Der zweite Teil rund um den Nährstoff Eiweiß beschäftigt sich damit, wann eine Eiweißversorgung problematisch werden kann.
Problematische Eiweißversorgung
Problematisch kann die Eiweißversorgung daher vor allem bei vier Triathletengruppen werden:
- Diejenigen, die insgesamt wenig essen. Ziel ist meist ein niedriges Körpergewicht zu erzielen oder zu halten beziehungsweise die Reduzierung des Körperfettanteils. Hier ist unbedingt darauf zu achten, dass der empfohlene Eiweißanteil beibehalten und bei Kohlenhydraten eingespart wird. Ansonsten geht es an die Substanz. Praktikabel sind hier Eiweißpulver, die ohne Fett, Cholesterin und Purine hochwertiges Eiweiß liefern.
- Die Athleten, die sich mittel- bis langfristig sehr einseitig ernähren. So lässt z. B. eine sehr stark kohlenhydratbetonte Ernährungsweise („Kohlenhydratmast“) oft einen adäquaten Eiweißanteil nicht zu. Auch Vegetarier liegen bei der Eiweißzufuhr meist unter den für leistungsorientierte Aktive empfohlenen Werten. Sojaprodukte, ob als Sojadrink oder Tofu, sind hier neben Nüssen, Hülsenfrüchten und Getreide die Lebensmittel der Wahl.
- Hohe Trainingsumfänge mit regelmäßigen, intensiven Einheiten, vor allem im Trainingslager, sind prädestiniert für eine nicht angemessene Eiweißzufuhr. Gerade für Trainingslager eignen sich Eiweißpulver und eiweißhaltige Regenerationsgetränke gut, um die Basiseiweißversorgung sicherzustellen.
- Lebensmittelallergiker und Sportler mit Unverträglichkeiten (zum Beispiel Laktoseintoleranz) stellen die vierte Gruppe dar. Besonders wenn Milch und Nüsse nicht verzehrt werden können, ist eine gute Gesamtqualität der Proteine unter Umständen nicht gewährleistet. In solchen Fällen sollten Lebensmittel mit möglichst hoher biologischer Wertigkeit wie Sojaprodukte in den Speisenplan integriert werden. Auf die sinnvolle Kombination der Lebensmittel ist hier besonders zu achten, um eine gute Proteinqualität zu erzielen. Auf der anderen Seite „dürfen“ Triathleten deutlich mehr essen als Nichtsportler. Denn sie verbrauchen beim Training und im Wettkampf viel Energie. Bei einer abwechslungsreichen Kost wird dadurch „automatisch“ auch mehr Eiweiß verzehrt. Triathlongerecht erhöhen lässt sich der Eiweißanteil durch Magerquark oder Sauermilchkäse, Fisch wie Kabeljau, Thunfisch und Scholle, mageres Fleisch (Geflügel), Eier, Sojaprodukte wie Sojadrinks, Yoghurtalternativen und -desserts, Amarant, Hafer, Hülsenfrüchte und Nüsse. Grundsätzlich sollte der Eiweißbedarf über natürliche Lebensmittel gedeckt werden. In besonderen Situationen kann der Einsatz spezieller Eiweißpräparate sinnvoll sein. Das oft genannte Argument, dass Präparate sehr teuer seien, zieht hier nur bedingt. Bezogen auf den Preis für 100 Gramm Eiweiß schneiden Eiweißpulver besser ab als Fleisch und Fisch. Lediglich das Eiweiß aus Hülsenfrüchten ist deutlich billiger zu haben.
Quantität und Qualität
Bei der Basis-Eiweißversorgung spielt neben der Quantität vor allem die Qualität eine große Rolle. Diese wird auch als Biologische Wertigkeit bezeichnet. Das Prinzip der limitierenden Aminosäure ist die Grundlage zur Bestimmung der Proteinqualität. Dabei handelt es sich um die essenzielle Aminosäure, die in einem Protein beziehungsweise im Lebensmittel im Verhältnis zum Bedarf in der geringsten Menge enthalten ist. Sie bestimmt, wie effizient der Körper das Protein aus einem Lebensmittel verwertet und in körpereigenes Eiweiß umbauen kann. Grundsätzlich gilt: Tierische Eiweißquellen sind hochwertiger als pflanzliche. Die höchste Eiweißqualität eines einzelnen Lebensmittels besitzt das Hühnerei, vor Fleisch und Fisch. Und: Durch die Kombination von tierischen und pflanzlichen Eiweißen (beispielsweise Müsli = Milch/Joghurt + Getreide) wird die Eiweißqualität deutlich erhöht. Allerdings ist die Biologische Wertigkeit nicht in jeder Situation das Maß der Dinge. Gerade vor und während, aber auch nach der Belastung kann der Verzehr spezieller Aminosäuren/Eiweiße durchaus ratsam sein. Da so aber nicht alle essenziellen Aminosäuren aufgenommen werden, ist die Biologische Wertigkeit in dieser Situation zwar gleich Null, dennoch sind die Aminosäuren beziehungsweise das spezielle Eiweiß – wie das Molkenprotein – wirksam.
