Als guter Schwimmer trainiert man vielfältig

schwimmen_koordination_2Beim Schwimmen gelten die 800 m Freistil bereits als Langstrecke. Übertragen auf den Triathlon bedeutet dies, dass Triathleten de facto Langstreckenschwimmer sind. Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollten Triathleten daher trainieren?

 

Ein Langstreckenschwimmer muss in der Lage sein, über einen langen Zeitraum immer wiederkehrende Bewegungen (Zyklen) konstant zu wiederholen. Im besten Falle in einem möglichst hohen Tempo, ohne an Geschwindigkeit einzubüßen. Dabei sollten die Bewegungsabläufe flüssig und effizient sein. Das Ziel eines ökonomischen Schwimmstils kann nur dann erreicht werden, wenn dies im Training konsequent geübt wird. Die mehrheitliche Meinung unter Triathleten besteht darin, dass die Schwimmtechnik das wichtigste Merkmal des effizienten Schwimmens ist und deswegen auch besonders gefördert werden sollte. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit, denn neben einer guten Technik werden Sie sich ohne Schulung der konditionellen Fähigkeiten wie Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Flexibilität nicht entscheidend verbessern. Und daher muss ein Langstreckenschwimmer sowohl die konditionellen als auch die koordinativen Fähigkeiten (Technik) trainieren.

Trainingsanteile Technik und Kondition
Unabhängig von der Wettkampfstrecke und den persönlichen Zielvorstellungen können Sie sich dabei an folgende Werte richten:
5 Prozent: Grundschnelligkeits- und Schnelligkeitsausdauertraining.
 Schwimmen Sie kurze Strecken bis zu 100 Meter in maximalem Tempo und machen Sie dabei Pausen von bis zu drei Minuten nach jeder Teilstrecke.
15 Prozent: Isolierte Beinarbeit (auch für Triathleten unbedingt notwendig).
20 Prozent: Einschwimmen, Ausschwimmen und gezieltes Techniktraining.
60 Prozent: Grundlagen- ( GA 1 und GA 2) und Kraftausdauertraining (zum Beispiel mit Paddles), bevorzugt in Intervallmethode mit variablen Aufgaben, Intensitätsvorgaben und festen Pausen.

Ausdauer
Vergessen Sie nicht: Sie sind ein Langstreckenschwimmer, und aus diesem Grund sollten Sie den Hauptteil des Trainings auch im Grundlagenausdauerbereich verbringen. Um Ihre schwimmspezifische Ausdauer zu verbessern, dürfen Sie nicht monoton trainieren, sondern müssen immer wieder neue Reize setzen! Trainieren Sie in abwechslungsreichem Intervalltraining statt mit der stupiden Dauermethode. Schwimmen Sie lieber 20 x 100 Meter mit verschiedenen Aufgaben und Geschwindigkeiten anstatt 2.000 Meter am Stück mit monotonen Aufgaben und gleichbleibenden Geschwindigkeiten. Durch das Integrieren von Delfin, Rücken und Brust in Ihren Trainingsplan werden Sie auch ein besserer Kraulschwimmer. Denn durch das Schwimmen anderer Schwimmstile setzen Sie Belastungsreize, verbessern Ihr koordinatives Gefühl im Wasser und schützen sich auch noch nebenbei vor einseitigen Überbelastungen! Lernen Sie von den Beckenschwimmern. Egal, was die Hauptstrecke eines Schwimmers ist, der Hauptanteil im Training wird in Lagen trainiert. Es gilt: Je länger die Strecke ist, desto abwechslungsreicher sollte trainiert werden.

Allgemeine und spezifische Ausdauer
Häufig werde ich von guten Marathonläufern oder Radfahrern angesprochen, dass Sie nicht verstehen, dass sie bereits nach wenigen Bahnen im Becken aus der Puste sind. Mit Frustration in der Stimme sagen Sie, dass Sie doch ein guter Sportler seien und eine gute Grundlagenausdauer besitzen. Die meisten vergessen dabei, dass im Wasser andere physikalische Gesetze als an Land gelten und beim Schwimmen andere Muskeln beansprucht werden. Aufs Schwimmen bezogen trainieren Sie durch das Laufen und Radfahren nur Ihre allgemeine Ausdauer, allerdings nicht die notwendige spezifische Ausdauer im Wasser, die Sie als Schwimmer unbedingt benötigen, um „sorgenfrei“ auch längere Schwimmstrecken entspannt schwimmen zu können.

Kraft
Kraft, und im Speziellen die Kraftausdauer, ist eine weitere entscheidende Fähigkeit, die Sie trainieren müssen. Was nutzt Ihnen eine gute Technik, wenn Sie nicht in der Lage sind, sich über die gesamte Wettkampfdauer effizient vom Wasser abzudrücken? Um Kraft im Wasser zu entwickeln, ist es durchaus sinnvoll, ein ergänzendes Krafttraining an Land zu absolvieren. Hierzu können beispielsweise verschiedene Methoden gewählt werden:
schwimmen_koordination_5Zugseiltraining
Training mit dem eigenen Körpergewicht (zum Beispiel Liegestütze, Dips oder Klimmzüge)
Gerätetraining für die beiden Hauptantriebsmuskeln Pectoralis (großer Brustmuskel) und Latissimus (breiter Rückenmuskel).

