Für die meisten Erdbewohner hören sich 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und ein abschließender Marathon unvorstellbar an. Trotzdem schaffen diese Herausforderung Tausende von Sportlern jedes Jahr. Was sind die Geheimnisse hinter einem erfolgreichen Langdistanztraining?
Wie bereitet sich ein Rookie, der neben seinen Verpflichtungen im Berufs- und Privatleben, mit einem Minimum an Trainingsaufwand auf die Distanz von 226 Kilometern vor, ohne bleibende gesundheitliche Schäden davonzutragen? Und letztendlich soll der Wettkampf ja auch Freude bereiten?
Im Rahmen der Coaching-Serie „Fit für die erste Langdistanz“ werden wir Ihnen in den kommenden Wochen regelmäßig einen Leitfaden zur Hand geben, wie Sie mit einem gezielten Training Ihre vorhandene körperliche Fitness dahingehend verbessern, dass Sie mit einer vernünftigen Einteilung Ihrer Kräfte mit einem Lächeln auf den Lippen Ihr persönliches Ziel erreichen. Im ersten Artikel beginne ich mit der Vorbereitung auf das eigentliche Training. Dies bedeutet, dass Sie sich von der abgelaufenen Saison 2015 erholt und neue mentale Energie getankt haben, um anschließend Ihre Muskulatur durch Krafttraining zu stärken beziehungsweise Ihre Schwimmtechnik zu verbessern.
Worauf kommt es an?
Aber bevor Sie jetzt Ihre Laufschuhe schnüren und losrennen, sollten Sie sich die Zeit nehmen und verstehen, welche Faktoren Ihre Leistung beeinflussen:
- Das Herz-Kreislauf-System und die Sauerstoffaufnahmefähigkeit.
- Muskeln
- Knochen, Sehnen und Bänder.
- Das Energiesystem.
- Das Gehirn.
Das Training Ihres Herz-Kreislauf-Systems und der Lunge erfolgt mit Umfängen und verschiedenen Intensitäten, ist relativ einfach und erfordert verhältnismäßig gar nicht all zu viel Zeit. Marathonläufer der absoluten Weltspitze kommen mit wöchentlichen Trainingsumfängen von maximal 14 Stunden aus. Niemand würde auch nur im Entferntesten auf die Idee kommen, dass diese Topsportler über ein schwaches Herzkreislaufsystem verfügen. Die Muskeln dagegen benötigen andere Reize als das Herz. So können Altersklassenathleten den bei Profiathleten beispielsweise durch sehr hohe Umfänge erzeugten Muskelreize nur durch Krafttraining kompensieren. Am schnellsten reagiert das Herz-Kreislauf-System auf einen Trainingsreiz. Etwa doppelt so lange brauchen die Muskeln und circa dreimal länger Knochen, Sehnen und Bänder. All dies ist bedeutet, dass ein gut abgewogenes Training das A und O ist, verletzungsfrei durch das Jahr zu kommen. In aller Regel will der Geist mehr als Ihr Körper zu geben in der Lage ist, was dann leider in unnötigen Verletzungen resultiert. Trainieren Sie aus diesem Grund nach Plan, bleiben Sie ihm treu, auch wenn Sie ab und zu deutlich mehr zu trainieren in der Lage wären.
Einen Langdistanztriathlon können Sie nicht ohne genügend Energie zu Ende bringen. Dabei greifen Sie nicht nur auf die im Körper gespeicherte Energie zurück, sondern führen dem Organismus während der Belastung auch – mehr oder weniger – schnell verfügbare Energie zu. Beide Möglichkeiten haben allerdings auch Nachteile und Begrenzungen. Unser Körper speichert Kohlenhydrate und Fette, jedoch sind die Kohlenhydratreserven begrenzt und Fette bieten nur Energie auf einem niedrigen „Oktanniveau“. Außerdem benötigen Sie für die Fettverbrennung weitaus mehr Sauerstoff, als wenn Sie auf Kohlenhydratbasis im gleichen Tempo unterwegs sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Energieversorgung auf der Basis von Kohlenhydraten zu deutlich höheren Geschwindigkeiten führen kann, vorausgesetzt, Ihre Speicher sind noch ausreichend gefüllt. Wenn Ihrem Körper also nicht genügend (schnelle) Energie zur Verfügung steht, müssen Sie es ihm auch während der Belastung zufügen. Bereits 1994 hat der bekannte südafrikanische Sportwissenschaftler Dr. Noakes festgestellt, das die schnellsten Ironman-Triathleten die meiste Nahrung während des Rennens zu sich nehmen, ein aus heutiger Sicht wahrlich nicht überraschendes Ergebnis. Aber auch dieses muss rechtzeitig gelernt sein. Niemand darf erwarten, dass er unter sportlicher Höchstbelastung plötzlich Sportgetränke, Riegel, Gels, Cola und vielleicht noch Bananen ohne Weiteres verträgt und verdaut.