Das richtige Eiweiß zur richtigen Zeit
Eine Proteinaufnahme, die reich an essentiellen Aminosäuren und leicht verdaulich ist, kann unmittelbar vor, während und nach der Belastung vorteilhaft für die Erholungsfähigkeit, den Erhalt der Muskelmasse und die Aufrechterhaltung der Immunfunktion bei hoher Belastungsintensität sein. Erfolgt eine Eiweiß- und Kohlenhydratzufuhr bis maximal eine Stunde nach der Aktivität, wird so der Eiweißaufbau in der Muskelzelle stimuliert. Nach spätestens vier Stunden schließt sich dieses sogenannte anabole Fenster und die Regeneration verläuft deutlich langsamer. Die Steigerung des Muskeleiweißaufbaus in dieser Situation ist dabei auch auf die Erhöhung des Insulinspiegels, also den durch die Kohlenhydrate ausgelösten, Zellen öffnenden Effekt zurückzuführen. Ohne die gleichzeitige Aufnahme von Kohlenhydraten erfolgt eine geringere Wirkung auf die Muskulatur. Molkenproteine (als Whey-Proteine erhältlich) stehen im Blut besonders schnell zur Verfügung und sollen daher für den Regenerationsprozess ideal geeignet sein. Aktuelle Studien dokumentieren, dass sich Milch und Kakao ebenfalls gut zur schnellstmöglichen Regeneration eignen. Auch Sojadrinks stehen reinen Molkeprodukten hier kaum nach und konnten in Studien den muskulären Eiweißstoffwechsel nach dem Training ebenso deutlich stimulieren wie Milch. Zur Regeneration unmittelbar nach der sportlichen Aktivität empfiehlt sich im verzehrten Lebensmittel ein Verhältnis von circa 30 Prozent Proteinen und 70 Prozent Kohlenhydraten.
Länger leistungsfähig mit BCAAs?
Die verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin machen rund ein Drittel des Skelettmuskel-Eiweißes aus. Sie werden auch als BCAAs (= Branched Chain Amino Acids) bezeichnet, sind essenziell (lebensnotwendig) und finden sich unter anderem in Milch, Molke oder Fleisch wieder. Bei langen Wettkämpfen und Trainingseinheiten kommt es zu einer verstärkten Energiegewinnung aus BCAAs. In einigen Studien konnte bei einem Marathon durch die BCAA-Aufnahme von 10 Gramm pro Stunde der Proteinabbau vermindert und die Eiweißsynthese erhöht werden. Wenn vor und während erschöpfendem Training die Muskelglykogenspeicher nur wenig gefüllt sind, kann eine BCAA-Zufuhr die vollständige Muskelglykogenentleerung hinauszögern. Ihr Einsatz könnte demnach auch beim Fettstoffwechseltraining Sinn machen. Besonders Leucin scheint beim Eiweißaufbau beziehungsweise beim Schutz vor katabolen Effekten bedeutsam zu sein. Daher ist eine eiweißbetonte Ernährungsweise mit hohem Leucingehalt, realisiert durch Lebensmittel wie Molke, Fleisch, Fisch sowie Soja und Hülsenfrüchte empfehlenswert. Die Produktion des „Entspannungs- und Ermüdungshormons“ Serotonin soll bei Verwendung von BCAAs während längerer Belastungen vermindert und so das Ermüdungsempfinden verzögert werden. Die Studienlage ist hier aber nicht eindeutig. Negative Effekte einer moderaten BCAA-Verwendung sind nicht dokumentiert. Trotzdem hat die basale Versorgung mit BCAAs über natürliche Lebensmittel zu erfolgen. Minimal sollten es circa drei Gramm, besser sechs bis sieben Gramm am Tag sein. Ein 2:1:1-Verhältnis von Leucin : Isoleucin : Valin scheint von Vorteil zu sein. Exakt dieses Verhältnis findet sich in den meisten tierischen Lebensmitteln, deren Eiweiß zudem durchschnittlich zu einem Viertel aus BCAAs besteht.
Fazit
Triathleten haben einen erhöhten Eiweißbedarf. Er kann über natürliche, eiweißreiche Lebensmittel gedeckt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch eine ausreichende Energieaufnahme. Bei insgesamt geringer Energiezufuhr, bei einseitiger Ernährungsweise und eingeschränkter Lebensmittelauswahl (z. B. bei Unverträglichkeiten oder Allergien), können Mehrkomponenten-Eiweißpräparate den erhöhten Eiweißbedarf im Triathlon leichter sicherstellen. Um einen kurzen zeitlichen Abstand nach Training und Wettkampf zur notwendigen Eiweißaufnahme zu realisieren, ist ein Verhältnis von 30 Prozent Eiweiß und 70 Prozent Kohlenhydraten effektiv. Mit einer Eiweißzufuhr von im Durchschnitt 1,5 g / kg Körpergewicht pro Tag dürfte eine ausreichende Eiweißversorgung in jeder Triathlon-Leistungsklasse gewährleistet sein. Möglicherweise hält der Einsatz von BCAAs die Leistungsfähigkeit bei langen Trainingseinheiten und im Wettkampf aufrecht und trägt zu einem verminderten Eiweißabbau bei.
Text: Uwe Schröder
Foto: fotolia | arianarama
Uwe Schröder studierte Oecotrophologie sowie Erziehungs- und Sportwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Giessen und arbeitete im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Rijksuniversiteit Limburg, Maastricht/Niederlande. Uwe Schröder ist als Ernährungswissenschaftler am Institut für Sporternährung e. V., Bad Nauheim, angestellt. Zu seinen Aufgaben zählen die Durchführung wissenschaftlicher Studien sowie die Ernährungsberatung bei Freizeit- und Leistungssportlern sowohl im Erwachsenen- / Profibereich als auch bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Patienten der Sportklinik Bad Nauheim. Seit über zehn Jahren ist Uwe Schröder Lehrbeauftragter für Sporternährung an der Hochschule Fulda, Fachbereich Oecotrophologie.