3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen: 226 Kilometer beträgt die klassische Langdistanz. Aber ist jeder Wettkampf über diese Entfernung tatsächlich auch 226 Kilometer lang?
Immer dann, wenn alte Rekordmarken fallen, werden Stimmen laut, dass hier das Schwimmen, dort die Radstrecke und im Nachbarort der abschließende Marathon zu kurz sei. Auch in der Leichtathletik gab es in den frühen achtziger Jahren immer wieder Diskussionen über die Anerkennung von Streckenrekorden bei Straßenläufen. Bereits 2011 traf ich mich in Frankfurt mit Lothar Wenz, um mehr über das exakte Ermitteln von Laufstrecken zu erfahren. Der heute 87-Jährige besitzt die von der AIMS/IAAF (Association of International Marathons and Road Races / International Association of Athletics Federations) vergebene A-Zertifizierung, die ihn dazu berechtigt, Laufveranstaltungen bei Welt- und Europameisterschaften und Olympische Spiele zu vermessen.
Vermessung und ihre Tücken
Im März 1985 fand auf Anregung der Organisatoren des Hoechst Marathons in Frankfurt ein von der AIMS veranstaltetes Seminar statt, bei dem die Teilnehmer aus mehreren europäischen Ländern in Theorie und Praxis ausgebildet wurden, Laufstrecken korrekt zu vermessen. Die nach Alan L. Jones benannte Messmethode stellt sicher, dass ein Marathon tatsächlich aus 42,195 Kilometern besteht und somit bestenlistenfähig ist. Inzwischen erkannte auch die IAAF die AIMS-Messmethode an und übernahm das dazugehörige 85 Seiten umfassende Regelwerk. Die Festlegung des geplanten Streckenverlaufs durch den Veranstalter inklusive aller behördlichen Genehmigungen ist Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeiten des Vermessers. Ziel der Messung ist, auf dem vorgegebenen Streckenverlauf die kürzest mögliche Verbindung zwischen Start und Ziellinie zu bestimmen. Ein Marathon wird nur dann von der AIMS/ IAAF genehmigt, wenn die Mindestlänge von 42,195 Kilometern nicht unterschritten wird. Vor jeder Streckenvermessung wird der Jones-Counter auf einer mit einem Messband oder fotoelektronisch geeichten Strecke von 1.000 Meter kalibriert. Da jeder Kilometer bei der abschließenden Kalkulation einen Zuschlag von einem Promille erhält, wird jeder Marathon grundsätzlich um 42,195 Meter zu lang ausgemessen. Dieser Puffer ist unter anderem deshalb erforderlich, da es vorkommen kann, dass bei der amtlichen Streckenvermessung die Ideallinie zum Beispiel durch parkende Autos oder kleinere Tagesbaustellen nicht abgefahren werden kann und aus diesem Grund berechnet werden muss.
Überprüfung auf Richtigkeit
Da eine Streckenvermessung sich häufig über mehrere Stunden hinzieht, kann sich aufgrund von Witterungseinflüssen der Luftdruck des Vorderrades verändern, was sich somit auch auf die Genauigkeit des Jones-Counters auswirkt. Aus diesem Grund werden häufig Zwischeneichungen erforderlich. Lothar Wenz dagegen bedient sich eines Vollgummireifens, um diese Fehlerquelle auszuschließen. Die im Rahmen der behördlichen Genehmigungsphase freigegebene Strecke wird durch den Vermesser auf ihre Richtigkeit überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Treten bei der offiziellen Vermessung Längenunterschiede von mehreren hundert Metern auf, bedeutet dies für alle Beteiligten einen nicht unerheblichen Mehraufwand. Insbesondere dann, wenn für neu zu berücksichtigende Streckenabschnitte zusätzliche Genehmigungen eingeholt werden müssen. Damit dies nicht passiert, versucht Lothar Wenz bereits bei den Planungen der Wunschstrecke durch den Veranstalter mit am Tisch zu sitzen.
Kurventechnik
Nicht nur beim Eisschnelllaufen entscheiden sich die Rennen in den Kurven. Auch bei der Vermessung von Laufstrecken liegt die besondere Herausforderung in den Windungen. Die von AIMS/IAAF festgelegten Regeln für Kurven, Wendepunkte und Hindernisse, versetzen den ausgebildeten Vermesser in die Lage, den vorgegebenen Kurs regelgerecht zu vermessen. Beim Einbiegen in eine Straße ist zum Beispiel ein dreißig Zentimeter langer Abstand zur Bordsteinkante einzuhalten. Aber auch der Veranstalter selbst hat während des Wettkampfes durch Absperrungen (Pylonen, Gitter) dafür zu sorgen, dass die Athleten die vermessene Strecke nicht verlassen können, um über Gehwege und Grünflächen abzukürzen. Eine von vielen Veranstaltern aufgezeichnete Linie markiert den Streckenverlauf und dient den Läufern lediglich als Orientierungshilfe. Sie stellt nur dann die kürzeste Strecke dar, wenn die Markierung auch durch den Vermesser vorgenommen wurde. Jeden Kilometer setzt Lothar Wenz einen Messpunkt, um bei der Wiederholung einer Messreihe nicht wieder ganz von vorne beginnen zu müssen. Eine Streckenvermessung gilt mit Abnahme des Messprotokolls durch die Verbände als abgeschlossen. Dass in naher Zukunft die GPS-Vermessung den Jones-Counter ablösen wird, bezweifelt Wenz, der auch 2011 die (immer noch gültige) Laufstrecke des Ironman Germany mit dem Jones-Counter vermessen hat. Die mit einer GPS-Vermessung einhergehenden höheren Kosten für die exakte Vermessung gerade bei sehr verwinkelten Strecken sowie die teilweise knappen Veranstaltungsbudgets sprechen zurzeit noch dagegen.
Und nun?
Bleibt zu hoffen, dass sich die großen privaten Veranstalter wie das TEAMChallenge, die World Triathlon Corporation, die nationalen Verbände sowie die Internationale Triathlon Union an einen Tisch setzen, um eine von allen Seiten anerkannte Messmethode – eventuell auch unter Berücksichtigung der Wechselzeiten – für bestenlistenfähige Triathlon-Wettbewerbe zu verabschieden.
Seit 2011 hat sich diesbezüglich nicht wirklich etwas getan ….
Text | Foto: Klaus Arendt
weitere Infos: jonescounter.com