Im Wasser kann die Kraft durch vermehrtes Training mit Paddles trainiert werden, wobei Sie darauf achten müssen, sich nicht überzubelasten. Erhöhen Sie die Kraftanteile nur langsam, schwimmen Sie zunächst nur kürzere Strecken von bis zu 100 Metern am Stück, achten Sie darauf, technisch sauber zu bleiben und nutzen Sie einen möglichst langen Zyklusweg. Benutzen Sie dabei nur Paddles, die in etwa so groß wie Ihre Hand oder nur knapp größer sind.

Ein weiterer Aspekt des Krafttrainings ist die isolierte Beinarbeit. Beckenschwimmer trainieren teilweise 20–25 Prozent Ihres Umfangs in der isolierten Beinarbeit, das heißt sie schnappen sich ihr Schwimmbrett und trainieren ihre Beine. Lernen sie auch hier von den Spezialisten und absolvieren Sie zumindest 10–15 Prozent mit Ihrer Beinarbeit. Dies wird Ihnen anfangs sicherlich schwerfallen. Um Ihnen den Einstieg jedoch zu vereinfachen, können Sie hierfür Kurzflossen verwenden. Wenn sich durch die vermehrte Beinarbeit Ihre Beinmuskulatur angepasst und die Bewegungsausführung verbessert hat, werden Sie belastungsverträglicher und ausdauernder schwimmen können sowie Ihre Wasserlage und Ihre Stabilität und dadurch Ihren Vortrieb – ohne dabei die Beinmuskulatur intensiver einzusetzen – verbessern.

Achten Sie generell darauf, dass Sie maximal ein Drittel Ihres Trainings mit Hilfsmitteln bestreiten sollten. Letztere sind dazu da, Sie im Training zu unterstützen und Reize zu setzen. Vergessen Sie jedoch nicht, dass Sie letzten Endes im Wettkampf ohne Hilfsmittel auskommen müssen.

Schnelligkeit
Schnelligkeit spielt bei einem Langstreckenschwimmer zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Sie sollten allerdings wissen: Je größer Ihre Grundgeschwindigkeit ist, desto schneller werden Ihre Durchgangszeiten beziehungsweise desto leichter ist es, Ihr Tempo über eine längere Strecke zu halten.

Beispiel:
Schwimmer A benötigt über 100 m Kraul 1:30 Minuten und Schwimmer B 1:40 Minuten. Beide haben das Ziel von über 1.500 Metern Kraul mit einen Schnitt von 1:50 Minuten zu erreichen. Schwimmer A hat durch die bessere Grundgeschwindigkeit erheblich bessere Voraussetzungen, sein Ziel zu erreichen. Achten Sie also darauf, Ihre Grundgeschwindigkeit zu steigern, indem Sie auch kürzere Strecken bis zu 100 Metern in hohem Tempo in Ihr Training aufnehmen.

Flexibilität
Flexibilität ist sicherlich die am meist unterschätzte konditionelle Fähigkeit. Die meisten Triathleten sind im Schwimmen Quereinsteiger und oftmals gar nicht in der Lage, bestimmte Bewegungen auszuführen. Als Voraussetzung für eine gute Technik und ein ökonomisches ausdauerndes Schwimmen benötigen Sie die nötige Flexibilität. Eine steife und verkürzte Muskulatur limitiert eine optimale Bewegungsausführung. Gute Kraulschwimmer sind im Bereich des Schultergürtels und des Fußstreckers sehr flexibel. Bauen Sie in Ihr Athletiktraining regelmäßig entsprechende Dehnübungen ein und dehnen Sie sich nach jedem Schwimmtraining. In der Praxis erlebe ich es oft, dass Triathleten durch ein konsequentes Techniktraining versuchen, ein Technikleitbild zu erreichen. Am Ende sind sie dann häufig verzweifelt, wenn sie trotz eines intensiven Trainings keine Verbesserung erzielen. Dies liegt dann meistens an einer unzureichenden Flexibilität. Beispiele hierfür sind eine schlechte Beinbewegung und ein verkürzter Zyklusweg.

schwimmen_koordination_4Technik
Techniktraining sollte stets in Ihrem Trainingsplan enthalten sein, im Winter mehr als im Sommer. Insbesondere in der dunklen Jahreszeit dürfen Sie dann auch mal bis zu ein Drittel Ihres Trainings mit Technikübungen verbringen. Im Freibad und offenen Gewässer sollten Sie die erlernten Bewegungen nur noch festigen und ständig wiederholen, damit Sie im Wettkampf in der Lage sind, die neuen Bewegungen gewinnbringend einzusetzen. Am besten lassen Sie am Anfang der Saison eine Schwimmanalyse erstellen und arbeiten in den Monaten danach ganz gezielt an ein bis zwei Schwächen.
Eine Technikverbesserung ist nicht so leicht und erfordert einen langen Zeitraum konsequenter Arbeit. Hierbei werden immer wieder zwei Voraussetzungen übersehen, die Sie mitbringen müssen, um Ihre Technik verändern zu können: das Wassergefühl und die Koordination!