Das letzte Puzzelteilchen für eine erfolgreiche Langdistanz liefert Ihr Gehirn. SIE müssen es wollen und SIE müssen daran glauben, dass SIE es schaffen. Wenn Sie diesen Artikel lesen, haben Sie sich sicherlich zu einem der großen Rennen in Roth, Klagenfurt, Frankfurt oder Zürich angemeldet. Sollten Sie die Anmeldung versäumt haben, bedenken Sie, dass es nicht immer eine Massenveranstaltung sein muss. Viele schöne kleinere Langdistanz-Veranstaltungen wie Moritzburg, Glücksburg oder Köln bieten ähnliche Rennerlebnisse. Ganz wichtig ist zu wissen, warum Sie das Projekt meistern wollen. Irgendwann im Januar oder Februar, jedoch allerspätestens nach den ersten 25- bis 30-Kilometer-Läufen werden Sie sich die Frage stellen: Warum mache ich das alles? Dann sollten Sie eine passende und logische Antwort parat haben.
Wenn Sie mit dem Training starten, sollten Sie sicherstellen, dass Sie richtig erholt sind und heiß auf die Vorbereitungsphase sind. Und wenn Sie dann loslegen, verschießen Sie in den ersten Wochen nicht gleich Ihr Pulver verschießen. Später müssen wir auch ab und zu ein paar Einheiten einbauen, sodass wir auch glauben, dass wir das alles schaffen können. Die Wissenschaft beschäftigt sich momentan viel mit dem Thema Unterbewusstsein und sportliche Leistungen. Dabei geht es um die Verifizierung der Aussage „wenn du – bewusst durch denken und glauben und unbewusst durch genügend Trainingsreize – der Überzeugung bist, etwas zu schaffen, dann erreichst du auch dein Ziel“! Ich möchte Ihnen dabei behilflich sein, dass Sie Ihre erste Langdistanz erfolgreich finishen, indem ich Ihnen einen Rahmen mit trainingsrelevanten Ratschlägen vermittele. Ihr persönliches Projekt „Langdistanz“ wird jedoch nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn Sie sich sicher sind, dass Sie es von ganzem Herzen wollen, Ihr privates Umfeld Sie dabei voll und ganz unterstützt und Sie dadurch persönlich weiterkommen. Wenn Sie es „nur für andere machen“, sollten Sie sich überlegen, ob Sie Ihre Zeit nicht anders nutzen.
Zeitfenster
Ich empfehle niemandem, ein Training von „0 auf 226“ zu planen. Ich bin mir sicher, dass es sehr viele auch schaffen würden, gegebenenfalls sogar mit einem absoluten Minimum an Trainingsaufwand. Ich gebe jedoch zu bedenken, dass der Wettkampf die Belohnung für all die Strapazen der Vorbereitung ist und für den Athleten ein Erlebnis darstellen soll. Darüber hinaus dürfen Sie auch nicht Raubbau an Ihrer Gesundheit betreiben. Als Mindestvoraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme empfehle ich ein bis zwei Jahre regelmäßigen Ausdauersport mit einem Trainingsaufwand von circa vier Stunden wöchentlich. Damit Sie Ihre Premiere genießen können, werden Sie in den letzten Wochen Ihrer Vorbereitung auf einen Trainingsaufwand von mindestens zehn Stunden kommen. Mit diesen Rahmenbedingungen können Sie ohne Bedenken in ein Langdistanztraining einsteigen. Lassen Sie sich jedoch vorher gründlich von einem Sportarzt und Kardiologen untersuchen, schließlich geht es nicht um ein Kartenspiel, sondern um die Königsdisziplin des Ausdauersports.
Text: Bennie Lindberg
Fotos: Klaus Arendt (Ironman Frankfurt) und Getty Images (Datev Challenge Roth)
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Bennie Lindberg Ein schwerer Radunfall beendete Bennie Lindbergs Profikarriere in den frühen Neunzigern. Seit 1995 trainiert er Privatpersonen und Vereine, hält Seminare und Vorträge. Der Buchautor und Hersteller der ADDX-Neoprenanzüge lebt in Roth und ist Inhaber der Firma „Ad Extremum“. Bennie Lindberg misst seine Erfolge als Trainer nicht anhand errungener Medaillen und Meisterschaftstitel. Ein Sportler, der seinen ersten Triathlon absolviert hat, erfüllt ihn mit nicht weniger Stolz als ein nationaler Meistertitel, Weltmeister oder IRONMAN-Sieger: „Ein Trainer hat dann Erfolg, wenn er seine Athleten bei der Verwirklichung ihrer realistischen Ziele unterstützt hat.“