Keine Bange, wir machen keinen musikalischen Abstecher, sondern widmen uns heute dem Biorhythmus. Was dieser unterbewußte „Zyklus“ alles beeinflußt und wie er auch unsere sportliche Leistungsfähigkeit bestimmen kann, davon ist hier die Rede.
Rhythmen bestimmen unser Leben: Sekunden, Stunden, Tage, Monate, Jahre, Tag und Nacht, Morgen, Mittag, Abend, ganz abgesehen von Gezeiten, Sternen und Planeten. Selbst unsere Zellen unterliegen einer gewissen Rhythmik. Aber haben sie Auswirkungen auf unsere körperlich-seelisch-geistige beziehungsweise sportliche Leistungsfähigkeit? Diese Frage kann man durchaus mit Ja beantworten. Nur, die Zusammenhänge und Wechselwirkungen verschiedenster Faktoren bei diesen ganz natürlichen Phänomenen zu verstehen, geschweige denn, bis ins Detail und eindeutig zu erklären, ist alles andere als leicht.
In positiven wie negativen Zeiten
Zwei „Lager“ diskutieren und argumentieren seit Langem mit ihren Hypothesen: der populärwissenschaftlichen und der wissenschaftsorientierten Biorhythmustheorie. Eine der bekanntesten populärwissenschaftlichen Theorien geht auf ein Modell dreier Einzelrhythmen zurück, einer körperlichen (23-Tage-Zyklus), einer emotionalen (28-Tage-Zyklus), sowie einer intellektuellen (33-Tage-Zyklus) Welle. In dem daraus resultierenden Diagramm soll ein positives und negatives Wirkspektrum mit kritischen Tagen erkennbar sein, sprich, einem Hoch und einem Leistungstief. Es ist aber bekannt, dass Weltrekorde und persönliche Bestleistungen sowohl in positiven (Hoch) als auch negativen (Tief) Zeiten gleichermaßen verteilt sind, somit ist diese Ansicht bis heute umstritten. Was also hat die wissenschaftsorientierte Richtung zu bieten?
Lebenszeitforscher
Genau genommen sprechen wir dabei im wissenschaftlichen Sinne stets von der Chronobiologie, abgeleitet von dem griechischen Wort „chronos“, was „Zeit“ bedeutet. Sie untersucht, wie die Zeit und das Leben auf der Erde zusammenhängen (bei Mensch, Tier und Pflanze). Man könnte auch von Lebenszeitenforschern sprechen, denn: „Alles, was lebt, tickt im Takt kosmischer Lebensuhren …“, so formulierte es einst der Pionier der Chronobiologie, Jürgen Aschoff.
Innen und außen
Alle Rhythmen, die im Organismus ablaufen, bezeichnet man als endogen. Darunter fallen beispielsweise die Herzfrequenz oder der Menstruationszyklus. Sie sind relativ unabhängig von äußeren Einflüssen und reagieren über einen inneren „Schrittmacher“. Als exogene Rhythmen werden demnach äußere Umstände bezeichnet, die Veränderungen im menschlichen Organismus verursachen, wie etwa der Schicht- und Nachtdienst der Arbeitswelt. Anhand von Körpertemperaturmessungen lässt sich im Tagesverlauf zeigen, dass endogene und exogene Rhythmen in enger Wechselbeziehung zueinander stehen. Hinzu kommt, dass sogenannte „Zeitgeber“ die innere Uhr des Menschen mit der Umwelt synchronisieren. Darunter fallen Reize wie zum Beispiel: Licht, Geräusche, Nahrungsaufnahme, soziale Interaktion, körperliche Aktivität, Temperatur und so weiter.
Parameter und Individualität
Gesteuert werden biologische Rhythmen entweder über Schrittmacher oder sogenannte Rückkoppelungssysteme. Dabei spielen Parameter eine Rolle, die besonders für den Sportbereich interessant sind: Herzfrequenz, Körpertemperatur, Blutdruck, Hormone, aber auch Größen wie Reaktionsvermögen, Aufmerksamkeit und einige mehr. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung von biologischen Rhythmen ist die Dauer, die sich von Sekunden bis Jahren erstrecken kann. Der Tagesrhythmus, auch als zirkadianer Rhythmus bezeichnet, ist für den Sportler meist der interessanteste. Untersuchungen offenbaren hier tagsüber und nachts Veränderungen wie beispielsweise von Körpertemperatur, der psychischen und körperlichen Leistungsfähigkeit (Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit) sowie der Koordination. Allerdings sind Einflussgrößen wie Licht (wichtigster Zeitgeber für den Menschen) und damit verknüpft der Schlaf-Wach-Rhythmus (mit Auswirkung auf das Hormonsystem) enorm wichtig. Bei all dem müssen wir auch berücksichtigen, dass es individuelle Unterschiede beim Typus des Menschen gibt.
In der Praxis
Was lässt sich nun aus all dem zuvor Dargestellten lernen beziehungsweise welchen praktischen Nutzen können Sportler daraus ziehen? Es folgen einige Beispiele. Wenn Sie sich auf einen Wettkampf vorbereiten, empfiehlt es sich, zu der Tageszeit zu trainieren, zu der das Rennen stattfindet. Beachten Sie dabei bei internationalen Events die Zeitverschiebung. Generell werden mittlere Ausdauerleistungen am effektivsten nachmittags erbracht, das gilt allerdings nicht für den Marathon, was mit dem Maximum der Körpertemperatur und dem damit verbundenen Leistungsabfall am Abend erklärt wird. Maximal- und Schnellkraftleistungen erzielen ihr Optimum am späten Nachmittag und Abend, da das Testosteron sowie andere Hormone dann ihren Tages-Höhepunkt erreichen. Die körperliche Beweglichkeit hat ihr Maximum am Abend, morgens ihr Minimum.
Abschließend
Erwähnt seien noch die geschlechtsspezifischen Unterschiede zwischen Mann und Frau und die altersbedingten Veränderungen. Sicherlich erfordert die Einordnung unserer Biorhythmik eine gute Wahrnehmung und selbstredend kann sich nicht jeder danach richten, aber es eröffnet doch ein neues Verständnis für biologische Abläufe und daran gekoppelte Leistungsfähigkeit.
Text: Udo Meller
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