Wenn Sie in der Lage sind, Wasser zu spüren und zu fühlen, wird sich Ihre Hand automatisch den richtigen Weg unter Wasser suchen. Guten Schwimmern muss man oftmals nicht sagen, wie sie sich bewegen müssen, sie machen es automatisch. Auch hier sollten Sie von den Spezialisten lernen.

Wassergefühl
Das höchste Gut des Schwimmers ist das Wassergefühl. Auch Topschwimmer wie Michael Phelps oder Paul Biedermann trainieren fast täglich Ihr Wassergefühl. Hierbei müssen Sie sehr geduldig sein und diverse Übungen immer und immer wieder wiederholen und neue Übungen mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad in Ihr Training aufnehmen. Wenden Sie sich hierfür am besten an einen professionellen Schwimmtrainer oder informieren Sie sich gezielt über ein geführtes Schwimmtraining eines lokalen Schwimm- oder Triathlonvereins.

Mit der Koordination verhält es sich ähnlich. Wenn Sie in der Lage sind, sich koordinativ gut im Wasser zu bewegen, wird es Ihnen leichter fallen, Ihre Technik zu verbessern. Es lohnt sich also, koordinative Übungen (in jeder Schwimmeinheit) in das Training aufzunehmen. Denn je besser Ihr Wassergefühl und Ihre koordinativen Bewegungen im Wasser sind, desto besser werden Sie schwimmen können. Durch die Verbesserung dieser beiden Fähigkeiten wird sich Ihre Schwimmtechnik von ganz alleine positiv verändern.

Trainingseinheiten (3 Beispiele):
Trainingseinheit 1 (Gesamtumfang 2,1 km):
100 Meter beliebiges Einschwimmen.
200 Meter Wassergefühl und Koordination. 
8 verschiedene Übungen, alle 25 Meter die Übung wechseln.
12 x 100 Meter 100 Meter Lagen und 100 Meter Kraul im Wechsel im Grundlagen-Tempo. 20 Sekunden Pause.
6 x 50 Meter Beine, davon 3 x Kraul, 3 x Rücken. 15 Sekunden Pause.
2 x 50 Meter 15 Meter Sprint im Kraul ohne Atmung und 35 Meter locker beliebig. 45 Sekunden Pause.
200 Meter beliebiges Ausschwimmen.

Trainingseinheit 2 (Gesamtumfang 2,4 km):
100 Meter Beliebiges Einschwimmen.
4 x 50 Meter 25 Meter Wriggen (Wassergefühl) und 25 Meter Brust. 15 Sekunden Pause.
4 x 50 Meter Mini-Lagen (jeweils 12,5 Meter Delfin, Rücken, Brust und Kraul). 15 Sekunden Pause.
2 x 50 Meter 25 Meter gesteigertes Tempo im Kraul und 25 Meter locker beliebig. 30 Sekunden Pause.
4 x 300 Meter 100 Meter Beine in Seitlage und 200 Meter Kraul Gesamtbewegung (davon die letzten 50 m in zügigem Tempo). 30 Sekunden Pause.
8 x 50 Meter Kraul mit Paddles + Pullbouy (lang und kraftvoll ziehen). 15 Sekunden Pause.
200 Meter Beliebiges Ausschwimmen.

Trainingseinheit 3 (Gesamtumfang 2,1 km):
100 Meter beliebiges Einschwimmen.
200 Meter 100 Meter Lagen Beine und 100 Meter Lagen einarmig.
8 x 50 Meter 25 Meter Technik-Übung und 25 Meter Kraul Gesamtbewegung (Zuglänge). 15 Sekunden Pause.
400 Meter Lagen Rückwärts-Reihenfolge (alle 25 Meter die Schwimmart wechseln). 30 Sekunden Pause.
300 Meter Kraulen mit 5er-Atmung. 30 Sekunden Pause.
200 Meter Lagen beliebige Reihenfolge (alle 12,5 Meter die Schwimmart wechseln). 30 Sekunden Pause.
100 Meter Kraul mit 7er-Atmung. 30 Sekunden Pause.
4 x 50 Meter Rücken-Beine mit Kurzflossen, intensives Tempo. 30 Sekunden Pause.
200 Meter Beliebiges Ausschwimmen.

Autor Erik Felsner kommt aus dem Schwimmleistungssport und ist seit 2008 im Besitz der Trainer-A-Lizenz im Schwimmen, der höchsten Ausbildungsstufe als Trainer im Deutschen Schwimmverband. Seit 2008 arbeitet Erik Felsner unter dem Namen „ef-sports“ (ef-sports.de) als freiberuflicher Schwimmtrainer mit dem Schwerpunkt Triathlon. Seitdem beschäftigt er sich intensiv mit der Besonderheit „Schwimmen im Triathlon“. Erik Felsner bietet unter anderem Schwimmseminare in Ratingen (Tagesseminare) und in Hennef an (Wochenend-Seminare).

Fotos: Armin Schirmaier und Klaus Arendt