst die Hüfte drehen und dann die Schultern bis der ganze Körper auf dem Rücken liegt. Die Zeit nutzen um etwas einzuatmen und dann wieder die Hüfte zuerst drehen und auf den Bauch legen. Eine halbe Bahn reicht, die zweite Hälfte dann normal Kraulen. Das geht dann wie von alleine.
Der perfekte Armzug
Und jetzt zu den Armen: Beim Eintauchen immer den Arm unter Wasser komplett strecken. Das sorgt für Auftrieb und eine gute Wasserlage. Dann den Ellenbogen an der Wasseroberfläche stehen lassen und den Unterarm anstellen. Das ergibt eine schöne große Fläche, mit der man Druck aufbauen kann. Den Arm bis zum Ende durchziehen. Wenn der Daumen an der Mitte vom Oberschenkel angekommen ist, ist der Zug erst zu Ende. Die Rotation um die Körperlängsachse hilft bei der Druckphase mehr Kraft auf das Wasser zu übertragen.
Mein Lieblingsschwimmer ist Ian Thorpe. Es gibt viele Videos auf youtube von ihm, ich habe ein schönes Beispiel rausgesucht. Ach ja, Thorpe ist 1.500-Meter-Schwimmer, kein Triathlet. Sein Beinschlag ist extrem gut, aber auch extrem kraftvoll. Das wäre für Triathleten zu viel, aber wie locker er die Beine einsetzt ist sehenswert und was er mit seinen Armen macht, ist die hohe Kunst des Schwimmens.
Annette Gasper hat mit vier Jahren mit dem Schwimmen begonnen und mit 14 Jahren als Trainerin in Kindergruppen gearbeitet. Sie hat ein Sportstudium M.A. Sportökonomie in Darmstadt absolviert und besitzt die B-Lizenz für Trainer des Deutschen Schwimm Verbandes.
Internet: swimpower.de
Buchtipp: John von Düffel „Schwimmen“. Er beschreibt in seinem Buch die Kommunikation mit dem Wasser einfach auf eine grandiose Weise. Es geht darum, eine Verbindung zum Wasser aufzubauen und die besonderen Eigenschaften dieses Elements zu mögen und für sich zu nutzen.
Foto: Armin Schirmaier